Mit der OM-D E-M1X hat Olympus letzte Woche eine Kamera vorgestellt, die auf den ersten Blick mit liebgewonnenen Micro-Four-Thirds-Tugenden bricht: Sie ist mit dem integrierten Hochformatgriff recht groß geworden, ihr Preis liegt mit rund 3000 Euro bei dem einer guten Kleinbild-Kamera. Ist die E-M1X diesen Preis wert? Ich habe sie bereits kurz ausprobiert.

Hamburg am vergangenen Mittwoch: Die Temperatur liegt am Gefrierpunkt, feiner Sprühnebel liegt in der Luft. Die Sicht reicht kaum bis ans andere Elbufer, kein Wetter für eine Kameravorstellung eigentlich.

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Schmuddelwetter in Hamburg – keine idealen Bedingungen für Beispielfotos mit der neuen Olympus OM-D E-M1X.

Aber Olympus wird nun einmal dieses Jahr 100 und leitet das Jubiläumsjahr jetzt im Januar mit der Vorstellung des neuen Flaggschiffs OM-D E-M1X ein. Eine MFT-Kamera, die mit vielem bricht, was Micro-Four-Thirds auszeichnet? Oder eine Kamera, die Micro-Four-Thirds weiterentwickelt und auf eine neue Stufe hebt?

Die technischen Daten lesen sich jedenfalls beeindruckend (mehr dazu im Beitrag Olympus OM-D E-M1X im Detail). Doch wie macht sich die Kamera in der Praxis? Knapp zwei Stunden habe ich mit der OM-D E-M1X verbracht. Natürlich ist das viel zu wenig für ein endgültiges Urteil, und natürlich war das Wetter viel zu schlecht für vorzeigbare Ergebnisse. Aber einige interessante Eindrücke und Hintergrundinformationen habe ich von meinem kurzen Ausflug nach Hamburg durchaus mitgebracht.

Olympus hält Gewicht und Preis klein

Ohne Frage: Für eine Micro-Four-Thirds-Kamera fällt die OM-D E-M1X ungewöhnlich groß aus. Andererseits ist sie jedoch die kleinste Kamera mit integriertem Hochformatgriff, die es derzeit gibt. Mir jedenfalls war die M1X auf keinen Fall zu groß, sie liegt perfekt in der Hand. Und dass sie auch bei -10° C noch klaglos funktioniert, ihr selbst schwerste Regengüsse nicht anhaben können, das will ich gerne glauben. So robust und haltbar fühlt sich die OM-D E-M1X an. Um es mit den Worten eines Automobil-Managers zu sagen: „Da scheppert nix“.

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Die OM-D E-M1X ist für eine MFT-Kamera groß, dürfte jedoch den meisten Fotografen gerade deshalb perfekt in der Hand liegen. Die Bedienelemente sind übrigens so geformt, dass sie sich blind ertasten lassen. An der Entwicklung des Bedienkonzepts haben Ingenieure der Medizin-Sparte mitgearbeitet.

Ich habe die OM-D E-M1X mit dem 12-40mm F/2.8 ausprobiert – eine Kombi die keine 1300 Gramm auf die Waage drückt. Noch deutlicher kann MFT seinen Gewichtsvorteil ausspielen, wenn lange Teletüten ins Spiel kommen, etwa das 300 mm F/4. Zusammen mit der Kamera sind das ca. 2,5 Kilo (Kostenpunkt der Kombi: ca. 5400 Euro), die der Fotograf zu stemmen hat. Ein Leichtgewicht im Vergleich zu einer entsprechenden Kleinbild-Kombi: Eine Nikon D5 mitsamt AF-S 600mm F/4 kommt auf mehr als das doppelte Gewicht (5,2 Kilo), der Preis dieser Kombi strebt stramm der 20.000-Euro-Marke entgegen.

