Foto Bruce Nauman: Self-Portrait as a Fountain, aus dem Portfolio «Eleven Color Photographs», 1966- 67/70Die Ausstellung „FotoSkulptur“ im Kunsthaus Zürich widmet sich der Veränderung des Skulpturbegriffs durch die Fotografie und beleuchtet die ästhetischen und theoretischen Schnittpunkte dieser sehr unterschiedlichen Gattungen. Das scheinbar spröde Thema erweist sich als sehr spannend:

Medienmitteilung des Kunsthauses Zürich:

Kunsthaus Zürich zeigt «FotoSkulptur. Die Fotografie der Skulptur 1839 bis heute».

Vom 25. Februar bis 15. Mai 2011 zeigt das Kunsthaus Zürich die Ausstellung «FotoSkulptur». Versammelt sind über 300 Fotografien von der Frühzeit der Fotografie bis in die Gegenwart. Die Werke stammen von über 100 bedeutenden Fotografen und stilbildenden plastischen Künstlern. Sie zeigen, wie Fotografie den Skulpturbegriff beeinflusst und ihn auf kreative Weise neu definiert. Nach dem Museum of Modern Art, New York, ist das Kunsthaus Zürich die einzige weitere Station der Ausstellung.

Die Ausstellung «FotoSkulptur» ist die erste Überblicksschau, welche die Veränderung des Skulpturbegriffs durch die Fotografie ins Zentrum stellt. Sie bietet dem Besucher eine kritische Untersuchung der ästhetischen und theoretischen Schnittpunkte dieser zwei sehr unterschiedlichen Gattungen.

SKULPTUR IM ZEITALTER DER FOTOGRAFIE
Die Skulptur gehörte zu den ersten Sujets der Fotografie. Dank experimenteller Ausschnitte, selektiver Fokussierung, variabler Optik, extremer Nahaufnahme und einer gezielten Beleuchtung, dank der Techniken der Collage, der Montage und der Assemblage sowie mit Manipulationen in der Dunkelkammer haben Fotografen die Skulpturen, die sie festgehalten haben, nicht nur interpretiert – sie haben darüber hinaus auch verblüffende Neuschöpfungen hervorgebracht. Ein besonderes Augenmerk gilt der Frage, wie das eine Medium in die kreative Interpretation des anderen einbezogen wird und wie Fotografien unser Verständnis von Skulptur prägen und zugleich herausfordern. Die Ausstellung stellt die Frage, wie und warum die Skulptur zu einem Thema der Fotografie wurde und zeigt, wie die Fotografie den Bereich des Plastischen befruchtet und erweitert hat. Die von Roxana Marcoci, Kuratorin am Museum of Modern Art, New York, konzipierte und in Zürich von Tobia Bezzola betreute Ausstellung vertieft diese in 170 Jahren gewonnenen Erkenntnisse in zehn Kapiteln.

 

Foto Eugène Atget Saint-Cloud, 1922

Eugène Atget Saint-Cloud, 1922
Albuminpapierabzug, 17,6 x 21,7 cm
The Museum of Modern Art, New York. Abbott-Levy Collection, Teilschenkung Shirley C. Burden
 
 
Foto Sibylle Bergemann: Das Denkmal, East Berlin, 1986

Sibylle Bergemann: Das Denkmal, East Berlin, 1986
Silbergelatineabzug, 50 x 60 cm
Sibylle Bergmann/Ostkreuz Agentur der Fotografen, Berlin. © 2010 Sibylle Bergmann/Ostkreuz Agentur der Fotografen, Berlin
 
 
Foto Lee Friedlander: Mount Rushmore, South Dakota, 1969

Lee Friedlander: Mount Rushmore, South Dakota, 1969
Silbergelatineabzug, 20,5 x 30,8 cm
The Museum of Modern Art, New York. Geschenk des Fotografen. © 2010 Lee Friedlander

 
«Skulptur im Zeitalter der Fotografie». Dieser erste Abschnitt umfasst frühe Fotografien von Skulpturen in französischen Kathedralen von Charles Nègre und im British Museum von Roger Fenton und Stephen Thompson; ferner eine Auswahl an Fotografien von André Kertész aus den 1920er Jahren, die Kunst inmitten von Alltagsobjekten in den Ateliers befreundeter Künstler zeigen sowie Bilder von Barbara Kruger und Louise Lawler, die Fragen der Repräsentation in den Vordergrund rücken und die Bedeutung der Fotografie für die Analyse der Kunst unterstreichen.

VON EUGÈNE ATGET BIS FISCHLI/WEISS
«Eugène Atget: Das Wunderbare im Alltäglichen» präsentiert klassische Statuen, Reliefs, Brunnen und andere dekorative Fragmente in Paris, Versailles, Saint-Cloud und Sceaux; zusammen bilden sie ein visuelles Kompendium des französischen Kulturerbes.

Das Kapitel «Auguste Rodin: Der Bildhauer und das Wagnis der Fotografie» umfasst einige der bemerkenswertesten Bilder der Skulpturen Rodins von diversen Fotografen, darunter auch Edward Steichen.

«Constantin Brancusi: Das Atelier als Groupe mobile» richtet das Augenmerk auf Brancusis einmalige, alles andere als traditionelle Techniken beim Fotografieren seines Ateliers, wo sich laufend hybride, flüchtige Konstellationen bildeten. In seinen sogenannten «photos radieuses» wird die skulpturale «Gestalt» durch Lichtblitze aufgebrochen.

«Marcel Duchamp: Das Readymade als Reproduktion» betrachtet Boîte-en-valise (1935–41) etwas genauer, eine Art Werkkatalog mit 69 Reproduktionen, zu dem winzige Repliken mehrerer Readymades und ein Originalwerk gehören. Duchamp fertigte «autorisierte Originalkopien» seiner Arbeiten an und verwischte damit die Grenzen zwischen Unikat, Readymade und Multiple.
 

