1913 wurde die »Optische Anstalt Jos. Schneider & Co.« gegründet. Sie firmiert heute als »Jos. Schneider Optische Werke GmbH« und hat die vergangenen 100 Jahre als eines von wenigen deutschen Fotounternehmen erfolgreich überdauert:
Anlässlich einer Sonderausstellung des Schloßparkmuseums in Bad Kreuznach in Kooperation mit Schneider-Kreuznach entstand folgender Text von Dr. Oliver Ramonat; er ist mithin so etwas wie eine offizielle Festschrift:
Die Familie Schneider und die »Optischen Werke«
Das Unternehmen wurde 1913 von Joseph Schneider (1855-1933) gegründet. Sein Vater Johann hatte das Küferhandwerk erlernt und betrieb gemeinsam mit seiner Frau in der Mannheimer Straße eine Gastwirtschaft und Brauerei. Joseph besuchte die Mittelschule in der Klappergasse und begann eine kaufmännische Lehre im »Manufakturwarenhaus« Schloßstein. Von einem Seidenwarenhaus in Frankfurt am Main ging er in das reiche und blühende Odessa, wo er im Getreidehandel tätig war. Am 27. September 1866 heiratete er die Weinhändlertochter Josefine Oster. 1877 übersiedelten beide nach Springfield, Ohio (USA), wo er die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm.
Hans-Joseph Schneider mit seiner Mutter Margarete (ca. 1970)
Foto: Schneider-Kreuznach
Nach dem Tod seines Vaters führte Hans-Joseph Schneider (1926-1989) das Unternehmen gemeinsam mit seiner Mutter Margarete (Gretel) Schneider (1895-1996). 1981 wurde das Unternehmen von ihnen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 1982 ging es dann nach einem Konkurs an den bisherigen Anteilseigner und Aufsichtsratsvorsitzenden Heinrich Manderman (1922-2002) über.
Schneider-Kreuznach 1913 2013
1912 / 1913 Gründung der »Optischen Anstalt Jos. Schneider & Co.« durch Joseph Schneider und seinen Sohn Josef August Schneider. Anregung dazu gab ein Patent von Josef August Schneider, das er 1910 anmeldete: »Einrichtung an einem Cinematografen mit stetig bewegtem Bild zum optischen Ausgleich der Bildwanderung mittels zweier gleichläufig und synchron bewegter polygonaler Trommeln«.
Grafik / Druck der Villa Schneider mit Werk (ca. 1913)
Bestand: Schneider-Kreuznach
Das Unternehmen mit Sitz in der Stromberger Straße spezialisierte sich auf die Produktion von Objektiven, bis hin zu Kinoprojektionsobjektiven. Bis 1914 waren 43 Angestellte und Arbeiter beschäftigt. 1918 beschäftigte man an die 400 Menschen. In dieser Zeit wurde auch der Umzug in die neuen Hallen in der Hofgartenstraße erforderlich.
20er-Jahre
Die Wirtschaftskrise brachte stark schwankende Umsatzzahlen. Das 100.000ste Objektiv wurde 1925 rechtzeitig zum 70. Geburtstag von Joseph Schneider gefertigt. Dann ging es langsam aufwärts, bis 1928 verließen weitere 100.000 Objektive das Werk und schon 1932 konnte das 500.000ste Objektiv gefeiert werden. Eine besondere Rolle spielte hier das Objektiv »Xenar«.
Hans Joseph Schneider (links) und Josef August Schneider (ca. 1948)
Foto: Schneider-Kreuznach
30er-Jahre
Nach dem Tod von Joseph Schneider 1933 übernahm sein Sohn Josef August Schneider die Firma. Die Gleichschaltung aller Unternehmen begann unmittelbar nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933. Schon zuvor hatte die NSDAP ideologisch gegen »Großkonzerne« und »Kapitalisten« mobil gemacht. Der als typisch propagierte »deutsche Unternehmer« ein altväterliches Ideal des weisen Lenkers wurde zum »Betriebsführer«. 1934 wurde das »Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit« erlassen. Für die »Optischen Werke« musste ein neues Arbeitsgesetz erlassen werden, das die NS-Zwangsmaßnahmen zu berücksichtigen hatte.
1938 erfolgte die Einweihung des neuen Gebäudes an der Ringstraße, das Werk beschäftigte etwa 450 Mitarbeiter.