Beim Gewicht (und beim Preis) ist das MFT-System mit seinem kleinen Sensor und den entsprechend kompakteren Objektiven also klar im Vorteil. Aber nichts im Leben ist zum Nulltarif zu haben, und so bezahlt man die Vorteile des kompakten Systems bei Olympus mit Abstrichen bei der Bildqualität – theoretisch.

Der weltbeste Bildstabilisator wiegt (fast) alle Nachteile des kleinen Sensors aus

Meine ganz persönliche Faustregel lautet: Halbiert man bei gleichbleibender Auflösung die Sensorfläche, verliert man rund 1 EV High-ISO-Fähigkeit. Wo eine Kleinbildkamera mit 24 Megapixel noch bei ISO 12.800 brauchbare Ergebnisse liefert, ist bei einem APS-C-Modell bei ISO 6400 Schluss. Und einer MFT-Kamera sollte man nach dieser Rechnung nicht mehr als ISO 3200 zumuten.

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Der Bildstabilisator der OM-D E-M1X bringt einen Gewinn von bis +7,5 EV – Weltrekord!

„Na und?“, wenden hier die Techniker von Olympus ein. Und verweisen auf ihren formidablen Bildstabilisator, der einen Gewinn von bis zu +7,5 EV bei der Belichtungszeitzeit verspricht. Selbst wenn es in der Praxis nur +5 EV sein sollten – ein gigantischer Zuwachs. Um einmal beim 300 mm F/4 ED IS Pro zu bleiben. Das entspricht an Kleinbild einem 600er-Tele, die Belichtungszeit sollte also 1/500 s, besser 1/1000 s nicht überschreiten, um die Aufnahme nicht zu verwackeln. Wenn der Bildstabilisator nun einen Gewinn von +5 EV bringt, würde noch bei 1/30 s keine Verwacklungsgefahr bestehen. Und entsprechend wächst auch die ISO-Reserve –zum Beispiel von ISO 12.800 ohne Stabi auf ISO 400 bei einem Stabi, der um eine um 5 EV längere Belichtungszeit zulässt.

Theoretisch macht es also zunächst für die Bildqualität keinen Unterschied, ob man mit einer Kleinbild- oder mit einer MFT-Kamera fotografiert, solange letztere einen um +2 EV wirksameren Bildstabilisator bietet. Dumm nur, dass sich nicht bei allen Motiven die Belichtungszeit ohne Einschränkung verlängern lässt. Kein Sportfotograf wird ein Handballmatch mit dem 600er bei 1/30 s fotografieren, ebenso kein Wildlife-Fotograf das Wolfsrudel in der Dämmerung. Kurzum: Wenn das Motiv kurze Belichtungszeiten (und damit höhere ISO-Werte) erfordert, sind größere Sensorformate klar im Vorteil.

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Ebenfalls neu: Der Live-ND-Filter, der die Belichtungszeit bis zum gewünschten Maß ausdehnt.

High-Res-Fotos jetzt auch aus der Hand möglich

Für den extrem leistungsfähigen Bildstabilisator der OM-D E-M1X hat Olympus (zusammen mit Partner Epson) eigens neue Gyrosensoren entwickelt. Die machen es nun erstmals möglich, sogenannte „Multishot-High-Res“-Fotos aus der Hand aufzunehmen. Dabei kombiniert die OM-D E-M1X mehrere Aufnahmen mit leichtem Versatz zu einem Bild mit rund 50 Megapixel Auflösung. Der Clou jetzt: Bei Aufnahmen aus der Hand wird nicht etwa der Sensor für jedes Bild verschoben. Vielmehr wertet die Kamera das natürliche Zittern der Fotografenhand aus und löst immer dann aus, wenn der Versatz zum vorherigen Bild genau passt. Ich habe es kurz ausprobiert, das Ganze scheint auf den ersten Blick gut zu funktionieren. Wie gut, das muss ein ausführlicher Praxistest zeigen.

