Jetzt im Frühling wird so manche Kamera aus dem Schrank geholt, entstaubt und in die Natur entführt. Doch nicht nur das Frühjahr inspiriert Fotografen. photoscala präsentiert eine Auswahl sehenswerter Fotobücher, die jetzt erschienen sind.
Natur als Kunst ist der Titel eines Buches, der auch das beschreibt, was man sieht, wenn man derzeit aus dem Fenster blickt: Überall wird alles lebendig. Die Natur ist erwacht, treibt ihre schönsten Blüten. Das jetzt im Wienand Verlag erschienenes Buch führt uns in die frühen Jahre der Landschaftsfotografie und illustriert gegenseitige Einflüsse zwischen Malerei und Fotografie in der Wahrnehmung von Landschaft.

Gustave Le Gray: Vue de mer (Meerblick), Normandie, 1856. Albuminpapier. © Münchner Stadtmuseum
Die Publikation stellt eine Auswahl von 100 Fotografien aus der Sammlung des Stadtmuseums München vor und bietet einen überaus appetitlich gestalteten Überblick über die Landschaftsfotografie im 19. Jahrhundert und ihre Bedeutung für die Malerei. Im Original kann man die Arbeiten in einer Ausstellung noch bis zum 5. Juni im Museum Schloss Moyland bewundern.
Nicht so weit entfernt, im Schloss Benrath in Düsseldorf, zeigt bis zum 14. April Simone Nieweg ihre Serie Der Wald, die Bäume, das Licht, zu der im Verlag Schirmer/Mosel auch ein Buch erschienen ist. Die 1962 geborene Düsseldorfer Fotokünstlerin präsentiert hier Wälder in Europa und Nordamerika. Der Niederrhein, die Schwäbischen Alb, Nordnorwegen, Südfrankreich, das Mühlviertel oder Kalifornien: Es sind betörende, schlichte Farbfotografien, welche die ehemalige Meisterschülerin von Bernd Becher vorstellt.

Macchia bei Mormoiron, Vaucluse 2012. © Simone Nieweg / courtesy Schirmer/Mosel
Stets sind diese Landschaften menschenleer, doch voller Atmosphäre, die sinnlich erfahrbar wird. Ihr Werk hält auf beeindruckende Weise die Balance zwischen Romantik und Realismus: symbolische Orte, von kunstvollem Licht umspielt. Der Wald als scheinbar heiler wie schauriger Sehnsuchts- und Rückzugsort ist genauso in den Fotografien präsent wie der ökonomische Umgang des Menschen mit Wäldern und Bäumen. Doch Simone Niewegs Blick auf die Natur stiftet Hoffnung, denn er zeigt auch, wie sich die Natur in ihrer Vielfalt dem beständigen Eingriff des Menschen entzieht.
Auch Elger Essers Buch Combray 2005-2016 zeigt sonderbar zeitlose Bilder. Esser ist ebenfalls ein ehemaliger Meisterschüler von Bernd Becher und fertigt in einem aufwendigen Verfahren nostalgisch anmutende Heliogravüren seiner in Schwarzweiß aufgenommenen Negative an – und wagt damit den größtmöglichen Gegensatz zur digitalen Gegenwart.

