Das Böse ist banal. Und schlummert offensichtlich überall. Ganz alltägliche Gegenstände zeigt die Fotoserie „Instrumenta sceleris – Asservate des Verbrechens“ der Künstlerin Simone Demandt – doch es sind auch Tatwerkzeuge, Mordinstrumente oder Beweisstücke in schweren Kriminalfällen:
Pressemitteilung des Museums beim Markt Karlsruhe:
Simone Demandt
Instrumenta Sceleris – Asservate des Verbrechens
Ausstellung im Museum beim Markt, Karlsruhe (22.2. – 17.8.2014)
Karlsruhe, 21. Februar 2014 (BLM) – Sie sind hochästhetisch und dennoch erfasst den Betrachter bei ihrem Anblick das Grauen: Die Objekt-Fotografien der Künstlerin Simone Demandt zeigen alltägliche Gegenstände, thronend auf einem Podest, umfasst von einem Schrein aus Karton – dabei sind es Tatwerkzeuge, Mordinstrumente oder Beweisstücke in schweren Kriminalfällen. In öffentlich nicht zugänglichen Asservatenkammern hat Simone Demandt sie aufgespürt und künstlerisch in Szene gesetzt. Die kriminalistische Neugier des Betrachters wird durch die Fotografien zwar herausgefordert – aber nicht befriedigt. Da die gerichtlichen Verfahren zum Teil noch laufen, darf nichts über die Fälle, nichts über das Geheimnis der Dinge und der Spuren, die sie tragen, bekannt werden.
© Simone Demandt
Die Banalität der abgebildeten Objekte und ihre Verwicklung in ein schweres Verbrechen stehen in einem Widerspruch, der vom Betrachter spontan als Anschlag auf die gefühlte eigene Sicherheit wahrgenommen wird. Weder Messer noch Revolver als typische Tatwaffen sind Simone Demandt bildwürdig. Stattdessen wählte sie Gegenstände, die in jedem Haushalt zu finden sind: einen Aschenbecher, einen Kerzenständer oder eine Spätzlepresse. Selbst ein Schöpflöffel, der an Suppenmahlzeiten im Familienkreis denken lässt, ist offenbar in einen fatalen Schicksalszusammenhang geraten und diente, wie seine Deformation zeigt, als Tatwerkzeug. Ein Schauer überläuft den Betrachter bei der Erkenntnis, welches Unheil die Dinge, die ihn im Alltäglichen umgeben, anrichten können und wie bedrohlich das scheinbar Harmlose ist. Das Böse ist banal. Und es schlummert offensichtlich überall.
© Simone Demandt
Die Kluft zwischen Simone Demandts hoher fotografischer Kunst und den menschlichen Abgründen, von denen ihre Bilder erzählen, stellen den Betrachter vor ein paradoxes Problem: Soll er die Fotografie bewundern, Simone Demandts Beherrschung künstlerischer Mittel anerkennen? Oder die Ohnmacht des Opfers nachempfinden, das fotografierte Objekt missbilligen und das Verbrechen verurteilen? Hinzu kommt: Neben den Alltagsgegenständen, die zufällig, vielleicht sogar unabsichtlich zu Waffen wurden, finden sich auch raffinierte Konstruktionen, die Ausdruck eines kriminellen Vorsatzes sind: eine chemische Apparatur zur Gewinnung von Rauschgift, eine Madonna aus Plastiksprengstoff bis hin zu einem selbst gebauten Revolver im Kugelschreiber. Um zu begreifen, wozu ein mit Gafferband umwickeltes Abflussrohr mit Inversionsklappe und Sägengriff gedacht ist, fehlt dem braven Normalbürger die Vorstellungskraft. Doch angesichts dieser menschlichen Perfidie kann der Besucher der Ausstellung nicht umhin, den Einfallsreichtum und das handwerkliche Geschick der Täter anzuerkennen. Das Böse bricht sich Bahn durch eine schier unerschöpfliche perverse Kreativität.