Das 1.000.000ste Objektiv
40er-Jahre
Im Krieg war das Unternehmen zu Fertigungen für die Firma Zeiss gezwungen. Erneut, wie schon während des Ersten Weltkrieges, wurde es »kriegswichtig«. Unter die allgemeinen politischen Zwänge fielen auch die Beschäftigung von Zwangsarbeitern und Zulieferungen für die »Wehrmacht«. Unter diesen Bedingungen wahrte der damalige Chef Josef August Schneider bürgerliche Tugenden und ließ sich von den neuen Machthabern nicht völlig vereinnahmen. Dem Kriegsende folgten Monate der Unsicherheit unter dem Damoklesschwert der Demontage wichtiger Anlagen und Einrichtungen.
Erster Einsatz von Computern (Zuse Z 22) zur Berechnung der Objektive (1956)
Foto: Schneider-Kreuznach
50er-Jahre
Die Wirtschaft in Westdeutschland hatte rasch wieder Fuß gefasst, es folgten Jahre des Aufschwungs mit erheblichen realen Wachstumsraten. Das 5.000.0000ste Objektiv wurde für einen aufstrebenden Massenmarkt der privaten Fotografie gefertigt. Schneider-Kreuznach war 1956 eines der ersten Unternehmen, in denen Computer zum Einsatz kamen.
Die Linsenlackiererei bei Schneider Kreuznach um 1960
Foto: Schneider Kreuznach
60er-Jahre
Die Objektive von Schneider-Kreuznach, vor allem im Zoom- und Großformatbereich, verkauften sich sehr gut. Bei der Super-8-Technik war das »VARIOGON« eines der erfolgreichsten Objektive in den 1960er-Jahren überhaupt Stand der Technik. Im gesamten Zeitraum von 1948 bis 1967 wurden 8 Millionen Objektive von Schneider-Kreuznach gefertigt. Das 10.000.000ste Objektiv: ein TV-Objektiv aus der »Variogon«-Reihe.
Lunar Orbiter fotografiert erstmals die Erde aus der Nähe des Mondes (23. August 1966)
Aufgenommen mit einem Xenotar 2,8/80 mm
Foto: NASA
Das Jahrzehnt der Raumfahrt stand auch im Zeichen der Technik von Schneider-Kreuznach. Für ihre bemannten Raumfahrtmissionen kaufte die NASA ab 1962 einen Großteil ihrer Objektive bei Schneider-Kreuznach. Die ersten Bilder von der Erde entstanden mit Schneider-Objektiven mit 45 und 75 Millimeter Brennweite, auch die Lunar-Orbiter-Sonden hatten jeweils ein Schneider-Objektiv »Xenotar« an Bord.
70er-Jahre
Ein weiteres Standbein wurden die weit verbreiteten Super-8-Kameras, die es erstmals für den Privatbereich ermöglichten, bewegte Bilder festzuhalten. Ende der 1970er-Jahre verfügten rund 77% aller deutschen Haushalte über einen Fotoapparat; Foto und Film (Super-8) waren zu einem Massenphänomen geworden. Aufnahmeobjektive für TV-Kameras hielten die Olympischen Spiele 1976 in Innsbruck fest. Schneider machte seinen »TV-Service« mobil. Auf zahlreichen Messen präsentierte Schneider seine leistungsfähigen Kameraobjektive.
Seit 1975 ist die digitale Berechnung von Objektiven ein wesentliches Werkzeug bei der Entwicklung. Auch im Bereich Messtechnik ist Schneider-Kreuznach innovativ. Messanlagen werden selbst hergestellt, da es Geräte mit einer vergleichbar hohen Messgenauigkeit am Markt nicht gibt.
80er-Jahre
Bald war es jedoch damit vorbei die Konkurrenz aus Fernost wurde immer stärker und viele deutsche Kamerahersteller verschwanden vom Markt. Der Foto- und Optikhändler Heinrich Manderman kaufte einen Teil des Unternehmens Jos. Schneider Optische Werke, 1982 ging es nach einem Konkurs ganz in dessen Besitz über.
Manderman richtete das Unternehmen neu aus und er brachte Großaufträge mit. Der unternehmerische Neuanfang gelang vor allem durch Objektive für Großformate.
