Logo JoboDas Gummersbacher Familienunternehmen Jobo – die „Jobo-Gruppe“ – ging vor rund einem Jahr pleite, hat sich aber umgehend als „Jobo International GmbH“ wieder auf den Markt begeben. „Jobo neu“ blickt zuversichtlich in die Zukunft und bedient –  und das ist nicht selbstverständlich – auch Garantieansprüche von „Jobo alt“:

Das mittelständische Unternehmen Jobo aus Gummersbach gerät mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Anfang letzten Jahres in die Schlagzeilen. Auch photoscala berichtet umfassend über das Familienunternehmen und seine wechselvolle Geschichte (siehe Quellenangaben unten). Seit April 2010 ist mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Neugründung Jobo International GmbH einiges passiert. Zeit für uns, die Vergangenheit chronologisch aufzuarbeiten, vorsichtig zu bewerten, und einen Ausblick für die Zukunft zu geben.

Die Produktpalette von Jobo seit der Unternehmensgründung 1923 und der für das Unternehmen schwierige Wandlungsprozess von analog zu digital wurden auf photoscala bereits treffend von Chistoph Jehle (CJ) beschrieben (Jobo: Gedeih und Verderb). An dieser Stelle sollen vor allem die wirtschaftlichen Faktoren im Vordergrund stehen. Dabei stützen wir uns auf öffentlich zugängliche Daten.

Das Familienunternehmen Jobo wird im Jahr 2002 zu einer Aktiengesellschaft „Jobo AG“ umgewandelt (HRB 48091 Amtsgericht Köln). Die Aktionäre finden sich in der Unternehmensgründerfamilie Bockemühl-Simon. Die Vorteile einer Aktiengesellschaft liegen vor allem in der leichteren Kapitalbeschaffung bei breiterer Eigenkapitalbasis und einer Verbesserung des Unternehmensansehens (Vorstandsvorsitzender der XY AG klingt ja auch gut), welches sich in der Regel auch günstig auf die Mitarbeiterrekrutierung auswirkt.

Bereits zu diesem Zeitpunkt hat sich bei Jobo die Mitarbeiterzahl von vormals 120 (im Jahr 1996) auf rund 41 Mitarbeiter im Jahr 2003 (danach im Jahr 2006 nur noch 25 Mitarbeiter) reduziert (Jobo setzt voll aufs digitale Bild). Das Unternehmen macht zu dieser Zeit etwa 8 Mio. € Umsatz im Jahr und hat sogar eine amerikanische Niederlassung mit 12 Mitarbeitern (Jobo Inc., Michigan, USA). Die Nachfolge im Unternehmen ist auch geregelt: Dipl. Kfm. Johannes Bockemühl-Simon steigt Ende 2001 in den elterlichen Betrieb ein, um die Marketing- und Vertriebsleitung zu übernehmen. Ende 2003 übernimmt der Junior den alleinigen Vorstandsposten, nachdem sein Onkel Manfred Höfken aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig ausschied.

Gemäß der veröffentlichten Jahresabschlüsse muss die Jobo AG bereits zum Jahresanfang 2004 ein Sanierungskonzept zwischen der Hausbank und den Aktionären vereinbaren. Die amerikanische Tochter Jobo Inc. in Michigan wird im Jahr 2005 aufgegeben. Die Jobo AG weist für die Jahre 2005 und 2006 jeweils mehr als 2,5 Mio. € als Fehlbetrag in der Bilanz aus, der nicht durch das Eigenkapital gedeckt werden kann. Eine Überschuldung* der AG im Sinne § 19 der Insolvenzordnung wird durch die Abwertung des Aktivvermögens, den Rangrücktritt der Gesellschafter für ihre Forderungen und die Anrechnung stiller Reserven abgewendet. (Unter dem Begriff „Überschuldung“ ist vereinfacht zu verstehen, dass das Vermögen die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt – siehe auch unsere Anmerkung unten.)