Der Konflikt zwischen Alltag und Verbrechen, Voyeurismus und Kunstgenuss, krimineller Energie und künstlerischem Genius ist nicht aufzulösen. Da dem Betrachter der „Instrumenta Sceleris“ keinerlei Wissen über die näheren Umstände der Tat an die Hand gegeben wird, ist er allein konfrontiert mit der nüchternen und unprätentiösen Art der Aufnahme. Die Objekte entfesseln vor seinem inneren Auge Bilder des Grauens. Betroffen von den menschlichen Schicksalen hinter den Dingen versucht er sich an einer Deutung und erzählt sich die Geschichte des Falls ins Spekulative weiter. Die schlichte äußere Form der Objekt-Fotografie wird dadurch zur Momentaufnahme innerhalb eines fiktiven Handlungsablaufs – genährt von den ureigenen inneren Ängsten und medial geprägten Schreckensbildern im Kopf des Betrachters. Wer die „Instrumenta Sceleris“ betrachtet, sieht seine eigenen Albträume.
© Simone Demandt
Und dennoch hat die Ausstellung nicht den Charakter eines Gruselkabinetts. Simone Demandt zeigt – und das ist wesentlich zum Verständnis ihres Werkes – keine Asservate, sondern nur Abbildungen von Asservaten. So bannt sie die Instrumente des Verbrechens mit den Waffen der Kunst: Als zweidimensionale Fotografien können sie dem, der sie ansieht, nichts anhaben. Auch die Bildtitel sprechen für eine Deutung der Werke als bloße Abbildung: Sie bestehen aus kryptisch anmutenden Zahlenkombinationen und nicht aus anschaulichen Begriffen, wie Hammer, Strumpfhose oder Spätzlepresse, die nur wieder das offensichtlich Fotografierte bezeichnet hätten. Der Nummer eines Negativbogens folgt das Jahr der Aufnahme sowie ein Nummernzeichen mit der Bildnummer des Motivs auf dem Bogen. Der Werktitel ist also quasi eine Inventarnummer, die die Auffindbarkeit des Fotonegativs im Archiv der Künstlerin suggeriert. Die Fotografien der archivierten Asservate sind damit wiederum zu Objekten einer Sammlung geworden.
Angesichts dieser abstrakten Bezüge und der Schwierigkeit des Betrachters, anhand eines zweidimensionalen Bildes eine kriminologische Spurensicherung zu betreiben, wird die objektive Aussagekraft der Dinge systematisch hinterfragt. Wie hält es ein Objekt überhaupt mit der Objektivität? Was, wenn es die Aussage nicht nur in der Ausstellung, sondern auch später vor Gericht verweigert? Gleich, wie intensiv die Detektivarbeit geleistet wird – kriminologisch oder kunsthistorisch – am Ende steht womöglich doch kein überführter Täter, kein geklärtes Motiv, vielleicht nicht einmal eine kriminelle Straftat…
© Simone Demandt
So bleibt dem Betrachter nur, seine eigenen subjektiven Schlüsse zu ziehen, seine Imagination auf die Dinge zu projizieren. Simone Demandts „Instrumenta Sceleris“ werden damit zu szenenreichen Lehrstücken, die den bürgerlichen Glauben an die Sicherheit, die Ordnung der Dinge, den Kunstbegriff, ja selbst die Wahrnehmung und die objektive Urteilskraft infrage stellen.
Ausstellung:
Simone Demandt
Instrumenta Sceleris – Asservate des Verbrechens
22.2. – 17.8.2014
Museum beim Markt Karlsruhe
Karl-Friedrich-Straße 6
76133 Karlsruhe
Öffnungszeiten: Di – Do 11 – 17 Uhr, Fr – So, Feiertage 10 – 18 Uhr
(thoMas)
Die
Banalität des Bösen findet seine Entsprechung in der Banalität der Fotografie.
Nette ebay-Fotos.
Aber Fotokunst?
Beim besten Willen nicht.
Belanglos liegt im Trend
Die gleiche Machart findet sich nun überall:
http://www.luminous-landscape.com/essays/kitchen_stories.shtml
Ob Mord oder Küche,
Eine Kamera
vertreibt die Gerüche.
Abgründe.
[quote=Museum beim Markt Karlsruhe]… den menschlichen Abgründen, von denen ihre Bilder erzählen …[/quote]
Tun sie nicht.