Das 14.000.000ste Objektiv
90er-Jahre
Die technische Entwicklung der Fotooptik richtete sich vor allem an der Korrektur der Abbildungsfehler, die durch die Linsen entstehen, aus. Verzerrungen in Formen und Farben, so kann man verkürzt sagen, begegnete die Objektiventwicklung durch eine immer ausgefeiltere Kombination der verschiedensten Typen von Linsen.
Das Super-Angulon 1:5,6/38 mm aus dem Jahre 1993 war eines der ersten Großformatobjektive mit asphärischen Linsen
Foto: Schneider Kreuznach
Ein echter Meilenstein waren die neuen asphärischen Linsen aus Bad Kreuznach. Diese sind nicht aus der Kugelform abgeleitet und unregelmäßig geformt. Mit ihrer Hilfe lassen sich Präzisions-Objektive wesentlich leichter und kleiner konstruieren wenn man die komplexe Herstellungstechnik beherrscht, bei der es um allerhöchste Präzision geht.
Jahrtausendwende
Nach den Erfolgen in den 1970er-Jahren für das »Cinelux Ultra« holte Schneider-Kreuznach erneut einen sogenannten »Technik-Oskar« für das »Super-Cinelux« und »Cinelux Première«. Die gleichmäßige und verzerrungsfreie Ausleuchtung einer Leinwand überlässt man besser einem Projektionsobjektiv aus Bad Kreuznach.
2013
Die Gegenwart in Stichworten: Mehr als 15.000.000 Objektive, einer der Weltmarktführer
Hochleistungsobjektive für Foto, Film und Industrie, Ventiltechnik
Dr. Oliver Ramonat
Der Büroraum des Firmengründers Joseph Schneider, nachgebaut mit den restaurierten Original-Möbeln und authentischer Ausstattung. „Im guten Geist des Gründers“ wird der Raum für zentrale Besprechungen, insbesondere mit ausländischen Gästen, genutzt.
Foto: Schneider Kreuznach
Jubiläumsausstellung: 100 Jahre Schneider Kreuznach
Die Geschichte des Unternehmens Schneider-Kreuznach von seinen Anfängen bis heute ist Thema einer Sonderausstellung im Schloßparkmuseum in Bad Kreuznach. In der Ausstellung „Die Welt im Fokus 100 Jahre Schneider Optische Werke Bad Kreuznach“ dokumentieren viele Exponate die spannende und facettenreiche Entwicklung des mittelständischen Unternehmens und damit auch historische Aspekte optischer Innovationen. Die Sonderausstellung ist bis 31. August 2013 zu sehen.
Schloßparkmuseum
Dessauer Straße 49
55545 Bad Kreuznach
Die Schneider-Gruppe
Gründungsjahr: 1913
Firmierung: Jos. Schneider Optische Werke GmbH
Hauptsitz: Ringstraße 132, 55543 Bad Kreuznach, www.schneiderkreuznach.com
Schwerpunkte: Entwicklung und Produktion von Hochleistungsobjektiven, fotografischen Filtern, Augenoptiken sowie Feinmechanik
Unternehmensstruktur: Zur Schneider-Gruppe gehören Jos. Schneider Optische Werke GmbH (Bad Kreuznach) mit ihren Tochtergesellschaften Pentacon (Dresden), ISK Optics (Göttingen), Schneider Optics (New York, Los Angeles), Schneider Bando (Seoul), Schneider Asia Pacific (Hongkong) sowie Schneider Optical Technologies (Shenzhen)
Produktionsstandorte: Bad Kreuznach, Dresden, Göttingen, New York, Los Angeles
Geschäftsführung: Dr. Josef Staub
Umsatz 2011 (Gruppe): 85,5 Mio. Euro
Beschäftigte: 660 Mitarbeiter weltweit, davon 360 in Bad Kreuznach
Vertriebsgebiete: Europa, USA, Japan, China, Indien, Südkorea, Brasilien
Geschäftsbereiche: Photo Imaging, Entertainment Imaging, Industrial Solutions
Marken (Auszug): Schneider-Kreuznach, Angulon, B+W Filter, Cinelux, Pentacon, Symmar, Praktica, Variogon
Produkte: Aufnahmeobjektive, Aufnahmefilter, 2D-/3D-Projektionsobjektive, Industrieobjektive, Brillengläser, Servohydraulik, Messtechnik, LED-Beleuchtung, Automotive
(thoMas)
Prost
Shneyder Grushnak (engl.)!
