Foto: Martin VietenEine NEX-5N von Sony, dazu M-Objektive von Leica und Voigtländer – das ist nicht nur eine Art Zeitreise, zurück in jene Tage, als Blende und Entfernung noch per Hand am Objektiv eingestellt werden mussten, sondern das beschert auch die faszinierende, durchaus sinnliche, Handhabung präziser Mechanik, und nicht zuletzt: feine fotografische Möglichkeiten

Eigentlich ein eingefleischter SLR-Fotograf, habe ich mir vor kurzem ein Wochenende Zeit genommen, um mich eingehend mit M-Objektiven an einer NEX-5N zu beschäftigen.
 

Foto: Martin Vieten

 
Spiegellose Systemkameras sind eine faszinierende Alternative zu herkömmlichen DSLRs. Obgleich deutlich kleiner und kompakter, stehen sie den Ungetümen mit Schwingspiegel und Pentaprisma-Dach in der Bildqualität kaum oder gar nicht nach. Das gilt insbesondere für das NEX-System von Sony, das auf Sensoren in APS-C-Größe setzt. Hier sticht wiederum die jüngste NEX-5N hervor, sie macht derzeit mit einem vielgelobten 16-Megapixel-Sensor auf sich aufmerksam. Für ambitionierte oder gar anspruchsvolle Fotografen stellt sich indes ein Problem: Das Angebot an Objektiven für das E-Bajonett von Sony ist (noch) äußerst überschaubar. Und die Objektive, die es schon gibt, schöpfen das Potential des Sensors bei Weitem nicht aus – um es einmal vorsichtig zu formulieren. Zudem sind die E-Bajonett-Objektive recht voluminös, in die Manteltasche passt eine NEX-5N nur mit dem sehr flachen Pancake 2,8/16 mm.

Foto vom VM-E-mount Adapter von Cosina / Voigtländer

Dabei gibt es seit Jahrzehnten sehr handliche und überdies optisch hervorragende Objektive für das Leica-M-Bajonett. Leica selbst stellt sie her, aber auch Carl Zeiss und Voigtländer offerieren ein reichhaltiges Angebot an M-Bajonett-Objektiven. Mit einem entsprechenden Kupplungsring lassen sie sich problemlos an eine NEX adaptieren, deren geringes Auflagemaß von nur 18 Millimetern rund zehn Millimeter geringer ist als das der Leica M (27,8 Millimeter). Es bleibt also ein Zentimeter Spielraum für einen Bajonett-Adapter, ohne dass ein derart adaptiertes Objektiv seine Fähigkeit zur Unendlichfokussierung verliert. Einige Hersteller bieten inzwischen geeignete Adapter an, etwa Novoflex oder Voigtländer (siehe auch: Objektivadapter für Sonys NEX-Kameras).

Kürzlich hatte ich nun Gelegenheit, diese theoretischen Überlegungen auf ihre Praxistauglichkeit hin zu überprüfen. Zusammen mit ein paar Kollegen und einer NEX-5N nebst einiger M-Bajonett-Objektive von Leica und Voigtländer ging’s ins Zillertal. Als weitere Versuchsträger waren eine Olympus E-P2 sowie die digitale Messsucherkamera Epson R-D1 mit im Gepäck. Für mich war dieser kleine Ausflug gleichzeitig auch eine Zeitreise. Es ging zurück in eine Zeit, als Blende und Entfernung noch von Hand am Objektiv eingestellt wurden. Doch der Reihe nach:

Foto: Martin Vieten

M-Bajonett-Objektive sind für Messsucherkameras konstruiert, einen Autofokus gibt es hier nicht. Dennoch harmonieren sie wunderbar mit der Sony NEX-5N, zum Beispiel das Leica Elmarit-M 1:2,8/24. Dessen griffiger Fokusring dreht sich derart sahnig, verschiebt die Linsengruppen im Inneren des Objektivs derart weich und doch exakt, dass allein schon seine Betätigung zum Genuss wird. Aber auch seine Funktion erfüllt er bestens – das Scharfstellen. Dabei hilft zunächst einmal eine gut lesbare Entfernungsskala auf dem Einstellring, die Fokusebene grob einzustellen. Erst zur Feinjustage wird dann ein Blick durch den Sucher nötig, oder – wie bei der NEX-5N – aufs Display. Aber nicht nur das Objektiv, auch die Kamera macht es leicht, die Schärfeebene manuell perfekt einzustellen. Auf Knopfdruck vergrößert sie den Sucherausschnitt 7- oder 12-fach. Der vergrößerte Ausschnitt kann ohne Einschränkungen über das Display verschoben werden, sodass sich auch Motive außerhalb des Bildzentrums mit der elektronischen Sucherlupe erfassen lassen. Bei mir ist es nun zwei Jahrzehnte her, dass ich mit dem Schnittbildentfernungsmesser an einer SLR-Kamera manuell scharf gestellt habe – doch so komfortabel war das seinerzeit nicht.

Die Sony NEX-5N hält neben der elektronischen Sucherlupe noch eine weitere, clevere Fokussierhilfe bereit: Die Kantenanhebungs- oder „Peaking“-Funktion. Ist sie eingeschaltet, werden Kontrastkanten innerhalb der Schärfeebene im Sucherbild farbig hervorgehoben. Die drei Farben Gelb, Rot und Weiß stehen für die Markierung zur Wahl, zudem drei verschiedene Stärken. Ich hatte diese Funktion immer eingeschaltet, die Sucherlupe brauchte ich hingegen nur selten. Die Kantenmarkierung hilft nicht nur, die Schärfeebene richtig zu legen, auch der Schärfeverlauf lässt sich mit der Peaking-Funktion bequem beurteilen: Je weiter man abblendet, desto tiefer reichen die Markierungen vor und hinter das eigentliche Motiv. Nicht zu vergessen, dass manuell zu bedienende Objektive eine Schärfentiefeskala aufgeprägt haben, mit deren Hilfe sich die optimale Blende bereits grob abschätzen lässt.

Abblenden ist übrigens kein Problem, der elektronische Sucher regelt die Helligkeit automatisch nach. Das Sucherbild bleibt also stets gleich hell, ganz gleich, welche Blende am Objektiv eingestellt wird. Das ist nicht unbedeutend, gibt es doch mit den M-Objektiven an einer spiegellosen Systemkamera keine Offenblendmessung. Daraus folgt auch, dass die Kamera „nur“ als Zeitautomat betrieben werden kann – oder die Belichtungswerte manuell eingestellt werden. Da ich aber mit meiner DSLR ebenfalls zu mehr als 90 Prozent im Modus „A“ fotografiere, ist mir diese kleine Einschränkung kaum aufgefallen. Nur der Vollständigkeit halber daher der Hinweis: Motivautomatiken und alle weiteren Funktionen, die dem Fotografen das Mitdenken abnehmen möchten, funktionieren mit den manuellen M-Objektiven an der NEX-5N nicht – zumindest nicht richtig.

Foto: Martin Vieten

Eine kleine Komforteinbuße gibt es allerdings doch, wenn man die neue digitale NEX-5N mit altehrwürdigen M-Objektiven vermählt: In den EXIF-Daten der aufgezeichneten Fotos klaffen große Lücken. Vor allem die Angabe der Blendenzahl vermisse ich. Den Bildergebnissen tut das natürlich keinen Abbruch – und die können sich sehen lassen. Kein Wunder, sind doch die M-Objektive für das (Kleinbild-) Vollformat gerechnet, müssen aber an der NEX-5N nur einen nur rund halb so großen Sensor in APS-C-Größe ausleuchten. Vor allem die beiden Leica-Objektive in unserem Gepäck, das Elmarit-M 1:2,8/24 sowie das sehr kompakte Summicron-M 1:2/35, liefern an der Kamera eine Bildqualität, die sichtbar besser ist als mit den Sony-Objektiven. Farbverschiebungen an den Kanten (chromatische Aberrationen) sind ihnen völlig fremd, selbst im kritischen Nahbereich. Die Schärfe bleibt über das gesamte Bildfeld homogen, ebenso die Helligkeitsverteilung. Allerdings haben Objektive von Leica auch ihren Preis, er liegt für jedes einzelne ein Vielfaches über dem der NEX-5N.

