Ursprünglich nur als Technologie-Demonstrator gedacht, hat sich die RX1 für Sony offenbar als derartig erfolgreich erweisen, dass nun mit der RX1R II die bereits dritte Variante der Kompaktkamera mit Kleinbildsensor auf den Markt gekommen ist. Sie setzt sich deutlich von ihren beiden älteren Schwestern ab, etwa mit ihrem integrierten EVF, dem nun klappbaren Display und natürlich dem formidablen 42-Megapixel-Sensor aus der Alpha 7R II. All diese Neuerungen waren mit Anlass genug, mich eingehend mit der RX1R II zu beschäftigen.

Als Sony die RX1 erstmals im Rahmen der photokina 2012 präsentierte, nannte sie die damals für die Cybershot-Reihe verantwortliche Marketingleiterin einen „Technologieträger“, mit dem Sony zeigen wolle, „was wir können“. Den wirtschaftlichen Erfolg der Kleinbildkamera mit 35-Millimeter-Objektiv beurteilte Sony damals eher zurückhaltend – bei einer unverbindlichen Preisempfehlung von seinerzeit 3100 Euro kein Wunder.

Sony RX1R II: Beispielbild

Sony RX1R II – eine kompaktere Kamera mit 42 Megapixel Auflösung gibt es derzeit nicht.
 

Der durchaus ambitionierte Preis erwies sich jedoch offensichtlich nicht als Verkaufsbremse, bereits im August 2013 legte Sony die RX1R mit Verzicht auf einen Tiefpassfilter für eine UVP von ebenfalls 3100 Euro nach. Beiden Kameras wurde immer wieder eine exzeptionell gute Bildqualität bescheinigt (so auch von thoMas). Kritik gab es hingegen unter Anderem am eher langsamen Autofokus, dem wuchtigen Verschluss (bei der RX1R), der schlechten Akkulaufzeit und daran, dass ein elektronischer Sucher fehlte.

An der schwachen Akkulaufzeit hat sich mit maximal 220 Aufnahmen nach CIPA-Messung auch bei der aktuellen RX1R II nichts geändert. Immerhin legt Sony der Kamera hierzulande einen zweiten Akku sowie eine Ladeschale bei. Davon einmal abgesehen, gibt es bei der RX1R II gegenüber ihren älteren Schwestern viel Neues:

  • Bildsensor mit 42,5 Megapixel Auflösung und Hybrid-AF mit 399 Phasen-AF-Sensoren auf dem Bildwandler (wie bei der Alpha 7R II)
  • Variabler Tiefpass-Filter
  • Versenkbarer EVF mit 2,36 Millionen Subpixel Auflösung
  • Rückwärtiges Display klappbar
  • WiFi mit NFC

Trotz dieser Neuerungen ist das Grundkonzept der Kamera unverändert geblieben. Sie vereint das Zeiss-Objektiv 35/F2 mit einem Kleinbildsensor zu einem recht kompakten Paket. Das Objektiv ist mit einem Blendenring versehen, der der Kamera im Verein mit einem Belichtungskorrekturrad ein wenig analoges Feeling verleiht. Ich habe mir in meiner Zeit mit der RX1R II vor allem die Neuerungen genauer angesehen.

Elektronischer Sucher und Display

Ähnlich wie schon bei der RX100 III hat Sony den elektronischen Sucher auch bei der RX1R II versenkt. Mit einem kleinen Hebel lässt man ihn wie ein Springteufelchen aus dem Kameragehäuse fahren. Anders, als bei der RX100 III (und IV) muss man jedoch das Sucherokular nicht eigens herausziehen und vor dem Einfahren des Suchers wieder hineinschieben. Bei der RX1R II drückt man den EVF einfach in die Kamera zurück, wenn man ihn nicht mehr benutzen möchte.

Sony RX1R II

Der elektronische Sucher der RX1R II ist versenkbar.
 

Ich habe den Sucher der RX1R II gerne verwendet. Er löst mit 2,36 Millionen Subpixeln sehr hoch auf, die Bildwiederholrate lässt sich auf 120 Hertz hochschrauben. Dann steht das Sucherbild wirklich wie festgenagelt, bei schnellen Kameraschwenks wird es lediglich etwas unschärfer, schliert aber keinesfalls nach. Unterm Strich erleichtert der Sucher das Handling der Kamera ungemein, das ist ein klarer Fortschritt gegenüber den bisherigen Modellen.