Jedenfalls
nicht die Fischperspektive …
Üben, üben, üben
Entzerren Sie, wie Sie wollen, jedenfalls nicht so, womit ist das Bild denn entstanden? Schneider kann doch keine Fischaugen! [quote=Gast]Was für eine Entzerrung hätten Sie denn gern?
Wünschen Sie eine gnonomische Projektion? Eine stereografische? Soll der Kollege winkeltreu entzerren? Winkellinear? Flächentreu?[/quote]
Man sieht,
dass Sie nicht viel verstanden haben, Herr B.
Halb- und Vollwissen
Ihr ausgeprägtes Vollwissen basiert auf einer Pressemeldung des Jahres 2008. Da verstehe ich, dass Sie sich weitere Kommentare ersparen. Aber danke trotzdem für Ihren Hinweis, Shenzen würde ich tatsächlich nicht wiededr als “Produktionsstandort” bezeichnen.
Wichtiger aber ist (mir), dass auch Sie die Anmerkungen zur Geschichtsklitterung offensichtlich anerkennen. Ich kann die Motivation des Autors, der Firma(?) nach so langer Zeit und ohne dass noch Lebende belastet werden könnten, nicht nachvollziehen. Ich bin sehr gespannt, wie Schneider in der Jubiläumsausstellung mit diesem Themenkomplex umgegangen ist. Werde es mir in den nächsten Tagen ansehen.
Provokation oder Unkenntnis?
Ein Leserbrief ist keine Dissertation. Aber nehmen Sie, “Grüßender”, gerne eins der von mir genannten Stichworte und googeln Sie. Nicht schwer und das Gefundene wird das Gesagte bestätigen. Nur bei Schneider selbst werden Sie zu meinen “streng genommen haltlose(n) Aussagen” auf der Internetseite nichts mehr finden. Dem Jubiläums-Relaunch ist das gesamte historische Archiv zum Opfer gefallen.
Noch ein Tip, da Ihnen ja vor allem das Schicksal des 38er und 47ers am Herzen liegt: Wie wär’s, wenn Sie bei Schneider direkt fragten? Geht genauso einfach, wie hier als Unwissender Unwissende zu fragen…
Zwangsarbeiter bei Schneider / Stadtarchiv Göttingen
Falls es mit eigener Recherche nicht so recht klappt:
Der aus Frankreich stammende Maler Louis G. war im Januar 1942 als Lackierer zu den Optischen Werken Joseph Schneider & Co in Weende gekommen, wo er nach Aussage der Betriebsleitung anderthalb Jahre zu ihrer großen Zufriedenheit arbeitete, bis er etwa ein Dreivierteljahr vor seiner Verhaftung Anfang November 1944 “ziemlich starken Verkehr mit ausländischen Zivilarbeitern innerhalb der Werkstatt hatte”, was eine “starke Minderleistung” zur Folge gehabt habe. “Dieser Verkehr”, so die Betriebsleitung, “wurde damals sofort von uns unterbunden. Es war dann wieder eine Leistungssteigerung zu verspüren.” Trotz des auch in diesem Fall positiven Urteils der Betriebsleitung versuchte diese also deutlich, Louis G. als eine potentiellen Unruhestifter darzustellen. Ins Fadenkreuz der Ermittler war Lous G. durch eine Anzeige von einer in einem Göttinger Hotel lebenden französischen SD-Mitarbeiterin geraten, die einen französischen Kriegsgefangenen und dessen Freund, einen “Zivilfranzosen”, beschuldigt hatte, regelmäßig “Feindsender” zu hören, wobei sich der im Lager Sültebeck untergebrachte französische Kriegsgefangene Notizen von den Übertragungen mache, die dann seinen Kameraden im Lager übermittele. Obwohl von der Denunziantin ein falscher Vorname angegeben worden war, wurde Louis G. aufgrund der richtigen Adresse noch am 9. November 1944, dem Tag der Anzeige vernommen, behauptete erst der französische Kriegsgefangene habe die Sender eingestellt, gab dann aber bei einer neuerlichen Vernehmung am nächsten Tag alles zu und erklärte auch, dass er das Rundfunkgerät vor etwa zwei Jahren von einem französischen Zivilarbeiter gekauft habe. Lous G. wurde daraufhin in das Göttinger Gerichtsgefängnis gebracht, der französische Kriegsgefangene in das Polizeigefängnis. Nachdem das Göttinger