Foto Walker Evans, Interior View of Robert Frank’s House, Nova Scotia, 1969-71Walker Evans ist mit seinen Fotos, die während der „Great Depression“ in Amerika entstanden sind, berühmt geworden. Die Kölner Ausstellung „Decade by Decade“ zeigt auch diese berühmten Fotos, richtet jedoch ein besonderes Augenmerk auf seine unbekannteren Arbeiten:

 
 
 
 
 

Foto Walker Evans, Man Posing for Picture in Front of Wooden House, 1936

Walker Evans, Man Posing for Picture in Front of Wooden House, 1936
© Walker Evans Archive, The Metropolitan Museum of Art

 
Pressemitteilung von Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur:

Walker Evans. Decade by Decade

Mit dieser Ausstellung nimmt die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur die besondere Gelegenheit wahr, erstmalig in Deutschland eine solch umfangreiche Retrospektive mit Photographien von Walker Evans zu präsentieren. Das über fünfzig Jahre entstandene Werk des Photographen wird mit weit über 200 Originalabzügen aus den Jahren 1928 bis 1974 vorgestellt, die aus der bedeutenden Privatsammlung von Clark und Joan Worswick stammen, begleitet von einigen Werkgruppen deutscher Sammlungsprovenienz. James Crump, Chief Curator am Cincinnati Art Museum, hat aus der Sammlung Worswick eine qualitätvolle und spannende Auswahl getroffen. Alle Schaffensphasen von Evans werden beleuchtet, die Kontinuität seines Arbeitsansatzes verdeutlicht und ein neu reflektierter Rezeptionsweg beschritten. Crumps Forschungsergebnisse sind in einem begleitenden Katalogbuch dokumentiert, der einen fundierten Text zum Gesamtwerk enthält. Die historisch bedeutende Retrospektive 1971 im Museum of Modern Art in New York, kuratiert von John Szarkowski, hat die Werkrezeption von Walker Evans für lange Zeit bestimmt. In der Zwischenzeit sind durch weitere Recherchen zu Teilbereichen seines Schaffens Aspekte zu Tage getreten, die zu einer vertiefenden Betrachtung des Gesamtwerkes führen.

Walker Evans (1903—1975) gehört zu den großen Persönlichkeiten der Photographiegeschichte des 20. Jahrhunderts. Sein Schaffen ist maßgeblich für eine Photographieausrichtung, die als „dokumentarischer Stil“ bezeichnet wird. Er selbst verwandte im Kontext seiner Tätigkeit die Bezeichnung „lyrische Dokumentation“, worin sich nicht zuletzt sein großes Faible für die Literatur spiegelt, steuerte er zunächst eine Karriere als Schriftsteller an. Ungefähr ab 1928 aber wandelte sich sein Berufsplan und die Photographie erhielt Vorrang.

Über Jahrzehnte hinweg bis in die Gegenwart gewann das umfangreiche photographische Werk von Walker Evans zunehmend Vorbildcharakter. In den fünf Dekaden seines Schaffens hat der Photograph mit nüchtern registrierenden Aufnahmen ein einzigartig authentisches Bild Amerikas aufgezeichnet und wie kein anderer vor ihm mit besonderem Empfinden für das Alltägliche und Subtile — das American Vernacular —, identitätsstiftende und geschichtsträchtige Momente ins Bewusstsein gebracht.
 

Foto Walker Evans, Interior View of Robert Frank’s House, Nova Scotia, 1969-71

Walker Evans, Interior View of Robert Frank’s House, Nova Scotia, 1969-71
© Walker Evans Archive, The Metropolitan Museum of Art

 
 
Foto Walker Evans, Robert Frank, Nova Scotia, 1969-71

Walker Evans, Robert Frank, Nova Scotia, 1969-71
© Walker Evans Archive, The Metropolitan Museum of Art