Und dann ist das ja noch das rückwärtige Display, das sich nun nach oben und unten klappen lässt. Schade, dass Sony ihm nicht auch eine Touch-Funktion mit auf dem Weg gegeben hat – ähnlich wie bei der Olympus PEN-F, bei der mir die AF-Feld-Steuerung per Fingertipper gut gefallen hat
Wie ihre Cousinen der Alpha-7-Familie schaltet die RX1R II automatisch auf den Sucher um, sobald die Kamera vors Auge gehoben wird. Und legt das Sucherbild auf den Monitor, wenn man sie vom Gesicht entfernt. Man kann sie aber auch so konfigurieren, dass das Sucherbild ausschließlich im EVF angezeigt wird, sobald man ihn ausgefahren hat. So erhält man einen manuellen Umschalter zwischen Display und EVF, den ich bei anderen Sony-Kameras oft vermisst habe.

Autofokus

Bei den bisherigen RX1-Modellen gilt der Autofokus als etwas behäbig. Kein Wunder, basiert er doch auf reiner Kontrastmessung und muss zudem noch eine relativ schwere Gruppe des Kleinbildobjekts hin- und herfahren. Das hat Sony bei der aktuellen RX1R II deutlich verbessert. Auf ihrem Bildwandler befinden sich 399 Phasen-AF-Sensoren – sie melden die Abweichung des Ist- vom Soll-Zustand direkt, sodass die zeitaufwändigen Iterationen der Kontrastmessung weitgehend entfallen.

In der Praxis merkt man davon allerdings wenig, solange das Wählrad für die AF-Betriebsart auf „S“ wie „statisch“ steht. Dann nämlich pumpt der Autofokus deutlich wahrnehmbar, bis er sein Ziel gefunden hat. Ganz anders sieht es aus, sobald das Wählrad auf „C“ für „continuous“ gedreht wird. Jetzt stellt die RX1R II rasend schnell scharf, selbst unter schlechten Lichtbedingungen. Offenbar tritt der „Hybrid-AF“ mit seiner Unterstützung durch den On-Sensor-Phasen-AF nur in der Betriebsart AF-C in Aktion. Befürchtungen, dass die Kamera dann nicht mehr derart akkurat scharf stellt, wie im Modus AF-S, haben sich bei mir nicht bewahrheitet. Das Rad zur Wahl des AF-Modus auf der Kamerafront sieht übrigens praktischer aus, als es ist: Es lässt sich nur schwer verstellen und ist zudem so glatt, dass man schon fest zupacken muss. 

Sony RX1R II: Beispielbild

Der Autofokus der RX1R II ist schnell und zuverlässig, ein spezieller
Makromodus erlaubt einen Arbeitsabstand von nur 20 Zentimetern.

 

Variabler Tiefpassfilter und Bildqualität

Bei der RX1R mit ihrem 36-Megapixel-Sensor verzichtete Sony noch gänzlich auf einen auflösungsmindernden Tiefpassfilter (so wie auch Nikon bei der D810). Ein Tiefpassfilter dient dazu, Moiré zu verhindern, das entsteht, wenn rasterähnliche Strukturen im Motiv auf dem Sensor in etwa mit derselben Größe abgebildet wie die Rasterstruktur des Sensors selbst. Aufgrund der immensen Auflösung der RX1R und noch mehr der RX1R II ist Moiré nur bei allerfeinsten Strukturen zu erwarten, der Verzicht auf einen Tiefpassfilter bietet hier also meist größere Vorteile. Tritt dennoch einmal Moiré auf, lässt sich das farbig changierende Muster heute mit gängigen Bildbearbeitungs-Tools gut retuschieren.

Sony RX1R II: Beispielbild
Sony RX1R II: Beispielbild

Selbst bei einer Pushentwicklung auf ca. ISO 10.000 bleiben Dynamik und Farbabstufung eindrucksvoll,
das Luminanzrauschen ist erträglich und bezogen auf die üblichen Druckausgabegrößen vernachlässigbar.

 

Darauf möchte sich Sony allerdings bei der RX1R II nicht verlassen und hat der Kamera einen variablen Tiefpassfilter mit auf den Weg gegeben. Standardmäßig ist er ausgeschaltet, über das Kameramenü lässt er sich indes in den zwei Stufen „Standard“ oder „Hoch“ aktivieren. Wie gut das funktioniert, wollte ich ausprobieren, mit einer Aufnahme von meinem besten Zwirn, der zu einem guten Teil aus feinst verwobener Seide besteht. Allerdings bin ich damit gescheitert, obwohl ich meinen Anzug in diversen Abständen fotografiert habe. Es wollte mir einfach nicht gelingen, den Aufnahmeabstand zu finden, bei dem mit abgeschaltetem Tiefpassfilter Moiré auftritt um dann die Wirksamkeit des Tiefpassfilters zu testen (und hier demonstrieren). 