Combray (Annot), 2013. © Elger Esser / courtesy Schirmer/Mosel
In seinem neuen, bei Schirmer/Mosel erschienenen Band konzentriert sich Esser ganz auf die französische Provinz und ihre verschwiegenen Orte, Landschaften, Gärten, Seen, Kirchen, Klöster und Flussläufe. Das Ergebnis sind verwunschene, poetische Bilder, die an den fiktiven Ort „Combray“ aus Marcel Prousts Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ erinnern sollen. Der großformatige Band versammelt über 100 Aufnahmen.
Ein deutlich kühlerer Beobachter der Dinge ist der 1949 geborene Ulrich Wüst, dessen Buch Später Sommer / Letzter Herbst jetzt im Kehrer Verlag erschienen ist. Die Publikation folgt in Bildabfolge, Format und Titel einem handgefertigtem Leporello, transformiert dieses erstmalig in eine raue und direkte Buchform und fasst Serien und einige Einzelbilder aus dem Jahr 1989 zusammen, darunter etwa Nachtaufnahmen vom Prenzlauer Berg, Bilder einer Landfahrt von Lichtenberg nach Prenzlau und Menschen an der Ostsee. Eine Ausstellung im C/O Berlin präsentiert derzeit die Bilder.
Wenn der Frühling da ist, dann ist auch der Sommer nicht mehr so weit. Ein Buch, das uns direkt in den Sommer katapultiert, ist Surfing. 1778–2015 – ein dicker XXL-Band aus dem Taschen Verlag, der mit seinen 600 Seiten zwar 150 Euro kostet, doch die Geschichte des Surfens in Wort und Bild komplett erzählt. Bekanntermaßen hat das Surfen von Polynesien aus die Welt erobert – Jim Heimanns Buch zeichnet diese Geschichte nach. Mit mehr als 900 Bildern. Eine edel gestaltete Bibel des Surfens.

Aus: Jim Heimann, Surfing. 1778–2015.
Und noch ein Buch möchten wir Ihnen nun vorstellen, auch wenn es mit dem Frühling so gar nichts zu tun hat: Stillleben BRD heißt ein Band von Christian Werner, der sich mit der Geschichte der alten Bundesrepublik beschäftigt – „diesem Land, das es nicht mehr gibt und das uns alle so geprägt hat“. Sein aktuelles Studienobjekt ist das Haus eines verstorbenen 80-Jährigen. Mit der Kamera nähert er sich dem individuellen und gleichzeitig kollektiven Gedächtnis eines westdeutschen Nachkriegs-Lebens. Die Fotoserie wird mit rund 100 Bildern präsentiert und ist derzeit auch im Kunstpalais in Erlangen zu sehen.

Stäbchenparkett, Teppich und Fransenkamm. © Christian Werner/ Kunstpalais Erlangen
![]()
|
Museum Schloss Moyland (Hrsg.) Natur als Kunst: Landschaft im 19. Jahrhundert in Malerei und Fotografie Klappenbroschur. 128 Seiten Wienand Verlag 2016 ISBN 978-3-86832-319-1 29,80 Euro
|
![]()
|
Simone Nieweg Der Wald, die Bäume, das Licht Gebunden. 112 Seiten Schirmer/Mosel Verlag 2016 ISBN 978-3-8296-0750-6 49,80 Euro
|
![]()
|
Elger Esser Combray Gebunden. 224 Seiten Schirmer/Mosel Verlag 2016 ISBN 978-3-8296-0751-3 68 Euro
|
![]()
|
Ulrich Wüst Später Sommer / Letzter Herbst Festeinband. 96 Seiten Kehrer Verlag 2016 ISBN 978-3-86828-697-7 39,90 Euro
|
![]()
|
Jim Heimann Surfing. 1778–2015 Gebunden. 592 Seiten Verlag Taschen 2016 ISBN 978-3836537568 150 Euro
|
![]()
|
Amely Deiss, Kunstpalais, Stadt Erlangen (Hrsg.) Christian Werner: Stillleben BRD. Hardcover in Leinen, gebunden. 184 Seiten Kerber Verlag 2016 ISBN 978-3-7356-0203-9 35 Euro
|
(Marc Peschke/Martin Vieten)
Prima
Tolle Tipps, danke!
Es sind genau
diese Beiträge, die PHOTOSCALA so lesenswert machen und gute Traditionen fortsetzen.
Herrn Vieten (nicht nur von mir, sondern sicherlich auch im Namen vieler Leser) dafür unser herzliches Dankeschön!
LG
Ebenso Danke!
Ja, ich kann mich nur dem Kommentar anschließen und sagen, wie großartig ich diese Seite finde.
Es war nämlich nicht selbstverständlich, dass photoscala genauso gut weiter geführt würde, wie es einst T. Maschke tat.
Dafür muss man einfach einmal Danke sagen und ein richtig großes Kompliment aussprechen.
Vielen Dank an die Redaktion und Frohe Ostern.
Bernd Kockerols