Die Stock-Foto-Suchmaschine Everypixel.com will Bildredakteuren die Suche nach Stock-Fotos erleichtern. Dazu hat das russische Start-Up den Web-Dienst Everypixel Aesthetics gestartet, der automatisch die Bildwirkung eines Fotos analysiert. Interessant ist der Dienst aber auch für Anbieter: Stock-Fotografen sollen mit Everypixel Aesthetics das ökonomische Potential ihrer Bilder erkennen können.
Everypixel Aesthetics bietet zwei Funktionen: Zum einen analysiert der Web-Dienst Bildinhalte und macht Vorschläge zur Verschlagwortung – etwa wie Excire Search für Lightroom oder der ganz ähnlich gestrickte Web-Dienst Keegan. Und wie Keegan fußt auch Everypixel Aesthetics auf der künstlichen Intelligenz eines neuronalen Netzwerks. Das wollen die Macher des russischen Start-Ups allerdings so trainiert haben, dass es die Bildwirkung von Fotos ähnlich wie Menschen wahrnimmt. Bewertet wird ein Bild mit einem Prozentwert aus, der charakterisiert wie „awesome“ (=überwältigend, beeindruckend) es ist. Dabei fließen die Erfahrungen von Designern, Redakteuren und erfahrenen Stock-Fotografen mit ein.
„Die Aufgabe des neuronalen Netzwerkes soll sein, die visuelle Qualität jedes Bildes einzuschätzen und eine ästhetische Bewertung jeder Datei vorzunehmen. Diese Daten gehören dann zu einer Gesamtmischung von Rangfaktoren, die die Suchergebnisse verbessern, indem sie ästhetisch bessere Bilder nach vorne bringen“, beschreiben die Everypixel-Entwickler ihr Ziel. „Es gibt Unmengen unverzeihlich schlechter Stock-Fotos. Die Browser-App Aesthetics soll die Fotos mit dem geringsten ästhetischen Wert erkennen und sie aus den Suchergebnissen aussondern. Der Service bewertet dabei nicht die Coolness oder Schönheit einer Person oder eines Objekts in einem Foto. Er kümmert sich nur um technische Aspekte wie Helligkeit, Kontrast, Rauschen etc.“ beschreibt Everypixel den Filter-Ansatz. Der Trainingsdatensatz dafür soll inzwischen knapp einer Million positive und negative Musterfotos umfassen.
Weg vom Klischee?
Noch befindet sich die Web-App sich im Beta-Stadium, doch sie steht bereits auf der Webseite von Everypixel Aesthetics zum Ausprobieren frei zur Verfügung. Die Ergebnisse sind zum Teil überraschend. Ein Test mit den Beispielbildern auf der Webseite zeigt, dass Everypixel Aesthetics offensichtlich weniger das Motiv an sich bewertet, sondern vielmehr, wie sehr sich das Motiv gestalterisch und technisch von der üblichen Einheitsware abhebt. So fallen ein konventionell-kitschiges Pärchen-Porträt oder ein Gruppenfoto wie aus einer Firmenbroschüre mit „0 %“ durch und würden wohl kaum in die Everypixel-Auswahl kommen, obwohl sich solche im Grund nichtssagenden Klischee-Bildchen vielfach großer Beliebtheit erfreuen.
Ein Motiv, drei unterschiedliche Bewertungen
Verschiedene Varianten des gleichen Motivs (hier das Redaktionsgebäude von „Der Spiegel“) bewertet Everypixel Aesthetics ganz unterschiedlich.
Everypixel will das Bewertungssystem noch weiter verbessern, betont aber auch, dass sich der Service nicht für historische Fotos, Illustrationen oder 3D-Visualisierungen eignet. Die automatisch zu den einzelnen Fotos nebenbei generierten Schlagwörter passen weitgehend, sie sind auf jeden Fall jetzt schon hilfreich zur Beschreibung der eigenen Fotos. Mit einem Klick lassen sie sich durch kopieren und können dann auf das Original übertragen werden.
Fotos: Horst Gottfried, Everypixel
Neuronale Netze sollen jetzt unsere Fotos bewerten.
Aha.
photoscala kommt etwas spät mit der Meldung – bei dpreview kam die Meldung bereits am 07. April 2017.
Ich habe mal ein paar Fotos dort hinein geworfen. Meistens hatte ich einen sehr hohen Wert erreicht. Aber die Fotos, die für mich am eindrucksvollsten waren, lagen eher gegen Null…
Bin ich froh, dass es noch Menschen gibt, die sich auf ihren Verstand und Bauch verlassen. Man stelle sich nur vor, die Personalmanager würden dort die Bewerberfotos prüfen lassen – das wäre ein Desaster für die Unternehmen und die Bewerber.
Wie tief sind wir gesunken. Erst die ‚Votings‘ des Pöbels, jetzt – angeblich – künstliche Intelligenz. Wir werden alle flüssiger als Wasser werden: überflüssig.
Zitat:
„photoscala kommt etwas spät mit der Meldung – bei dpreview kam die Meldung bereits am 07. April 2017“
Das muss ja kein Nachteil sein!
Jochen
Das Grundsätzliche an Stockfotos ist die Tatsache, dass Bilder von Menschen mit Texten kombiniert werden, die niemals den Ort kennen gelernt haben.
Namhafte Zeitschriften schreiben Artikel, ohne die Örtlichkeiten selbst zu kennen. Entsprechend gleichgeschaltet sehen die Beiträge aus. Ich fühle mich verschaukelt, wenn ich mir eine Fachzeitschrift kaufe und dann als Quelle so etwas wie Stockfotos finde.
Hier geht es nämlich nicht um inhaltliche Qualität oder künstlerischen Ausdruck, sondern nur um Billig. Letztendlich sind die allermeisten Agenturfotos technisch so perfekt, dass sie darin wieder langweilen.
Bei uns bekommt der Leser vielleicht nicht immer das perfekte Bild, aber worüber wir schreiben, da waren wir auch. Auch, wenn es einen Haufen Zeit, Kilometer und Geld kostet.
Genau diesen Weg gehen ja auch zahlreiche private Blogs, mit unperfekten Bildern, aber mit ehrlichen Beschreibungen und Inhalten mit Seele.
Die postfotografische Motivklingel.