Rund ein Jahr ist es her, dass Nikon-Boss Kazuo Ushida eine Spiegellose in Aussicht stellte, die die Modelle anderer Hersteller deutlich überflügelt. Jetzt ist die Katze aus dem Sack, in der zurückliegenden Woche hat Nikon die Z 6 und Z 7 präsentiert. Und während Nikon in Tokio die Ankunft des Z-Systems feiert, fragt man sich hierzulande: Ist Nikon mit dem Z-System der große Wurf gelungen oder doch nur zu kurz gesprungen?

Die Ära der Spiegelreflexkameras geht zu Ende, die Zukunft ist spiegellos. Darunter hat in den letzten Jahren kein anderer Kamerahersteller so sehr gelitten wie Nikon. Zulange hat Nikon eisern an seinen DSLR festgehalten. Profitiert hat davon vor allem Sony, deren Spiegellosen der A7-Familie mittlerweile in der dritten Generation verfügbar sind und durchaus auch höher Ansprüche erfüllen.

Die Messlatte legt Sony hoch

Dass Sony als bislang einziger großer Anbieter von spiegellosen Kleinbildkameras die Messlatte für Nikon hochlegen würde, lag schon länger auf der Hand. Und so hat es mich kaum gewundert, dass bei der Vorab-Präsentation der Z 6 und Z 7 vor rund einer Woche recht häufig das Wort Sony fiel. Direkt vergleichen konnte ich die Z 6 und Z 7 mit ihren Pendants von Sony natürlich noch nicht. Aber nachdem Nikon am Donnerstag dieser Woche detaillierte technischen Spezifikationen veröffentlicht hat, lassen sich schon einige Unterschiede zwischen der Z-Serie und der Alpha-7-Familie von Sony herausarbeiten

Bei Sony abgekupfert?

Sucherbuckel im DSLR-Stil, ausgeprägter Handgriff, klappbares Display: Bereits das äußere Erscheinungsbild der diese Woche vorgestellten Z-Kameras legt nahe, dass hier die Alpha-7-Familie (der dritten Generation) von Sony Pate stand. Und auch die Spezifikationen der Neuen von Nikon haben ihre Pendants bei Sony: Die Z 6 von Nikon entspricht mit ihren 24,5 Megapixel Auflösung der Alpha 7 III von Sony, die Z 7 mit 45,7 Megapixel findet ihre Entsprechung bei der Alpha 7R III mit 42,4 Megapixel. Ganz ähnlich die Preise (jeweils nur der Body, FTZ-Adapter im Wert von 200 Euro bei Nikon herausgerechnet): Hier steht die Z 6 mit ca. 2250 Euro der Alpha 7 III zu 2300 Euro gegenüber. Und die 3650 Euro der Z 7 liegen nur leicht über dem Einstandspreis der Alpha 7R III von 3500 Euro (deren Preisempfehlung Sony inzwischen auf 3200 Euro gesenkt hat).

Elektronischer Sucher

Bei Sony löst der EVF der Alpha 7R III 3,67 Millionen Dots auf, bei der Alpha 7 III sind es nur 2,36 Millionen Dots. Nikon spendiert hingegen der günstigeren Z 6 wie der Z 7 einen hervorragenden elektronischen Sucher mit jeweils 3,69 Millionen Subpixel. Hier bietet Nikon bei der Z 6 klar mehr als das Sony-Pendant Alpha 7 III.

Nikon-Z7_Nikon-Z6_skeleton_EVF

Beim elektronischen Sucher hält Nikon locker mit, die Z 6 hat einen deutlich besseren EVF als Sony Alpha 7 III.

Status-Display

Beim Layout der Kameraoberseite geht Nikon eigene Wege. Während Sony die linke Kameraschulter blank lässt, gibt es hier bei den Nikon-Kameras ein Moduswählrad. Und auf der rechten Schulter hat Nikon ein kleines ober feines Statusdisplay in OLED-Technik untergebracht (Fujifilm lässt grüßen). Dafür bieten die Sony-Kameras ein Rad zur Belichtungskorrektur.

Unterm Strich nutzt Nikon die Oberseite der Z-Kameras besser als Sony bei seinen Alpha 7.

Layout Oberseite

Beim Layout der Kamera-Oberseite mit seinem klaren OLED-Display zeigt Nikon Sony, wo’s langgeht.