Allein an Rangrücktritt bei den Gesellschafterdarlehen wird im Jahresabschluss 2006 eine Summe von 3,4 Mio. € für die Jobo AG geltend gemacht. Die Bilanztechnik ermöglicht die Reduzierung des bilanziellen Fehlbetrages (laut Johannes Bockemühl-Simon wird die materielle Überschuldung* durch das Engagement der Gesellschafterfamilie und der Hausbanken abgewendet, mit frischem Gesellschafterkapital sollte die Sanierung gelingen). Im Jahresabschluss 2006 wird die generelle Überlebensfähigkeit der Jobo AG betont. Hauptgläubiger sind im Jahresabschluss 2007 neben den Gesellschaftern auch die Sparkasse Gummersbach und die Schwester von Johannes-Jürgen Bockemühl-Simon, Charlotte Höfken.

Die Jobo AG ist zudem Mutterunternehmen der Tochter Jobo Applied Technologies GmbH (HRB 59452 Amtsgericht Köln), die im Januar 2007 in Gummersbach gegründet wird und deren Geschäftsgegenstand die Herstellung von digitalen Minilabs und anderen phototechnischen Produkten ist. Neben der Jobo AG und dem Tochterunternehmen Jobo Applied Technologies GmbH mit dem Vorstandsvorsitzenden bzw. Geschäftsführer Johannes Bockemühl-Simon bestehen noch die Unternehmen Jobo Labortechnik GmbH & Co. KG (HRA 16751 Amtsgericht Köln) und Jobo Labor Beteiligungs mbH (HRB 38605 Amtsgericht Köln) unter der Geschäftsführung von Johannes-Jürgen Bockemühl-Simon (also der Senior von Johannes Bockemühl-Simon / CEO Jobo AG). Letzteres Unternehmen als Kommanditist der Jobo Labortechnik.

Die Jobo Labortechnik weist für die Jahre 2006 bis 2008 (andere Daten sind nicht verfügbar) einen nicht gedeckten Verlustanteil des Kommanditisten (also der Jobo Labor Beteiligungs mbH) von rund 1,4 Mio. € auf. Auch hier wird eine materielle Überschuldung abgewendet, indem die Gesellschafter einen Rangrücktritt bei den Gesellschafterdarlehen verfügen und indem stille Reserven in Form von Grundbesitz und Fortführungswerte (geschätzt auf 350 T€) eingerechnet werden.

Die Jobo-Firmengruppe und die Unternehmerfamilie Bockemühl-Simon kann, so wird es aus den Jahresabschlussberichten ersichtlich, die materielle Überschuldung* abwenden und eine positive Fortführungsprognose für die Unternehmen stellen. Allerdings ist dieses nur durch fortwährend eigenes, hohes finanzielles Engagement – und, so Johannes Bockemühl-Simon, durch eine hochmotivierte Belegschaft – möglich.

Laut Johannes Bockemühl-Simon werden in den Jahren 2006, 2007, 2008 und 2009 durchweg wieder schwarze Zahlen geschrieben; mit der digitalen Minilabsparte soll ein weiteres Standbein aufgebaut werden. Nach erfolgreicher Umstrukturierung (aber ohne Reserven) geht die Jobo AG Ende 2008 in die weltweite Finanzkrise. Die Refinanzierung von Geschäften mit langen Zahlungszielen wird 2009 zunehmend schwieriger und bleibt für 2010 ungelöst. Ende Januar 2010 meldet der britische Technologiepartner des Minilabprojekts („Digeprint Ltd.“) Insolvenz an. Alle bereits gefertigten, lagernden Maschinen müssen über Nacht abgewertet werden. Noch im Februar muss die gesamte Jobo-Gruppe Insolvenz anmelden.