Ein Sucher, der ins Auge sticht

Ausgesprochen gut gefallen hat mir übrigens auch der elektronische Sucher der OM-D E-M1X. Der löst zwar mit 2,36 Mio Dots nicht überragend hoch auf, auf alle Fälle aber hoch genug. Statt auf das letzte Quäntchen Auflösung hat Olympus beim Sucher auf eine sehr hohe Bildwiederholrate gesetzt. Sie beträgt 120p, das Sucherbild wird also in der Sekunde 120 Mal komplett neu aufgebaut. Laut Olympus ist das der einzige EVF der 120 Vollbilder in der Sekunde erzeugt – alle anderen Sucher am Markt arbeiten mit maximal 120i, bauen also nur jede zweite Zeile neu auf.

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Die Olympus OM-D E-M1X in der Frontansicht.

Hinzu kommt, dass das Sucherbild der OM-D E-M1X ausgesprochen groß ist. Bei 0,83facher Vergrößerung habe ich jedenfalls keinen Unterschied zum EVF meiner Kleinbildkamera ausgemacht. Das Sucherbild steht selbst bei schnellen Kameraschwenks und schlechtem Licht fest wie angenagelt, da schliert und grießelt nichts. Und dann ist da noch dieser wunderbar gedämpfte Auslöser, der kaum zu hören ist und die Kamera nicht im Geringsten erschüttert.

Ein Autofokussystem, das alles in den Schatten stellen will

Olympus führt mit der OM-D E-M1X ein Autofokussystem ein, das bestimmte Motive erkennt und automatisch erfasst. Derzeit zählen dazu Rennwagen, Motorräder, Flugzeuge und Züge. Die Ingenieure arbeiten aber schon jetzt daran, die Motiverkennung auszubauen.

Wie gut das funktioniert, das konnte ich leider noch nicht ausprobieren. Die von Olympus gezeigten Demo-Videos sind jedenfalls schon einmal sehr vielversprechend. Sie legen nahe, dass der Autofokus selbst bei einer sehr hohen Rate von 18 Bilder/Sekunde das gewünschte Motiv sicher im Griff halten kann. Ob’s klappt, wird photoscala hoffentlich bald testen können.

Olympus ist jedenfalls voll und ganz von den neuen AF-Algorithmen überzeugt und prüft bereits, ob sie sich per Firmware-Update auch in die OM-D E-M1 II implementieren lassen.

Olympus baut das System konsequent für Profis aus

Olympus hat diese Woche nicht nur mit der OM-D E-M1X eine neue Top-Kamera vorgestellt, sondern auch das dazu bestens passende Superzoom ED 150-400 mm F4.5 TC1.25x IS PRO angekündigt sowie ein neues Blitzsystem präsentiert. Und es gibt neu die Software „Olympus Workspace“, die die Bildverwaltung und -bearbeitung deutlich vereinfachen und beschleunigen will (und inzwischen hier heruntergeladen werden kann).

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Ein Mock-Up des ED 150-400 mm F4.5 TC1.25x IS PRO hatte Olympus bereits mit nach Hamburg gebracht.

Mein allererstes Fazit

So eine tolle Kamera und so wenig Zeit, ihr auf den Zahn zu fühlen. Da hat meine erste Begegnung mit OM-D E-M1X leider mehr Fragen aufgeworfen als Antworten geliefert. Dennoch bin ich nach meinem ersten Kontakt mit dem neuen Top-Modell von Olympus bereits überzeugt, dass die OM-D E-M1X Kameras wie der Nikon D5, der Canon EOS-1D X Mark II oder auch der Sony Alpha 9 überflügeln kann. Zwar nicht immer bei der Bildqualität, aber ganz sicher in Sachen Gewicht und Preis. Insofern wage ich die eingangs aufgeworfene Frage bereits jetzt zu beantworten: Ihren Preis wert ist die Olympus OM-D E-M1X ganz sicher.