Gerichtsgefängnis nach einem Bombenangriff im Dezember 1944 nicht mehr nutzbar war, wurde Lous G. in das Zuchthaus Hameln verlegt. Dort wurde er durch den Gefängnisarzt auf seinen Geisteszustand untersucht, nachdem in den Akten schon nach seiner zweiten Vernehmung am 10. November 1944 vermerkt worden war: “G. macht einen äußerst beschränkten Eindruck, hatte Autounfall, Gedächtnisschwäche.” Nach dem am 27. Januar 1945 ergangenen Urteil kam Louis G. ins Gerichtsgefängnis nach Hildesheim, wo er am 6. April 1945 entlassen wurde. Doch brachte diese Entlassung für ihn trotz des Kriegsendes nicht die Freiheit, sondern nur eine Einweisung in die Göttinger Landespflege- und Heilanstalt am Rosdorfer Weg eingeliefert zu werden, wo er am 26. April 1945 im Alter von erst 38 Jahren verstarb. Als offizielle Todesursache ist in der Sterbeurkunde “Devianter Verwirrtheitszustand, Entkräftung und Bronchopneumonie” angegeben. Mit “Devianz” bezeichnet man ein von der Norm abweichendes Verhalten, was dafür spricht, dass nicht so sehr die Folgen eines früheren Autounfalls, sondern sein widersätzliches Verhalten, Louis G. zum Verhängnis wurde, worauf ja auch schon die Betriebsleitung von Joseph Schneider & Co hingewiesen hatte. Der Hinweis auf eine Lungenentzündung als zusätzliche Todesursache, die sich in vielen Sterbeurkunden von Zwangsarbeitern findet, stellte dabei wahrscheinlich nur eine medizinische Absicherung dar. “Entkräftung” – eine der häufigsten Todesursachen bei Zwangsarbeitern – wurde dagegen in den seltensten Fällen offiziell in die Sterbeurkunde eingetragen. Insofern rechtfertigt diese dreifache Absicherung der Todesursache in jeder Hinsicht den Verdacht eines wodurch auch immer verursachten gewaltsamen Todes des Louis G.
Quellen und Literatur:
Cordula Tollmien, Zwangsarbeiter in Ämtern, Dienststellen und Betrieben der Göttinger Stadtverwaltung während des Zweiten Weltkriegs (Fassung ohne Namensnennungen), Göttingen Dezember 2000 (Manuskript im Stadtarchiv Göttingen), S. 37 f.
Aufenthaltsanzeigen Louis G., geb. 1907 (Foto), Stadtarchiv Göttingen Pol. Dir. Fach 175 Nr. 15 (alphabetisch).
Sterbeurkunde Louis G. 26.4.1945, ebenda, Sterbebücher 1945.
Rundfunkverbrechen Geert. E. und Louis G., Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv Hannover Hann 171 a Hannover Acc. 107/83 Nr. 895 und Nr. 1140.
Zwangsarbeit in Wetzlar
Sehr gut! Vielen Dank! In dem Zusammenhang ist auch empfehlenswert: Karsten Porezag “Zwangsarbeit in Wetzlar”. [quote=Gast]Falls es mit eigener Recherche nicht so recht klappt:
Der aus Frankreich stammende Maler Louis G. war im Januar 1942 als Lackierer zu den Optischen Werken Joseph Schneider & Co in Weende gekommen, wo er nach Aussage der Betriebsleitung anderthalb Jahre zu ihrer großen Zufriedenheit arbeitete, bis er etwa ein Dreivierteljahr vor seiner Verhaftung Anfang November 1944 “ziemlich starken Verkehr mit ausländischen Zivilarbeitern innerhalb der Werkstatt hatte”, was eine “starke Minderleistung” zur Folge gehabt habe. “Dieser Verkehr”, so die Betriebsleitung, “wurde damals sofort von uns unterbunden. Es war dann wieder eine Leistungssteigerung zu verspüren.” Trotz des auch in diesem Fall positiven Urteils der Betriebsleitung versuchte diese also deutlich, Louis G. als eine potentiellen Unruhestifter darzustellen. Ins Fadenkreuz der Ermittler war Lous G. durch eine Anzeige von einer in einem Göttinger Hotel lebenden französischen SD-Mitarbeiterin geraten, die einen französischen Kriegsgefangenen und dessen Freund, einen “Zivilfranzosen”, beschuldigt hatte, regelmäßig “Feindsender” zu hören, wobei sich der im Lager Sültebeck untergebrachte französische