Deutlich günstiger erhält man die von Cosina gefertigten Voigtländer-Objektive mit M-Bajonett. Im direkten Vergleich des Summicron-M 1:2/35 mit dem Voigtländer 1,2/35 Nokton macht letzteres nicht einmal eine schlechte Figur. Zwar schwächelt das Voigtländer etwas bei der Randschärfe, was aber nur beim intensiven Pixelpeeping wirklich auffällt. Auch leichte Vignettierungen können bei den günstigen Voigtländer-Objektiven bisweilen auffallen, lassen sich aber sehr leicht nachträglich korrigieren.

Problematischer wird es indes, wenn sehr kurze Brennweiten gefordert sind, etwa für Landschaftsaufnahmen. Da die NEX-5N die Brennweite eines Kleinbildobjektivs scheinbar um den Faktor 1,5 verlängert, muss das Objektiv eine Brennweite von 12 Millimetern haben, um an der NEX den Bildeindruck eines 18er Weitwinkels zu erhalten. Diese Forderung erfüllt zum Beispiel das Voigtländer 5,6/12 Ultra Wide Heliar. Bei Offenblende schafft es dieses Objektiv indes nicht, die Bildränder noch mit einer zufriedenstellenden Schärfe wiederzugeben, auch chromatische Aberrationen werden jetzt ein Thema. Abblenden auf f8 mildert das Problem ein wenig, ganz beheben lässt es sich dadurch jedoch nicht. Zu seiner Ehrenrettung sei aber angemerkt, dass es das Sony SEL 1855 bei kürzester Brennweite auch nicht besser kann.

Foto: Andreas Schmid

Bezogen auf die Objektive, die Sony derzeit für die NEX-5N liefern kann, heben praktisch alle M-Objektive die Kamera in eine neue Bildqualitäts-Sphäre. Das gilt nicht nur in technischer, sondern gerade auch in gestalterischer Hinsicht. Etwa, weil viele der M-Bajonett-Objektive eine sehr hohe Lichtstärke bieten – f2,0 oder noch besser. Ein Traum für jeden Available-Light-Fotografen ist zum Beispiel das Voigtländer 1,1/50 Nokton, das ich an den langen Hüttenabenden fast permanent an der Kamera hatte. Am APS-C-Sensor der NEX-5N avanciert es zum idealen Portraitobjektiv.

Anderseits können die M-Bajonett-Objektive nicht jeden Wunsch erfüllen. Zoomobjektive mit M-Bajonett gibt es nicht, auch keine klassischen Makroobjektive, ebenso fehlen lange Telebrennweiten im Angebot. Dafür wird die NEX-5N mit einem kleinen M-Objektiv zur leichten, unauffälligen Reportagekamera: etwa mit einem Voigtländer 4/21 Color Skopar Pancake II, das keine 140 Gramm wiegt und gerade einmal 2,5 Zentimeter lang ist.

Bei aller Begeisterung über die Kombination der NEX-5N mit Fremdobjektiven sollte nicht vergessen werden: Die zum System passenden Optiken wie Zooms oder ein Makro gibt es ja auch noch. Mit einem M-Bajonett-Adpater und den passenden Objektiven erweitert man das Einsatzspektrum der spiegellosen Systemkamera also – und lernt gleichzeitig, sich auf das Ursprüngliche der Fotografie zurückzubesinnen. Wer darauf Lust hat, sollte einmal den Dachboden seiner Eltern oder Großeltern nach längst vergessenen Objektiven absuchen – oder den bekannten Auktions- und Handelsplattformen im Internet einen Besuch abstatten. Ebenso haben größere Fotohändler oft ein reichliches Angebot an gebrauchten M-Bajonett-Objektiven parat.

Übrigens: Auch die anderen spiegellosen Systemkameras sind prinzipiell sehr gut für die Alt-Objektiv-Adaption geeignet.

Und ein letzter Tipp noch: Leica-R-Objektive lassen sich ebenfalls an eine NEX bzw. eine andere spiegellose Systemkamera adaptieren – nachdem Leica das R-System eingestellt hat, sind sie besonders günstig zu bekommen.

(Martin Vieten)
 

 
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