Adobes Photoshop CS6 steht vor der Tür – und seit heute gibt es eine öffentliche Beta-Version zum Ausprobieren. Wir haben dem Bildbearbeitungsboliden bereits auf den Zahn gefühlt. Dabei stand vor allem die Frage im Vordergrund: Was bietet Photoshop CS6 Neues für Fotografen?

Alle zwei Jahren im Frühjahr ist es soweit: Adobe bringt ein Major-Update für seine Creative Suite und damit auch für Photoshop. Die kommende Version trägt die Nummer CS6. Seit heute steht Photoshop CS6 unter labs.adobe.com für Jedermann zum Download bereit.

Adobe hat den neuen Fotoladen bis unters Dach mit neuen Funktionen vollgepackt. Wir haben bereits einen kurzen Blick auf die wichtigsten Neuerungen für Fotografen geworfen.

Gleich beim Start springt einem geradewegs ins Auge: Photoshop CS6 ist in Anthrazit gewandet und nicht mehr in Lichtgrau. Wer sich mit der neuen Farbgebung nicht anfreunden mag, kann die Programmoberfläche von Photoshop CS6 aber auch im gewohnten Grau darstellen. Neu gestaltet hat Adobe zudem die meisten Symbole. Sie sind kleiner geworden; Symbolleisten, Paletten etc. konnten so abspecken, es bleibt mehr Raum für das Eigentliche: das Bild, das es zu bearbeiten gilt. Ganz konsequent war Adobe übrigens beim Re-Design nicht – die allermeisten Dialogfelder zeigen sich weiterhin im Einheitsgrau des jeweiligen Betriebssystems. Unten im Programmfenster lässt sich nun via Mini-Bridge schnell aufs Bildarchiv zugreifen, alternativ wechselt man hier zur Timeline, um Videos zu bearbeiten. Die Bearbeitungsmöglichkeiten für Videographen hat Adobe deutlich erweitert.
 

Screenshot Martin Vieten

Photoshop CS6 ist standardmäßig in zurückhaltendes Anthrazit gekleidet. Alternativ lässt sich die Programmoberfläche jedoch weiterhin im gewohnten Grau darstellen.

 
Adobe Camera Raw (ACR), der RAW-Konverter von Photoshop, übernimmt im Wesentlichen die Neuerungen, die bereits mit Lightroom 4 eingeführt wurden. Hier hat Adobe insbesondere die „Grundeinstellungen“ aufgeräumt: Alle Regler stehen standardmäßig auf „0“ die Belichtungsautomatik korrigiert vor allem die „Belichtung“, die übrigen Regler werden so weit als möglich nicht verstellt. Das macht es deutlich einfacher, die Korrekturwerte der Automatik nachzuvollziehen und sie gegebenenfalls an die eigenen Vorstellungen anzupassen. Einher damit geht ein verbessertes Demosaicing, ACR 7.0 rendert RAW-Dateien brillanter als frühere Versionen. In den lokalen Korrekturen lassen sich nun auch Rauschunterdrückung und Moiré-Reduzierung über kritische Bildpartien pinseln.
 

Screenshot Martin Vieten

Camera RAW 7.0 übernimmt alle neuen Funktionen, die Adobe bereits mit dem Entwickeln-Modul von Lightroom 4 eingeführt hat.

 
Mit der „Blur Gallery“ spendiert Photoshop CS6 dem Fotografen gleich drei neue Filter, die fotografische Unschärfe authentisch oder auch kreativ simulieren. Im einfachsten Fall zeichnet „Field Blur“ das gesamte Bild weich, beziehungsweise Bildbereiche innerhalb einer Auswahl. Im Modus „Iris Blur“ lassen sich ein oder auch mehrere Fokusspots aufs Bild legen, der Filter wirkt dann nur außerhalb dieser Bereiche. Und schließlich fehlt auch der derzeit sehr angesagte „Tilt-/Shift“-Modus nicht, er legt Unschärfeverläufe über das Bild. Besonders eindrucksvoll ist indes, wie weitgehend sich das Erscheinungsbild der Unschärfe innerhalb der Blur Gallery steuern lässt, etwa von Spitzlichtern.

Adobe hat mit dem neuen Filter übrigens auch gleich noch ein neues Interface eingeführt: Die Blur Gallery übernimmt die Farbgebung der Programmoberfläche, alle wichtigen Parameter lassen sich direkt am Bild via Maus oder Grafiktablett über den neuen Steuerkreis einstellen. Schade, dass außerdem nur die komplett überarbeiteten „Beleuchtungseffekte“ dieses pfiffige Bedienkonzept spendiert bekommen haben. Die meisten anderen Filterdialoge hat Adobe belassen wie eh und je, dabei hätte zum Beispiel dem Filter „Radialer Weichzeichner“ ein renoviertes Interface ebenfalls sehr gut getan.
 

Screenshot Martin Vieten

Mit der Blur Gallery lässt sich schnell authentische oder kreative Unschärfe übers Bild legen. Im Bedienfeld „Blur Effects“ kann dabei das Erscheinungsbild des künstlichen „Bokehs“ sehr fein gesteuert werden.

 
Die Blur Gallery ist quasi das kreative Pendant zum Filter „Tiefenschärfe abmildern“, er bleibt in Photoshop CS6 übrigens weiterhin an Bord. Ganz ähnlich verhält es sich mit den neuen Filter „Adaptive Wide Angel“, der die „Objektivkorrektur“ ergänzt. Er korrigiert Verzeichnungen und Verzerrungen von Weitwinkel- und Fishey-Aufnahmen sowie bei Panoramafotos. Alles, was der Filter wissen muss, ist der Bildwinkel des verwendeten Objektivs. Falls er die Daten nicht aus dem EXIF-Bereich der Bilddatei ermitteln kann, lassen sie sich manuell vorgeben. Dann noch eine Korrekturlinie entlang einer Kante im Bild gezogen, die in Natura gerade war, und schon ist das Bild entzerrt. Das funktioniert deutlich einfacher als mit der „Objektivkorrektur“, insbesondere bei stark verzerrten Aufnahmen.
 

Screenshot Martin Vieten

Mit dem neuen Filter „Adaptive Wide Angel“ gestaltet sich die Korrektur von Weitwinkel- und Panoramafotos deutlich einfacher als mit der altbekannten Objektivkorrektur.

 
Photoshop CS6 will dem Fotografen auch mit kleinen Detailverbesserungen, wenn nicht gleich das Leben, so zumindest die Bildbearbeitung erleichtern. Dazu gehört eine neue Belichtungsautomatik für die Befehle „Helligkeit/Kontrast“, „Tonwertkorrektur“ und „Gradationskurven“. Diese Automatik passt Reglerstellungen beziehungsweise die Form der Gradationskurven an und eignet sich daher deutlich besser als die übrigen Automatiken als Ausgangspunkt für individuelle Einstellungen.

Ebenfalls neu: Die Farbbereich-Auswahl findet mit der Option „Hauttöne“ kombiniert mit einer Gesichtserkennung alle Bildbereiche zur Portraitretusche. Gründlich renoviert hat Adobe das „Freistellungs“-Werkzeug, mit dem das Bild auf einen gewünschten Ausschnitt und endgültige Maße zugeschnitten wird. Und das „Ausbessern“-Werkzeug arbeitet jetzt auch „inhaltssensitiv“ – selbst komplizierte Retuscheaufgaben lassen sich so meist mit wenigen Handgriffen erledigen: Einfach die störende Bildpartie auswählen, die Auswahl auf eine passende Stelle im Bild ziehen und schon legt Photoshop CS6 diese als Flicken über die Störstelle. Dabei verschmelzen die Ränder des Flickens derart überzeugend mit dem Untergrund, dass die Reparatur in den wenigsten Fällen erkennbar ist. Alternativ kann die Funktion auch eingesetzt werden, um den ausgewählten Bildbereich an eine andere Stelle im Bild zu transferieren.
 

Screenshot Martin Vieten
 
Screenshot Martin Vieten
 
Screenshot Martin Vieten

Das „Ausbessern-Werkzeug“ erleichtert Retusche- und Montage-Arbeiten: Hier wurde der Spaziergänger an den rechten Bildrand versetzt.

 
Unterm Strich bleibt: Adobe hat mit Version CS6 den Funktionsumfang von Photoshop beträchtlich erweitert – nicht nur für Fotografen. Sieht man einmal von den Neuerungen in Camera Raw ab, zielen die Verbesserungen im Hauptprogramm vor allem auf eines ab: Arbeitserleichterung. Ob die Korrektur von Verzerrungen, Tiefenunschärfe oder Helligkeits- und Kontrastkorrektur – dies alles lässt sich mit Photoshop CS6 spürbar einfacher erledigen als mit früheren Versionen. Das gilt auch für gängige Retuschearbeiten.

Doch gerade durch die neu gestaltete Oberfläche wirkt Photoshop CS6 mehr denn je zusammengestückelt. Viele Filterdialoge bieten weiterhin keine oder eine viel zu kleine Vorschau, neu eingekleidet wurden die allermeisten Dialoge nicht.

Wann und zu welchem Preis die endgültige Version von Photoshop CS6 erscheinen wird, steht noch nicht fest. Wahrscheinlich jedoch noch in der ersten Jahreshälfte. Bis dahin bietet die heute freigegebene öffentliche Beta-Version (siehe labs.adobe.com) die Möglichkeit, Photoshop CS6 ausgiebig zu testen.

(Martin Vieten)