So werden schlussendlich am 5./6. März 2010 vier Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Unternehmen Jobo AG, Jobo Applied Technologies GmbH, Jobo Labortechnik GmbH & Co. KG und Jobo Labor Beteiligungs mbH beim Amtsgericht Köln gestellt werden. Mutmaßlich können die Handelsgeschäfte in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Unternehmenslage beitragen. Die Insolvenz ist die Folge. Das Insolvenzverfahren kann bei der Jobo Labortechnik GmbH & Co. KG und ihrem Kommanditisten Jobo Labor Beteiligungs mbH nicht eröffnet werden und wird mangels Masse am 20. April 2010 abgewiesen. Die Gesellschaften werden aufgelöst. Als Liquidator wird Johannes-Jürgen Bockemühl-Simon bestellt.

Johannes Bockemühl-Simon gibt aber nicht auf: Unmittelbar nach Stellen der Insolvenzanträge bereitet er den Weg für einen Neuanfang. Die Jobo International GmbH wird am 16. April 2010 mit einem Eigenkapital von 25 T€ als Neugründung unter HRB 69080 beim Amtsgericht Köln eingetragen. Die Jobo International GmbH gibt als Geschäftsgegenstand den Handel mit Consumer Electronics (Unterhaltungselektronik) an. Damit ist der Weg geebnet, die Marke „Jobo“ zu erhalten.

Die Insolvenzverfahren für die Jobo AG und die Jobo Applied Technologies GmbH nahmen unterdessen ihren Fortgang. Die Forderungen der Gläubiger konnten bis zu den Stichtagen im Juni 2010 gestellt werden. Eine Gläubigerversammlung wurde jeweils für Juli 2010 angesetzt. Der Ausgang dieser Gläubigerversammlung sowie des gesamten Insolvenzverfahrens ist nicht öffentlich bekannt. Eine Antwort des Insolvenzverwalters auf diesbezügliche Nachfrage bestätigt „da Insolvenzverfahren nicht öffentlich sind, bitte ich um Verständnis, dass ich mich zu Ihren Anfragen nicht äußere.“

Neben der Neugründung der Jobo International GmbH wird Johannes Bockemühl-Simon auch als Geschäftsführer der Vanguard Deutschland GmbH (HRB 69719 Amtsgericht Köln, Neugründung 5.7.2010) aktiv. Vanguard hat den Vertrieb von Jobo-Produkten in Deutschland übernommen.

Heute beschäftigen die beiden Firmen nach Eigenangabe insgesamt 12 Mitarbeiter; die Jobo International GmbH konnte Johannes Bockemühl-Simons Angaben zufolge bereits im ersten Jahr eine zufriedenstellende Geschäftsentwicklung verzeichnen.

Besonders stolz zeigt sich Johannes Bockemühl-Simon angesichts der Tatsache „dass die neue Jobo bis heute keinen einzigen Garantiefall von Händlern oder Endkunden zurückweisen musste. Völlig ohne rechtliche Verpflichtung erfüllt Jobo somit höchste kaufmännische Ansprüche an die Marke Jobo zum Wohle der treuen Handelspartner und Endverbraucher.“

(agün)
 
 
Quellen:
Elektronischer Bundesanzeiger
Registerportal der Länder
Jobo: Gedeih und Verderb
Dreimal insolvent: Jobo
Jobo setzt voll aufs digitale Bild
AOK präsentiert Top-Unternehmen in Oberberg: JOBO AG

* Anmerkung:
Warum waren die Abwendung der materiellen Überschuldung bei der Jobo AG und der Jobo Labortechnik GmbH & Co. KG und eine positive Fortführungsprognose der Unternehmen so wichtig? – Die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung (bei juristischen Personen) ist ein Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren. Das Nichtstellen eines Insolvenzantrags innerhalb der gesetzlichen Fristen bei Vorliegen eines Eröffnungsgrunds ist strafbar (Stichwort: Insolvenzverschleppung). Im September 2009 wurde der Überschuldungsbegriff in der Insolvenzordnung bis zum 31.12.2013 vom Gesetzgeber überarbeitet. Es heißt nun im § 19 Absatz 2 der Insolvenzordnung „Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.“ Damit reicht die bilanzielle Überschuldung allein nicht mehr zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus.