In Amerika, dem Sitz von Twitter und TwitPic, ist ein wegweisendes Urteil gefällt worden: Agence France Presse (AFP) und Getty Images hatten sich bei TwitPic Fotos des Fotojournalisten Daniel Morel „besorgt“ und weiterverkauft – und haben damit dessen Bildrechte vorsätzlich verletzt, wie das Gericht befand. 1,2 Mio. US-Dollar müssen die Bildagenturen nun für acht Fotos zahlen, entschied eine Jury:

Die Vorgeschichte: Der haitianische Fotojournalist Daniel Morel hatte 13 hochaufgelöste Fotos vom Erdbeben am 12. Januar 2010 in Haiti bei TwitPic hochgeladen; er wollte so seine Bilder schnell und direkt selbst vermarkten und da er Angst hatte, dass die Verbindung jederzeit zusammenbrechen könne, tat er das so schnell wie möglich und verzichtete auf Wasserzeichen.

Ein Redakteur von Agence France Presse holte sich acht davon, ohne um Erlaubnis zu fragen, verteilte sie sowohl über den eigenen Nachrichtenkanal als auch über den der Bildagentur Getty Images und wies sie dabei zunächst mit „Lisandro Suero, AFP/Getty Images” aus (Suero hatte die Bilder geklaut, auf seinem eigenen TwitPic-Account eingestellt, und sich fälschlich als deren Urheber ausgegeben). Mit dieser falschen Zuschreibung verkauften AFP und Getty die Fotos weltweit. Allerdings wurde AFP noch am selben Tage klar, dass diese Fotos von Morel stammten, wie Tweets und E-Mails belegen. Trotzdem wurden die Fotos weiter verkauft; lediglich die Zuschreibung wurde irgendwann von Suero zu Morel geändert.

Als Morel sich beschwerte, verklagte ihn AFP wegen „wirtschaftlicher Schädigung“ mit dem Ziel, ihm das Urheberrecht an den eigenen Fotos aberkennen zu lassen. Eine gütliche Einigung lehnte der für die Fotoabteilung Nord- und Südamerika verantwortliche Vincent Amalvy letztlich ab, wohl weil er glaubte, dass Morel die Fotos absichtlich so hochaufgelöst online gestellt habe, um genau solche Urheberrechtsverletzungen zu provozieren und das könne ja wohl nicht angehen.

Im Januar 2013 kam allerdings das Thurgood Marshall US Courthouse in New York unter Richterin Alison Nathan zu dem Schluss, dass AFP und Getty sehr wohl gemäß dem US Copyright Act das Urheberrecht von Morsel verletzt hätten, als sie sich die Fotos aus dem Internet holten, sie falsch zuschrieben, ihre Firmennamen dazusetzten und sie weltweit an ihre Kunden verkauften.

In einem weiteren Gerichtsverfahren vor dem Thurgood Marshall US Courthouse in New York sollte nun letzte Woche eine Jury darüber befinden, ob das vorsätzlich geschehen ist und welcher Schadenersatz Morsel zusteht (Editorial Photographers UK hat den Prozess ausführlich begleitet).

Die Jury kam dabei zu einem eindeutigen und für die Bildvermarkter vernichtenden Urteil: Das Urheberrecht wurde von ihnen vorsätzlich verletzt. Auch den Strafrahmen schöpfte die Jury voll aus: Als mögliches Strafmaß waren zwischen 650 und 150.000 US-Dollar pro unrechtmäßig genutztem Foto möglich – erkannt wurde auf je 150.000 US-Dollar, was sich bei acht Fotos auf 1,2 Mio. US-Dollar summiert. Weitere 20.000 US-Dollar wurden Morel zugesprochen, weil die Urheberrechtsangaben geändert wurden und falsch und irreführend waren.

Schätzungen gehen davon aus, dass dieser Prozess AFP und Getty, die eine ganze Anwaltsschar antreten ließen, insgesamt 9 bis 12 Mio. US-Dollar kosten wird.
 

(thoMas)
 

Nachsatz: Die Verteidigunglinie von AFP und Getty Images lief darauf hinaus, dass gemäß Twitters Richtlinien ja quasi die Erlaubnis der Nutzung und der Verzicht aufs Urheberrecht erfolgt sei, was nicht stimmt: Erstens sind die Bilder nicht bei Twitter online gegangen, sondern bei der Schwestergesellschaft TwitPic und zweitens stimmt man gemäß den Nutzungsbedinungen beider nur zu, dass die Worte / Fotos weltweit von Twitter und Partnern verbreitet werden dürfen: „Mit dieser Lizenz erteilen Sie uns die Erlaubnis, Ihre Tweets weltweit verfügbar zu machen und dies auch Dritten zu ermöglichen.“ Das Urheberrecht verbleibt ausdrücklich beim Autor.

Das Gericht vermochte weder zu erkennen, dass AFP „Partner“ von Twitter sei noch könne man aus den Geschäftsbedingungen Twitters herauslesen, dass damit eine unbeschränkte Lizenz für Dritte eingeräumt werde, nach der es gestattet sei, sich Inhalte einfach zu holen und kommerziell zu vermarkten.

Kurzfassung der Twitter- / TwitPic-Bestimmungen (solange ein Gericht nicht anders entscheidet): Mit dem Einstellen seiner Werke stimmt der Autor der weltweiten unentgeltlichen Verbreitung und der unentgeltlichen Nutzung durch Privatanwender zu.