Foto Louise Lawler: Unsentimental, 1999-2000

Louise Lawler: Unsentimental, 1999-2000
Silver-Dye-Bleach-Print, 120,6 x 144,8 cm
Sammlung Pamela und Arthur Sanders; Courtesy die Künstlerin und Metro Pictures. © 2010 Louise Lawler
 
 
Foto Gilbert & George: Great Expectations, 1972

Gilbert & George: Great Expectations, 1972
Dye-Diffusion-Transfer-Print, 29,4 x 29,2 cm
The Museum of Modern Art, New York. Art & Project/Depot VBVR. © 2010 Gilbert & George
 
 
Foto Bruce Nauman: Self-Portrait as a Fountain, aus dem Portfolio «Eleven Color Photographs», 1966- 67/70

Bruce Nauman: Self-Portrait as a Fountain, aus dem Portfolio «Eleven Color Photographs», 1966- 67/70
Tintenstrahldruck, 50,9 x 60,3 cm
Museum of Contemporary Art, Chicago. Gerald S. Elliott Collection. © 2010 ProLitteris, Zürich

 
«Kulturelle und politische Kultfiguren» präsentiert wichtige fotografische Essays des 20. Jahrhunderts: Walker Evans’ «American Photographs» (1938), Robert Franks «The Americans» (1958), Lee Friedlanders «The American Monument» (1976) und David Goldblatts «The Structure of Things Then» (1998). Die meisten waren noch nie in einem thematischen Kontext ausgestellt.

«Das Atelier ohne Wände: Skulptur im erweiterten Feld» untersucht die radikale Veränderung des Skulpturbegriffs, die eintrat, als Künstler, die sich nicht im herkömmlichen Sinn als Fotografen definierten, begannen, anstelle eines dreidimensionalen Objekts entlegene Orte wie Skulpturen zu dokumentieren, wie beispielsweise Robert Smithson, Robert Barry und Gordon Matta-Clark.

«Daguerres Suppe: Was ist eine Skulptur?» zeigt Fotos von Fundgegenständen oder Assemblagen, die von Künstlern für die Kamera arrangiert wurden. Prominente Schweizer in dieser Kategorie sind Fischli/Weiss. Vor ihren Arbeiten aus den 1980er Jahren stehen etwa Brassaïs «Sculptures involontaires» (ca. 1932), Alina Szapocznikows «Photosculptures» (1970–71) und «Daguerre’s Soup» (1974) von Marcel Broodthaers, ein Werk, das augenzwinkernd auf die verschiedenen Flüssigkeiten und chemischen Prozesse verweist, die Louis Daguerre bei seiner Erfindung der Fotografie ausprobierte und damit experimentelle Ideen im Zusammenhang mit Alltagsobjekten ins Spiel bringt.

DADAISTISCHE FIGUREN, SURREALISTISCHE BILDER UND PERFORMANCE
Im Kapitel «Pygmalion-Komplex: belebte und unbelebte Figuren» werden dadaistische und surrealistische Bilder und Fotocollagen von Man Ray, Herbert Bayer, Hans Bellmer, Hannah Höch und Johannes T. Baargeld betrachtet. Kameralinsen sind auf Puppen und Automaten gerichtet, um die Spannung zwischen lebender Figur und Skulptur auszuloten.

 

Foto Johannes Theodor Baargeld: Typische Vertikalklitterung als Darstellung des Dada Baargeld, 1920

Johannes Theodor Baargeld: Typische Vertikalklitterung als Darstellung des Dada Baargeld, 1920
Fotomontage, 37,1 x 31 cm
Kunsthaus Zürich, Grafische Sammlung
 
 
Foto Peter Fischli und David Weiss: Die drei Schwestern, 1984

Peter Fischli und David Weiss: Die drei Schwestern, 1984
Chromogener Farbabzug, 30 x 40 cm
Courtesy die Künstler und Matthew Marks Gallery, New York. © Peter Fischli und David Weiss

 
«Der Körper als skulpturales Objekt» erforscht die Rolle der Fotografie dort, wo sich Performance und Skulptur überschneiden. Bruce Nauman, Charles Ray und Dennis Oppenheim verstanden den Körper als plastisches Requisit, das sich aufheben, verbiegen oder nutzen ließ wie jedes andere Material. Eleanor Antin, Valie Export und Hannah Wilke setzten sich mit der «Rhetorik der Pose» auseinander. Sie verwendeten die Kamera als Werkzeug, das allein durch seine Präsenz ein verändertes Verhalten hervorruft.
 
 
Ausstellung:
FotoSkulptur. Die Fotografie der Skulptur 1839 bis heute
25. Februar bis 15. Mai 2011
Die Ausstellung wurde vom Museum of Modern Art, New York, organisiert und steht unter der Schirmherrschaft des International Council of The Museum of Modern Art
Kunsthaus Zürich
Heimplatz 1
CH–8001 Zürich

Katalog:
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (Hatje Cantz Verlag) mit Beiträgen von Geoffrey Batchen, Tobia Bezzola und Roxana Marcoci. Die Publikation (256 S., 366 farbige Abb.) ist für CHF 49.- im Museumsshop erhältlich.
 

Foto Horst P. Horst: Kostüm für Salvador Dalís «Traum der Venus», 1939

Horst P. Horst: Kostüm für Salvador Dalís «Traum der Venus», 1939
Silbergelatineabzug, 25,4 x 19 cm
The Museum of Modern Art, New York. Schenkung James Thrall Soby. © 2010 Horst P. Horst/Art + Commerce

 
(thoMas)