Kriegsgefangene Notizen von den Übertragungen mache, die dann seinen Kameraden im Lager übermittele. Obwohl von der Denunziantin ein falscher Vorname angegeben worden war, wurde Louis G. aufgrund der richtigen Adresse noch am 9. November 1944, dem Tag der Anzeige vernommen, behauptete erst der französische Kriegsgefangene habe die Sender eingestellt, gab dann aber bei einer neuerlichen Vernehmung am nächsten Tag alles zu und erklärte auch, dass er das Rundfunkgerät vor etwa zwei Jahren von einem französischen Zivilarbeiter gekauft habe. Lous G. wurde daraufhin in das Göttinger Gerichtsgefängnis gebracht, der französische Kriegsgefangene in das Polizeigefängnis. Nachdem das Göttinger Gerichtsgefängnis nach einem Bombenangriff im Dezember 1944 nicht mehr nutzbar war, wurde Lous G. in das Zuchthaus Hameln verlegt. Dort wurde er durch den Gefängnisarzt auf seinen Geisteszustand untersucht, nachdem in den Akten schon nach seiner zweiten Vernehmung am 10. November 1944 vermerkt worden war: “G. macht einen äußerst beschränkten Eindruck, hatte Autounfall, Gedächtnisschwäche.” Nach dem am 27. Januar 1945 ergangenen Urteil kam Louis G. ins Gerichtsgefängnis nach Hildesheim, wo er am 6. April 1945 entlassen wurde. Doch brachte diese Entlassung für ihn trotz des Kriegsendes nicht die Freiheit, sondern nur eine Einweisung in die Göttinger Landespflege- und Heilanstalt am Rosdorfer Weg eingeliefert zu werden, wo er am 26. April 1945 im Alter von erst 38 Jahren verstarb. Als offizielle Todesursache ist in der Sterbeurkunde “Devianter Verwirrtheitszustand, Entkräftung und Bronchopneumonie” angegeben. Mit “Devianz” bezeichnet man ein von der Norm abweichendes Verhalten, was dafür spricht, dass nicht so sehr die Folgen eines früheren Autounfalls, sondern sein widersätzliches Verhalten, Louis G. zum Verhängnis wurde, worauf ja auch schon die Betriebsleitung von Joseph Schneider & Co hingewiesen hatte. Der Hinweis auf eine Lungenentzündung als zusätzliche Todesursache, die sich in vielen Sterbeurkunden von Zwangsarbeitern findet, stellte dabei wahrscheinlich nur eine medizinische Absicherung dar. “Entkräftung” – eine der häufigsten Todesursachen bei Zwangsarbeitern – wurde dagegen in den seltensten Fällen offiziell in die Sterbeurkunde eingetragen. Insofern rechtfertigt diese dreifache Absicherung der Todesursache in jeder Hinsicht den Verdacht eines wodurch auch immer verursachten gewaltsamen Todes des Louis G.
Quellen und Literatur:
Cordula Tollmien, Zwangsarbeiter in Ämtern, Dienststellen und Betrieben der Göttinger Stadtverwaltung während des Zweiten Weltkriegs (Fassung ohne Namensnennungen), Göttingen Dezember 2000 (Manuskript im Stadtarchiv Göttingen), S. 37 f.
Aufenthaltsanzeigen Louis G., geb. 1907 (Foto), Stadtarchiv Göttingen Pol. Dir. Fach 175 Nr. 15 (alphabetisch).
Sterbeurkunde Louis G. 26.4.1945, ebenda, Sterbebücher 1945.
Rundfunkverbrechen Geert. E. und Louis G., Niedersächsisches Haupt- und Staatsarchiv Hannover Hann 171 a Hannover Acc. 107/83 Nr. 895 und Nr. 1140.[/quote]
Bitte nicht!
Das ist die richtige Entscheidung! [quote=Gast][quote=Gast]
Dafür bei der Aufzählung der aktuellen Produktionsstandorte mal eben China / Shenzen unter den Tisch fallen lassen.. [/quote]
http://www.photoscala.de/Artikel/Schneider-Kreuznach-in-Shenzhen
Das ausgeprägte Halbwissen einiger hier Postender wurde schon erwähnt, da erspar ich mir die Kommentare.[/quote]
Meines Wissens nach, ist die
Meines Wissens nach, ist die Aussage “Produktionsstandort China / Shenzhen” falsch. “Schneider Optical Technologies” ist lediglich ein Vertriebsstandort. Schneider Kreuznach Preise und “Made in China” passen nicht zusammen.
