Um die Zeit des Neuanfangs und des Wirtschaftswunders, und um den Alltag in der jungen bundesdeutschen Republik vor allem kreist die Aachener Ausstellung „Aufbrüche Bilder aus Deutschland. Fotografien aus der Sammlung Fricke“:
Jürgen Hebestreit, Siedlung Brassert, Marl 1970
© Jürgen Hebestreit
Pressemitteilung:
Aufbrüche
Bilder aus Deutschland
Fotografien aus der Sammlung Fricke
Das Suermondt-Ludwig-Museum Aachen zeigt vom 13. Juli bis 6. Oktober 2013 die Ausstellung „Aufbrüche Bilder aus Deutschland. Fotografien aus der Sammlung Fricke“.
Die etwa 110 präsentierten Fotografien stammen aus der Privatsammlung Dr. Christiane Fricke und Karsten Fricke. Sie sind allesamt dem Thema Deutschland gewidmet. Es geht um die Zeit des Neuanfangs in den Ruinen, des Wirtschaftswunders, das Leben im zweigeteilten Berlin und den Alltag in der jungen bundesdeutschen Republik. Auch das aufkeimende politische Bewusstsein der Endsechziger und 1980er Jahre findet seinen Widerhall in den Exponaten, die mit dem historischen Moment der Wiedervereinigung abschließen.
Neben berühmten fotografischen Wegbegleitern dieser Zeit wie Robert Lebeck oder Barbara Klemm ist René Burri als Beobachter von außen vertreten. Sibylle Bergemann und Arno Fischer waren nicht nur Vorreiter der DDR-Fotografie, sondern zählen ebenso zu den großen deutschen Fotografen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Die Ausstellung stellt zudem Vertreter der jüngeren Fotografie vor, deren Sujets einen frischen Blick auf das Thema Deutschland werfen. Als Meilensteine des Fotojournalismus sind einige der gezeigten Werke im Bildgedächtnis vieler Menschen verankert.
Es ist eine sehr persönliche Zusammenschau des Sammlerehepaars Fricke und der Kuratorin Sylvia Böhmer, die 32 Fotografen und ihre Werke aus dem umfangreichen Sammlungskonvolut ausgewählt haben, das sich mit dieser Auswahl nun zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Auch wenn die Fotografien ihren dokumentarischen Charakter nicht verleugnen, steht immer das authentische Einzelfoto im Fokus: das inhaltlich wie formal überzeugende Bild.
Christian Borchert, Regenschauer am Nöldnerplatz I, Berlin 1971
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek
DIE AUSSTELLUNG
„Samstagswäsche!“ ist das Thema einer Aufnahme, die die sorgfältige und liebevolle Reinigung des ersten eigenen VW-Käfers im Hinterhof einer Industriekulisse zeigt. Mit Recht ist man stolz auf diesen Besitz. Sind es doch gerade erst ein paar Jahre, dass die Schuttberge weggeräumt wurden und die am Boden liegende Wirtschaft wieder in Gang gekommen war. Ein bescheidener materieller Wohlstand macht sich bemerkbar in den Fotografien der 1950er Jahre. Die Zeit des Neuanfangs in den Ruinen, des Wirtschaftswunders, das Leben im zweigeteilten Berlin und der Alltag in der jungen bundesdeutschen Republik: Es ist das fotojournalistische Bild und die im weiteren Sinne dokumentarische Fotografie, die als Schwerpunkt der privaten Sammlung im Mittelpunkt der Ausstellung stehen.
NACHKRIEGSZEIT UND NEUBEGINN
Die frühesten Aufnahmen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit berühren vor allem durch ihre stille Kraft. Das gilt besonders für Hermann Claasens Trümmerbilder, die aufwühlend und zugleich ästhetisch sind. Auf René Burris Fotografie „Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, Berlin/West 1959“ ordnen sich die Trümmer der Kirche bereits dem unermüdlich vorangetriebenen Wiederaufbau unter: Vergangenheit und Gegenwart im Dialog. Stefan Moses markiert mit seinem außergewöhnlich inszenierten Bilderzyklus „Deutsche“ einen Wendepunkt der Nachkriegsfotografie. Ebenso wie Arno Fischer und Ursula Arnold gehört Christian Borchert zu den Wegbereitern der ostdeutschen Fotografie, deren Bildern mitunter eine leicht melancholische Stimmung ausstrahlen. Und die subtile Bildsprache Sibylle Bergemanns weist weit über das Genre der Modefotografie in der DDR hinaus.