 
Kommen in der aktuellen Bildauswahl von Evans geschaffene Ikonen der Photographie- geschichte vor, so geschieht dies ohne Pathos und sie stehen im selbstverständlichen Fluss seiner Arbeiten. Persönliches wie Professionelles im produktiven Wechsel zueinander, der Betrachter folgt Evans’ Biographie ebenso wie dem sich wandelnden Zeitbild Amerikas, von der großen Wirtschaftskrise bis hin zu sich stabilisierenden Zeiten und geschäftigem Alltagsgeschehen: Frühe Eindrücke der 1920er-Jahre aus seiner Wohngegend in New York, Bildnisse seiner Freunde und Mitstreiter, die Rückschlüsse auf sein verzweigtes kulturelles Umfeld zulassen, Architekturen des 19. Jahrhunderts, die sich der gewachsenen Lebenskultur zuwenden, Bildreihen aus Tahiti und Kuba, afrikanische Skulpturen und Masken, entstanden im Auftrag des New Yorker Museum of Modern Art, zahlreiche Photographien, aufgenommen in den 1930ern im ländlichen Süden der USA, die im Kontrast zum Lebensstil der Großstädter und Passanten etwa New Yorks stehen. Neben Straßenansichten, amerikanische Denkmale, Schaufensterauslagen fern des Big Business’, kommen Beispiele seiner wichtigen Subway- Photographien vor, aufgenommen mit verdeckter Kamera. Des Weiteren erzählen Interieurs mit ihren bescheidenen Arrangements über das Leben ihrer Bewohner, Bilder, die unwillkürlich an Evans’ Bemerkung „I do like to suggest people by absence“ erinnern. Aus Evans Vorliebe für Typographie, Werbung und Massenprodukte erwachsen magische-fesselnde Aufnahmen, die als eine Vorschau auf die sich bald entwickelnde Pop Art und ihre Assemblagen gesehen werden können.

Decade by Decade richtet ein besonderes Augenmerk auf noch unbekanntere Motive des Photographen, auch auf jene, die in den 1940er-, 1950er- und 1960er-Jahren entstanden. Sie bindet Arbeiten für die Zeitschrift Fortune ab 1945 ein oder solche, die auf Reisen nach London im Auftrag für die Zeitschrift Architectural Forum oder auf Aufenthalte im Haus von Robert Frank in Nova Scotia Ende der 1960er-Jahre zurückgehen. Das letzte photographische Kapitel, das er überlieferte, sind farbige Polaroids verdichteter Teilansichten, seien es Fahrbahnmarkierungen oder Hausbeschilderungen, konkret wie abstrakt und revolutionär zugleich. Sie sind richtungsweisend für eine Art von Farbphotographie, wie sie Evans bereits während seiner Tätigkeit für Fortune angewandt hatte und die er damals zeitweilig kritisch sah. Die Ausstellung zeigt hierzu Beispiele seit den 1940er-Jahren in einer Vitrinenpräsentation. Die neue Form des Umgangs mit Farbe findet Fortsetzung in vielen Werken der nachfolgenden Generation, für sie wirken Walker Evans’ Photographien wie ein Befreiungsschlag. Bis in die Gegenwart erfährt die künstlerische Photographie von seinem Blick auf die Zivilisation und ihren Spuren allseitig Anregung und findet fortwährend neue plausible Transfers.

Die Ausstellung wird vom 27. Februar bis 26. Mai 2013 in der Landesgalerie Linz am Oberösterreichischen Landesmuseum zu sehen sein und vom 22. Juni bis 15. September 2013 im Huis Marseille in Amsterdam.

Zur Ausstellung erschien im Hatje Cantz Verlag der neu aufgelegte Katalog Walker Evans: Decade by Decade, mit Texten in deutscher Übersetzung (Preis: € 49,80).
 

Foto Walker Evans, Pabst Blue Ribbon Sign, Chicago, Illinois, 1946

Walker Evans, Pabst Blue Ribbon Sign, Chicago, Illinois, 1946
© Walker Evans Archive, The Metropolitan Museum of Art

 
Walker Evans. Decade by Decade
Eine Ausstellung des Cincinnati Art Museum kuratiert von James Crump, Chief Curator / Curator of Photography am Cincinnati Art Museum, in Kooperation mit der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur
21. September 2012 bis 20. Januar 2013

Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur
Im Mediapark 7
50670 Köln

Geöffnet tägl. außer Mi., 14 -19h
Eintritt: 4,50 € (ermäßigt 2 €), Mo. freier Eintritt
Am 24., 25., 26. und 31. Dezember sowie am 1. Januar 2013 geschlossen.
 

(thoMas)