Absolut köstlich: Optische
Absolut köstlich: Optische Anstalt. Die Teutonen und ihre Anstalten…
Interessant wäre noch ein Exkurs über die ‘Schneideritis’. Da blätterte das Coating von den Gläsern ab. Das sollte doch der Redaktion mal eine intensive Recherche wert sein!
Teutonen usw.
Ihr Kommentar ist einfach nur dämlich!
Respekt….
Gratulation, Schneider!
Intensive Recherche?
[quote=Gast]… ein Exkurs über die ‘Schneideritis’. Da blätterte das Coating von den Gläsern ab.[/quote]
Dieses ist unrichtig.
Richtig ist viel mehr, dass sich bei der sogenannten “Schneideritis” weisse Flecken an den Rändern der Linsen zeigen, dort wo diese in die Fassung eingekittet sind. Weder die optisch relevanten Flächen, noch deren Coating ist davon betroffen. Beobachten kann man diesen Effekt vorwiegend bei Linsen aus den 80er und 90er Jahren. Ich besitze mehrere betroffene Großformatobjektive dieser Art. Eine Auswirkung auf die Bildergebnisse kann ich nicht feststellen und ich habe auch nie gehört, dass jemand anders diesen Effekt als für die Bildqualität maßgeblich eingestuft hätte. Obwohl es natürlich ohne Wenn und Aber als Herstellungsproblem einzustufen ist und bei anderen Herstellern in diesem Segment nicht auftritt. Das mag aber auch zum Teil daran liegen, dass Großformatobjektive auf Grund ihres einfachen Aufbaus und auf Grund des Fehlens jeglicher störanfälliger Mechanik und Elektronik (den Verschluss kann man jederzeit tauschen) nur durch Einsatz extremer Gewalt zerstörbar sind. Deshalb besteht auch keine Veranlassung, sie alle drei bis 5 Jahre durch die nächste Generation zu ersetzen. Großformatobjektive sind schon gerne mal ein bisschen länger im Umlauf.
Also das nächste Mal nicht googeln und fehlinterpretiertes Achtelwissen durch Falschinformation noch weiter verdünnen, sondern auf das gute alte Analoge[tm] Vollwissen aus der Zeit vor dem Internet vertrauen. Rindfleisch kauft man schließlich auch nicht übers Internet, sondern nur beim Gestüt des Vertrauens.
Nein?
In der Fotoindustrie wurden Zwangsarbeiter verpflichtet? Da auch? Wer wäre da nich von selbst drauf gekommen?
Ich sehe hier leider nur einen anonymen Schreiber, der unbelegte und damit streng genommen haltlose Aussagen in den Raum wirft. Ein paar Quellen würden mich durchaus interessieren, auch um das Thema zu vertiefen! Dass die Zeit von 33-45 nur angeschnitten wurde, stieß auch mir mehr als unangenehm auf! All zu eingehend ist der ganze Text ja aber sowieso nicht.
Aber zurück zur Ursprungsfrage:
Weiß jemand von Euch, was aus dem 38er und dem 47er geworden ist? Ersteres fand ich durchaus interessant und wäre sehr interessiert, mehr zu erfahren.
Beste Grüße
Grüßender
Eine “Kino-Xenon”-Objektivkonstruktion mit Lichtstärke f/1,5…
… wurde bereits 1932 von Albrecht Wilhelm Tronnier entworfen, von der sich alle ähnlich aufgebauten lichtstarken Normalobjektive mit f/1,4 ableiten.
http://taunusreiter.de/Cameras/Biotar_en.html (Absatz IIf)
Das Üben wir noch einmal
Das Foto von dem historischen Büroraum ist auch fachgerecht “entzerrt!”
Es wäre zu teuer gewesen,
Es wäre zu teuer gewesen, einen echten Grossformat-Fotografen zu beauftragen, der das mit einem Stück Film und einem Rodenstock oder Schneider-Weitwinkel-Objektiv auf Anhieb schafft, ohne später entzerren zu müssen.
