Mit der Alpha 7R IV hat Sony diese Woche einen richtigen Coup gelandet. Doch lässt die Neue ihre Vorgängerin, die Alpha 7R III, wirklich alt aussehen? Und wie sehr verkürzt die Alpha 7R IV den Abstand zum Flaggschiff Alpha 9? Ich habe die Alpha 7R IV einmal näher unter die Lupe genommen und genau geschaut, was Sony wirklich verbessert hat.

Alpha 7R IV Sensor

61 Megapixel Sensorauflösung

61 Megapixel löst der Sensor der Alpha 7R IV auf – Rekord unter den Kleinbildkameras. Sogar die meisten Mittelformatkameras mit rund 50 Megapixel müssen da passen. Nur die neue Fujifilm GFX100 schafft mit 100 Megapixel nochmals deutlich mehr, kostet aber auch zweieinhalb Mal so viel wie der jüngste Streich von Sony.

61 Megapixel Bildauflösung – das sind ca. 45 Prozent mehr als bei der Alpha 7R III (42 Megapixel). Wer etwas davon hat? Vor allem diejenigen, die häufig mit Bildausschnitten arbeiten. Werbefotografen zum Beispiel. Oder Wildlife-Fotografen, falls wieder einmal das Tele nicht lang genug war.

Für den Alltag von Berufs- und Hobbyfotografen dürften die 42 Megapixel der Alpha 7R III weiterhin mehr als ausreichen. Gar nicht davon zu reden, dass die 61-Megapixel-Monsterdaten bei der Archivierung und Nachbearbeitung sehr hohe Anforderungen an die Hardware stellen.

Einen deutlichen Vorteil hat die hohe Sensorauflösung jedoch: Im APS-C-Crop-Modus liefert die Alpha 7R IV immer noch gut 26 Megapixel. Da gerät ihre Vorgängerin mit ca. 18 Megapixel ins Hintertreffen.

02-Pixel-Shift

Pixel-Shift-Shooting

Olympus kann’s schon lange, Pentax ebenso. Und jetzt auch Sony: Die Bildauflösung drastisch erhöhen, indem mehrere Aufnahmen mit jeweils leicht versetztem Sensor zu einem Bild zusammengesetzt werden. Gleich 16 Mal verschiebt die Alpha 7R IV beim „Pixel-Shift-Multi-Shot“ um jeweils einen halben Pixel und erzeugt so Bilddaten mit über 240 Megapixel Auflösung.

Kleiner Haken bei der Sache: die beim Pixel-Shift-Multi-Shot entstandenen RAW-Dateien müssen zunächst von der Sony-Software Imaging Edge zusammengesetzt werden. In der Kamera geht’s nicht. Und andere Programme, die das können, gibt es (derzeit) auch nicht.

Alpha 7R IV AF-Ergonomie

Autofokus mit Real-Time AF-Tracking

Nicht weniger als 567 Phasen-AF-Felder im Verein mit 425 Kontrast-AF-Sensoren auf dem Bildwandler der Alpha 7R IV messen die Entfernung zum Motiv. Dabei decken sie 99,7 Prozent der Bildhöhe und 74 Prozent in der Breite ab. Ein klarer Vorteil gegenüber der Vorgängerin – bei der Alpha 7R III liegt die Abdeckung nur bei gut der Hälfte der Bildfläche.

Die Alpha 7R IV erhält zudem das Real-Time AF-Tracking, das Sony erst kürzlich mit der Alpha 6400 eingeführt hat und das wirklich tadellos funktioniert. Das System reagiert auf Gesichter, Augen (auch von Tieren) vorgewählte Motive und generell auf solche Motive, die sich bewegen. Damit empfiehlt sich der Autofokus der Alpha 7R IV auch für anspruchsvolle Sport- und Actionaufnahmen.

Eine weitere Neuerung: Der „Focus Priority Mode“. Wird er gewählt, öffnet die Alpha 7R IV die Blende beim Fokussieren komplett. Erst wenn man den Auslöser gänzlich durchdrückt, wird auf Arbeitsblende abgeblendet. Einen Vorteil bietet das Verfahren zum Beispiel im Studio, wenn nur ein schwaches Einstelllicht beim Fokussieren hilft.

Verbessert hat Sony zudem die Ergonomie der AF-Steuerung. Der Joystick zur AF-Feld-Wahl ist deutlich größer geworden, auch die AF-On-Taste ist gewachsen (Bild). Und ganz wichtig: Das aktive AF-Feld wird beim Verschieben wieder farblich hervorgehoben und bleibt nicht unscheinbar grau wie bei der Vorgängerin.