Dabei steht außer Frage, dass der variable Tiefpassfilter funktioniert – Sony hat es bei der Präsentation der RX1R II demonstriert. In der Praxis stellt sich nur das Problem, dass sich vor der Aufnahme überhaupt nicht abschätzen lässt, ob Moiré auftreten wird und ob man also den Tiefpassfilter besser zuschaltet oder nicht. Letztendlich hilfreich ist er wohl nur bei einem peniblen Studio-Setup, bei dem man notfalls eine Aufnahme mit aktivem Tiefpassfilter wiederholen kann, falls beim ersten Schuss Moiré aufgetreten ist.
Davon abgesehen liefert der Bildwandler der RX1R II eine Bildqualität, die im Kleinbild praktisch unerreicht ist – einmal abgesehen von der Sony Alpha 7R II. Was ich seinerzeit über die Sensorleistung dieser Kameras geschrieben habe, gilt auch für RX1R II: Bis ISO 1600 gibt es praktisch keine Detailverluste durch Bildrauschen beziehungsweise den Eingriff der Rauschunterdrückung; bei reduzierter Ausgabeauflösung liefert selbst ISO 12.800 noch mehr als nur akzeptable Ergebnisse. Dank dieser überragenden High-ISO-Fähigkeiten habe ich den (nicht vorhandenen) Bordblitz bei der RX1R II nie vermisst; trotzdem ist es begrüßenswert, dass die Kamera mit einem Systemblitzschuh ausgestattet ist.

Sony RX1R II: Beispielbild

Das Objektiv der RX1R II verzeichnet etwas kräftig, wie der Vergleich zwischen
einer unkorrigierten Bildversion mit der einer digital korrigierten Fassung zeigt.

 

Das seit der UR-RX1 unveränderte Objektiv Carl Zeiss 2/35 mm kann mit der immensen Sensorauflösung der RX1R II offenbar gut mithalten. Die Aufnahmen sind knackscharf und detailreich, abgeblendet auf F8 auch bis in die Ecken. Das gilt sogar dann noch, wenn die etwas stark ausgeprägte tonnenförmige Verzeichnung digital korrigiert wird – wahlweise bereits in der Kamera oder nachträglich mit dem entsprechenden Korrekturprofil in der Kamera.

Sony RX1R II

Die Schärfe ist im Zentrum hervorragend und in den Ecken immer noch gut, wie der 100%-Ausschnitt rechts zeigt.
 

Mein Fazit

Dass es Sony gelungen ist, bei der RX1R II die Ausstattung aber auch die Bildqualität gegenüber ihren älteren Schwestern nochmals zu verbessern, steht für mich außer Frage. Der formidable, versenkbare Sucher erleichtert das Fotografieren ebenso wie das nun klappbare Display. Der Autofokus funktioniert nun so schnell und zuverlässig, wie man es von einer Kamera der 3500-Euro-Preisklasse erwarten kann. Und die Bildqualität der Kamera ist bis in sehr hohe ISO-Regionen über jeden Zweifel erhaben, auch wenn die deutliche kissenförmige Verzeichnung des Objektivs digital entzerrt wird.

Das eine oder andere Haar in der Suppe vergällt einem dennoch die uneingeschränkte Freude an der Kamera. Da ist zunächst einmal das recht kompakte Gehäuse, das auf der Rückseite nur wenig Raum für Bedienelemente lässt. Die wenigen Knöpfchen und Schalter, die Sony dort noch untergebracht hat, sind für meinen Geschmack zu winzig geraten und dürften gerne einen klarer definierten Druckpunkt aufweisen. Und dann ist da die weiterhin sehr geringe Akkulaufzeit, die einen eigentlich bereits bei der Familienwanderung zwingt, einen frischen Zweitakku einzustecken.

Sony RX1R II: Beispielbild

Die Sony RX1R II ist derart kompakt, dass man sie eigentlich immer dabei haben kann.
Ob dafür allerdings eine Kleinbildkamera mit 42-Megapixel-Sensor nötig ist?

 

Von diesen Kleinigkeiten einmal abgesehen, sagt mir das gesamte Konzept der RX1R II nicht so zu. Für meinen Geschmack ist die Kompaktkamera mit gut 40 Megapixel Auflösung schlichtweg überdimensioniert und so gesehen zu kostspielig. Eine Alpha 7R II gepaart mit einem Objektiv Zeiss FE 35mm/2.8 ist zwar nochmals rund 700 Euro teurer, bietet aber eben auch die komplette Flexibilität einer spiegellosen Systemkamera. Als klassische Reportagekamera mit fixem 35mm-Objektiv wiederum würde mit eine deutlich günstigere APS-C-Kamera reichen, etwa die Fujifilm X100T (Straßenpreis ca. 1.100 Euro). Für wen allerdings das Beste gerade gut genug ist, für den gibt es derzeit wohl kaum eine Alternative zu RX1R II – auch nicht in der Leica Q (Typ 116), die nochmals mehr kostet.

(Martin Vieten)