Hermann Claasen, Kohlenklau (‘Fringsen’), um 1946
© LVR-LandesMuseum Bonn
VOM RUHRGEBIET BIS NACH BERLIN
Dem Ruhrgebiet widmet die Ausstellung ein vergleichsweise umfangreiches Kapitel. Hier gelingen Rudolf Holtappel, Walter Vogel und Jürgen Hebestreit meisterliche Bilder des Alltagslebens inmitten einer von Ruß und Qualm geprägten Landschaft.
Das politische Deutschland der sechziger bis frühen achtziger Jahre spiegelt sich exemplarisch in den Aufnahmen von Robert Lebeck, Engelbert Reineke und Barbara Klemm. Alle drei waren mit Leib und Seele Pressefotografen, Reineke im Dienst des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Barbara Klemm als Fotografin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Robert Lebeck für den Stern.
Rudi Meisels symbolträchtige Aufnahme vom S-Bahnhof Alexanderplatz in Berlin entstand in der DDR während seiner Arbeit als Fotograf des Zeit-Magazins. Mit dem Blick auf das demokratische, zusammenwachsende Deutschland schließt sich der Kreis. Den bezeichnenden Schlussakkord in dieser Ausstellung setzt Arno Fischers euphorisches Sylvesterbild 1989/90 am Brandenburger Tor. Das Gespür für den entscheidenden Augenblick oder die durchdachte Inszenierung, der sensible Blick auf die leisen Zwischentöne oder der Moment der großen Gesten: Sie alle sind Teile einer Erzählung über Deutschland.
Rudolf Holtappel, „Henkelmann“-Brücke, Oberhausen 1961
© Rudolf Holtappel
DIE SAMMLER
Dr. Christiane und Karsten Fricke haben in mehr als 40 Jahren eine bemerkenswerte Fotografie-Sammlung zusammengetragen. In der Kollektion sind Arbeiten von rund 120 Fotografenpersönlichkeiten vereint. Der Bildjournalismus ist ein zentraler Schwerpunkt, der Mensch und das Porträt sind weitere wichtige Säulen dieser Fotosammlung. Das Thema „die Deutschen“ dargestellt von Fotografen in Ost wie West von den 1920er- bis in die 1990er-Jahre ist mit großen Namen vertreten. Zur Sammlung gehören ebenso Sach- und Landschaftsaufnahmen, darunter exemplarische Arbeiten der subjektiven Fotografie. Christiane und Karsten Fricke sind dem Museum seit Jahren verbunden, allein schon durch ihr stetiges Interesse an der Ausstellungstätigkeit des Hauses. Für das Suermondt-Ludwig-Museum ist es ein Glück und eine große Ehre, die Sammlung Fricke mit ihren fotografischen Preziosen nun als Dauerleihgabe zu erhalten.
DIE KURATORIN
Die Ausstellung wird kuratiert von Sylvia Böhmer, Suermondt-Ludwig-Museum Aachen. In den vergangenen Jahren zeichnete sie unter anderem für Fotografie-Ausstellungen zu Sabine Weiss (2011), Dirk Reinartz (2010), Roger Melis (2009), Arthur Leipzig (2008), Werner Bischof (2007) und Willy Ronis (2004) verantwortlich und baute die Fotografie-Sammlung des Museums auf.