Serienbildrate

Sony Alpha 7 III und Alpha 7R III erreichen beide eine Serienbildrate von bis zu 10 Bilder/Sekunde. Und zwar ohne Wenn und Aber, also mit Fokus- und Belichtungsnachführung auf jedes Bild der Reihe. Bei Nikon schafft die Z 6 „bis zu“ 12 Bilder/Sekunde, die Z 7 kommt auf „bis zu“ 9 Bilder pro Sekunde. Was Nikon mit der Formulierung „bis zu“ unter den Teppich kehrt: Die Belichtung wird bei maximaler Serienbildrate auf das erste Bild der Reihe eingefroren. Ohne diese Einschränkung sind bei der Z 6 lediglich maximal 9 Bilder/Sekunde drin, bei der Z 7 gar nur 5,5 Bilder/Sekunde. Zudem berichten erste Tester, dass der Pufferspeicher bei der Z 7 sehr klein sei und nur 22 Aufnahme fasse.

Bei der Serienbildrate hat Sony bereits auf dem Papier die Nase vorn.

Speicherkarten

Sony spendiert seiner jüngsten Generation Alpha-7-Kameras zwei SD-Kartenfächer, von denen eines für schnelle UHS-II-Karten ausgelegt ist. Nikon setzt bei seinen Z-Kameras dagegen auf ein einzelnes XQD-Fach. XQD-Karten sind zwar sehr schnell, gelten aber als Exoten (nur Nikon verwendet das Format derzeit in Fotokameras) und sind entsprechend teuer.

Mit lediglich einem Kartenfach und dann noch exotischen XQD-Karten springt Nikon nicht weiter genug, um Sony zu überflügeln.

XQD-Karte

Nikon setzt auf exotische XQD-Karten, ein zweites Kartenfach fehlt.

Akkulaufzeit

Nikon gibt in den technischen Daten der Z-Kameras keine Informationen zur Akkulaufzeit. Laut Tom Hogan und anderen Nikon-Kennern reicht der neue Akku EN-EL15b gerade einmal für 330 Aufnahmen (gemessen nach CIPA-Standard). Kein Wunder also, dass Nikon über dieses Thema nicht so gerne reden will (auch nicht auf Nachfrage). Denn die Z-Kameras erreichen in Sachen Akkulaufzeit etwa das dürftige Niveau, das die Alpha-7-Familie von Sony bereits bei ihrer Einführung vor knapp fünf Jahren geschafft hat.

Eine Akkureichweite von mickrigen 330 Aufnahmen ist Wasser auf die Mühlen aller Kritiker spiegelloser Kameras – und Nikon damit weit davon entfernt, andere Hersteller zu überflügeln.

Objektivangebot

Wie stets bei der Einführung eines neuen Kamerasystems, kommt auch das Z-System von Nikon zunächst mit einem überaus überschaubaren Objektivangebot (zwei Festbrennweiten, ein Standard-Zoom bis Ende des Jahres). Das kann man Nikon nicht ankreiden, bei Sony sah es vor beim Start der Alpha-7-Familie nicht besser aus. Außerdem gibt es von Nikon mit dem FTZ einen Adapter, mit dem weit mehr als 300 F-Mount-Objektive an den Z-Kameras funktionieren sollen. Da hatte Sony einen schwierigeren Start, denn vor allem die vielen A-Mount-Objektive mit Stangen-AF ließen sich nur mit großen Einschränkungen adaptieren. Allerdings legt Sony die Spezifikationen des E-Mounts für Fremdhersteller offen, Nikon hält den Z-Mount dagegen unter dem Deckel. Da wird es noch lange dauern, bis Nikons Angebot an Z-Objektiven das Niveau von Sonys E-Mount erreicht.

FTZ-Adapter

Dank des gelungenen FTZ-Adapters lassen sich hunderte F-Mount-Objektive gut an den Z-Kameras verwenden.

Beim Objektivangebot für die Z-Serie kocht Nikon auch nur mit Wasser, die Auswahl ist zum Start dürftig.

Meine Meinung

Mit der Z-Serie startet Nikon solide in die Welt der Kleinbild-Spiegellosen. Der von Nikon-Boss Kazuo Ushida in Aussicht gestellte große Wurf, der alles andere hinter sich lässt, ist das Z-System aber sicherlich (noch) nicht. Dazu ist die Akkulaufzeit zu mickrig, die Serienbildrate zu gering, das Angebot an nativen Objektiven noch lange nicht konkurrenzfähig, ein zweites Kartenfach fehlt. Beim Layout und elektronischen Sucher zeigt das Z-System schon heute, dass Nikon zur Konkurrenz aufschließen kann (und wird).