 

Alpha 7R IV Speicherkarten

Serienbildrate

Die Alpha 7R IV nimmt Serien mit bis 10 Bilder/s auf, bei voller Auflösung und inklusive Nachführ-AF.  Der Pufferspeicher ist derart groß bemessen, dass der Kamera trotz der gigantischen Auflösung erst nach 68 Aufnahmen die Puste ausgeht und die Bildrate drastisch fällt. In diesem Punkt ist die Alpha 7R III indes noch besser – sie hält das Höchsttempo sogar für 76 Bilder durch.

Weiterhin bleibt es dabei, dass es ein Live-Bild im Sucher nur bis zu 8 Bilder/s gibt. Wer bei Reihenaufnahmen ein unterbrechungsfreies Sucherbild wünscht, muss also weiterhin zur Alpha 9 greifen.

Immerhin eignen sich bei der Alpha 7R IV jetzt beide Kartensteckplätze für schnelle UHS-II-Karten. Sie helfen, den Puffer fixer zu leeren. Eine wichtige Eigenschaft, denn Sony-Kameras blockieren teilweise, solange Daten auf die Karte geschrieben werden. Wie stark dieser Effekt bei der Alpha 7R IV ausgeprägt ist, darüber gibt es allerdings noch keine Aussagen.

Sony Mikrofon ECM-B1M

Video

Wenig Neues gibt es in Sachen Videos. Es bleibt bei maximal 4K/30p, höhere Bildraten als ihre Vorgängerin schafft die Alpha 7R IV nicht. Die Farbtiefe beträgt weiterhin nur magere 8 Bit, ein 10-Bit-Signal gibt es nicht einmal via HDMI. Da sind andere Hersteller inzwischen weiter.

Immerhin liest die Alpha 7R IV bei 4K-Video die gesamte Sensorbreite aus (mit Pixel-Bining und 6K Auflösung). Es kommt also nicht zu einem unschönen Beschnitt des Videobilds. Anders im „Super 35“-Modus (quasi das Halbformat bei Videofilmern), hier cropt die Kameras leicht mit Faktor 1,1 bei 24p und 1,2 bei 30p.

Ganz neu ist bei der Alpha 7R IV eine digitale Schnittstelle im Blitzschuh. Sie dient zur Übertragung von Audiodaten, die mit dem ebenfalls neuen, digitalen Mikrofon ECM-B1M (Bild) aufgenommen wurden. Das Mikrofon hat einen AD-Wandler an Bord, der den Prozessor der Kamera bei der Digitalisierung der Tonsignale entlastet. Es  ist mit insgesamt acht Mikrofonkapseln ausgestattet, die sich trickreich für unterschiedliche Richtcharakteristiken zusammenschalten lassen.

Sony A7RIV_top

Gehäuse und Ergonomie

Auch in der vierten Generation schwillt das Gehäuse der Alpha-7-Familie weiter an. Bei der Alpha 7R IV hat Sony den Handgriff abermals vorgezogen und insgesamt vergrößert. Neu ist ein frei belegbares Einstellrad auf der rechten Schulter, das Rad zur Belichtungskorrektur hat eine Sperre erhalten. Weiterhin ungenutzt bleibt die linke Kameraschulter.

Verbessert hat Sony den Wetterschutz, spricht aber weiterhin explizit nicht von einem Staub- und Spritzwasserschutz. Der elektronische Sucher löst jetzt 5,76 Millionen Dots auf (statt 3,69 Dots bei der Alpha 7R III). Beim Display bleibt alles beim Alten, lediglich die Reaktion auf Touch-Eingaben will Sony verbessert haben. Schade, dass sich das Schnellmenü weiterhin nicht per Touch-Gesten bedienen lässt – umso mehr, da sich nun für Foto- und Video-Aufnahmen separate Fn-Menü konfigurieren lassen.

Meine erste Einschätzung

Mit ihrer Sensorauflösung von 61 Megapixel lässt die Sony Alpha 7R IV die Kleinbildkonkurrenz weit hinter sich und hängt sogar die meisten Mittelformatmodelle ab. Aber Hand aufs Herz: Wer braucht eigentlich ein derartiges Pixelmonster? Fast immer dürfte bereits eine aktuelle Kleinbildkamera der 45-Megapixel-Klasse mehr als genug sein, oft reichen gar schon 24 Megapixel (inzwischen gerne auch im Halbformat).

Abgesehen vom hochauflösenden Sensor und dem leicht überarbeiteten Gehäuse hat die Alpha 7R IV überraschend wenig Neues zu bieten. Neben Detailverbesserungen sticht insbesondere der verbesserte Autofokus mit Real-time Tracking hervor. Hoffentlich reicht Sony ihn per Firmware-Update für die Alpha 7R III nach.

Kaum Neues gibt es für Videofilmer. Schon munkeln Insider, Sony habe sich in Sachen Video bewusst zurückgehalten, weil die Vorstellung einer Alpha 7S III kurz bevorstehe.