Stefan Moses, Straßenkehrer, Berlin 1963
© Stefan Moses
DIE FOTOGRAFEN
Ursula Arnold (1929 Gera Berlin 2012) Sibylle Bergemann (1941 Berlin Berlin 2010) Christian Borchert (1942 Dresden Berlin 2000) René Burri (1933 Zürich lebt in Paris) Jewgeni Chaldej (1917 Jusowka/Ukraine Moskau 1997) Chargesheimer (1924 Köln Köln 1972) Hermann Claasen (1899 Köln Köln 1987) Arno Fischer (1927 Berlin Berlin 2011) Leonard Freed (1929 New York Garrison N.Y. 2006) Christian Günther (1960 Leipzig lebt in Leipzig) Jürgen Hebestreit (1946 Sechtem bei Bonn lebt in Rösrath) Werner Hiebel (1940 Friedland/Böhmen lebt in Garching) Rudolf Holtappel (1923 Münster lebt in Oberhausen) Barbara Klemm (1939 Münster lebt in Frankfurt/M.) Lutz Knauth (1960 Leipzig lebt in Leipzig) Robert Lebeck (1929 Berlin lebt in Berlin) Will McBride (1931 St. Louis/USA lebt in Berlin) Rudi Meisel (1949 Wilhelmshaven lebt in Berlin) Ibo Minssen (1936 Köln lebt in Köln) Stefan Moses (1928 Liegnitz/Schlesien lebt in München) Simon Müller/BPA Hilmar Pabel (1910 Rawitsch/Schlesien Alpen bei Wesel 2000) Helga Paris (1938 Gollnow/Pommern lebt in Berlin) Richard Peter sen. (1895 Schlesien Dresden 1977) Engelbert Reineke (1939 Lüdinghausen lebt in Bonn) Toni Schneiders (1920 Urbar/Koblenz Lindau 2006) Gert Schütz/BPA (1914 Berlin 1987) Hans Martin Sewcz (1955 Halle/Saale lebt in Berlin) Wolf Strache (1909 Greifswald Stuttgart 2001) Axel Thünker (1958 Erftstadt-Gymnich lebt in Bad Münstereifel) Walter Vogel (1932 Düsseldorf lebt in Düsseldorf) Eusebius Wirdeier (1950 Dormagen lebt in Köln)
Robert Lebeck, Konrad Adenauer, 4. Januar 1966
© Robert Lebeck
Ausstellung:
Aufbrüche Bilder aus Deutschland
Fotografien aus der Sammlung Fricke
13. Juli bis 6. Oktober 2013
Suermondt-Ludwig-Museum
Wilhelmstraße 18
52070 Aachen
Katalogbuch:
Zur Ausstellung ist die Publikation „Aufbrüche Bilder aus Deutschland. Fotografien aus der Sammlung Fricke“, Aachen 2013, erschienen. Preis: 22 Euro. Bestellung unter Telefon +49 (0)241-47980-30, Fax (0)241-37075 und info@suermondt-ludwig-museum.de
(thoMas)
Unvollständig
Leider fehlen hier die Bilder vom kürzlich verstorbenen Jupp Darchinger, für mich DER Fotograf der Wirtschaftswunderzeit. Dafür kann man die Ostalgiebilder von Arno Fischer getrost im Archiv lassen.
Die Ostalgiebilder
[quote=Gast]Leider fehlen hier die Bilder vom kürzlich verstorbenen Jupp Darchinger, für mich DER Fotograf der Wirtschaftswunderzeit. Dafür kann man die Ostalgiebilder von Arno Fischer getrost im Archiv lassen.[/quote]
Spalter!
Gut Licht!
Eine Banalität…
…die zu faszinieren vermag.
Sudel Eddi.
Wissen ist wie eine Laterne. Die Bekloppten halten sich an ihr fest, den Klugen leuchtet sie den Weg.
Zukünftige
Zukünftige “Großstadt-Idyllen” werden dann so aussehen. Sicher wird es dann auch “Retrospektiven” geben:
http://www.welt.de/multimedia/archive/01446/ks_Bulgarien_DW_Po_1446778z.jpg
Erinnert mich an Wuppertal!
[quote=Gast]Zukünftige “Großstadt-Idyllen” werden dann so aussehen. Sicher wird es dann auch “Retrospektiven” geben:
http://www.welt.de/multimedia/archive/01446/ks_Bulgarien_DW_Po_1446778z.jpg[/quote]
Sudel Eddi.
Wissen ist wie eine Laterne. Die Bekloppten halten sich an ihr fest, den Klugen leuchtet sie den Weg.
Ganz woanders
[quote=Gast]Zukünftige “Großstadt-Idyllen” werden dann so aussehen. Sicher wird es dann auch “Retrospektiven” geben:
http://www.welt.de/multimedia/archive/01446/ks_Bulgarien_DW_Po_1446778z.jpg[/quote]
Gaza?
Gut Licht!