Es gibt eben Menschen, die können Objektive bauen, aber nicht nutzen. Dann gibt es Menschen, die können Objektive nutzen, aber nicht bauen. Wenn man nun denkt, es wäre sinnvoll, wenn derjenige, der Objektive baut, aber nicht nutzen kann, denjenigen, der Objektive nutzen, aber nicht bauen kann, damit beauftragt, ein sehr gutes Foto mit einem Objektiv desjenigen zu machen, der Objektive baut, dann ist das in Teutonia zu kurz gesprungen. Viel zu kurz. Da regiert der blanke, geile Geiz im Management.
Ich mache den ‘Optischen Anstalten’ gern ein Angebot. Sie schenken mir ein 5,6/38mm Schneider Kreuznach Super-Angulon XL Grossformat-Objektiv, und ich mache ein traumhaftes Foto damit. Wenn Interesse besteht, bitte kurz melden.
Das lernen wir nochmal
Was für eine Entzerrung hätten Sie denn gern?
Wünschen Sie eine gnonomische Projektion? Eine stereografische? Soll der Kollege winkeltreu entzerren? Winkellinear? Flächentreu?
Super Angulon?
Na dann herzlichen Glückwunsch Schneider!
Das erklärt natürlich den neuen Internetauftritt! Jeder Link funktioniert dort ja noch nicht, ebenso scheinen manche Objektive zu fehlen. Oder hat Schneider heimlich das hier noch stolz gezeigte 38er und das 47er Super Angulon aus dem Programm genommen?
Grüße
Grüßender
Geschichtsklitterung
Die übliche Geschichtsklitterung: Wegen der Nähe Kreuznachs zum “Erzfeind” Frankreich wurde das Rüstungs-Zweigwerk in Göttingen gebaut (produzierte vor allem Aero-Xenare für die Luftwaffe). Zuerst Schneider-Göttingen, später Jos.Schneider&Co = ISCO. Auch das neue Werk in der Kreuznacher Ringstraße wäre ohne die Rüstungsaufträge weder nötig noch möglich gewesen. Kein Wort zum Stacheldraht-bewehrten Zwangsarbeiterlager auf dem Göttinger Werksgelände, den nochmals schlimmeren Zuständen im Lager Eiswiesen. Stattdessen: das Unternehmen “war gezwungen”, “hatte zu berücksichtigen” und der Chef wahrte bürgerliche Tugenden(???).
Dagegen sind die faktischen Fehler eher harmlos. 70er Jahre(!): “…die weit verbreiteten Super-8-Kameras, die es erstmals für den Privatbereich ermöglichten, bewegte Bilder festzuhalten” Dafür waren schon die 16mm-Kameras der 30er, 40er und später die Doppel-8-Kameras gedacht.
“Seit 1975 ist die digitale Berechnung von Objektiven ein wesentliches Werkzeug bei der Entwicklung.” “Erster Einsatz von Computern (Zuse Z 22) zur Berechnung der Objektive (1956)” Ja was denn nun? Natürlich sollte der Z22 nicht der Lohnbuchhaltung unter die Arme greifen, nachdem Leitz schon ab 1953 (als weiltweit erste!) und Zeiss Oberkochen ab 1955 Zuse-Rechner zur Berechnung von Optiken einsetzte.
Kein Wort dabvon, dass Schneider die Fertigung der TV-Variogone, mit denen sie in den 60er und noch in den 70ern Weltmarktführer waren, Anfang der 90er komplett einstellte, nachdem man zuvor schon den mobilen Service eingestellt hatte, der einer der wesentlichen Wettbewerbsvorteile für die Sendeanstalten war. Aber mit dem Aus der ehmals Fernseh GmbH und ihrer Nachfolger gab es nur noch eine japanische TV-Kamera-Entwicklung und-Fertigung. Schneider bekam die Schnittstellen-Informationen nur mit großer Verzögerung. Das Erstausrüstergeschäft wurde folgerichtig von Fuji und Canon übernommen.
Zu den 90er Jahren nichts als Plattitüden und Banalitäten. Und als Krönung dann ein Fischaugen-Bildchen eines altväterlichen Büros, dass bei aller historischen Genauigkeit ja nun wahrlich nicht besonders vorzeigbar ist.
Dafür bei der Aufzählung der aktuellen Produktionsstandorte mal eben China / Shenzen unter den Tisch fallen lassen und auch sonst klein Wort zum Label-Verkauf z.B. an Samsung. Auch die Augenoptik (Apollo) bleibt nahezu unerwähnt, obwohl sie inzwischen ein wichtiger Umsatzbereich ist.