Zum Jahreswechsel stellt sich auch bei photoscala die Frage, was das kommende Jahr 2011 an neuen Entwicklungen bringen wird. Für die Antworten setzen wir auf das gediegene Ritual der Molybdomantie

… und haben unsere seherischen Fähigkeiten durch ein Molybdomantie-Orakel, landläufig auch als Bleigießen bezeichnet, inspirieren lassen. Wie nicht anders zu erwarten, konnten wir dabei keine absolute Sicherheit gewinnen, dass das Vorhergesagte auch genauso eintreffen wird, ist doch jede prognostische Aussage, soweit sie sich auf die Zukunft bezieht, mit einem erheblichen Risiko behaftet.

Bei Leica erstarrte das Blei eindeutig in der Form eines Hufeisens. Das spricht für glückliche Zeiten. Möglicherweise macht das Solmser Unternehmen im kommenden Jahr auch einige ehemaligen Kunden mit einer praktikablen Lösung für die Nachfolge des R-Systems etwas glücklicher. Mit der X1 verfügt man bei Leica ja inzwischen auch über einschlägige Erfahrungen mit einer sucherlosen Digitalkamera mit CMOS-Bildsensor, wenn auch bislang nur im APS-C-Format. Eine ähnliche Kamera im Vollformat mit AF-Wechselobjektiven und Adaptern für M- und R-Objektive, sowie einem Schärfeindikator für den Einsatz der manuellen Objektive, könnte eine gute Ergänzung zur M9 darstellen. Mit einem Verzicht auf die aufwendige Messsucherkonstruktion könnte eine solche Kamera auch preislich ein wenig günstiger als die M-Modelle angesiedelt werden, wobei der Preis für Leica-Kunden derzeit offensichtlich keine Hemmschwelle ist: Das Unternehmen prosperiert. Das Display sollte jedoch gegenüber der X1 deutlich besser werden.

Für Nikon formte sich das Blei wie ein bauchiger Zeppelin – eine Bleifigur, der die Bedeutung „Alles wird gut“ zugeschrieben wird. Kommt schon zur CES in wenigen Tagen ein spiegelloses Modell? Bei Nikon war man bisher stolz darauf, dass man zumindest die mechanischen Abmessungen des F-Bajonetts über die Jahrzehnte hinweg beibehalten konnte. Das dadurch vorgegebene Auflagemaß würde jedoch bei einer Weiterführung diese Anschlusses in eine Welt ohne Spiegel den Raumvorteil des Spiegelverzichts entfallen lassen: Kein Spiegel, aber viel ungenutzter Raum. Da, wie beim Wetter, auch beim Bleigießen die Vorhersagen für die übernächste Woche zu den schwierigsten zählen, wollen wir es hiermit auch bewenden lassen.

Bei Canon formte sich das Blei in Gestalt einer Säule. Die klassische Interpretation der Säule beim Bleigießen sagt, dass hier ein Wunsch unerfüllt bleibt. Dies bezieht sich mit Sicherheit nicht auf die aus gegebenem Anlass präsentierte EOS-1Ds-RT-F, sondern eher auf die bislang nicht einmal ansatzweise zu sehende spiegellose Systemkamera aus dem Hause Canon. Doch diese eher zurückhaltende Vorgehensweise hat bei dem japanischen Hersteller, der auch in der Bürotechnik zu den großen Playern zählt, durchaus Tradition. Bei den elektronisch gesteuerten Kameras hatte man Yashica den Vortritt gelassen und bei den Autofokus-Spiegelreflexkameras der ebenfalls deutlich kleineren Firma Minolta, bevor man mit der AE-1 und später mit den EOS-Modellen den Markt aufrollte.

Treppenstufen in Blei deuten auf bedeutende Herausforderungen. Und solchen steht die Marke Pentax im kommenden Jahr mit Sicherheit gegenüber. Mit der Zugehörigkeit zum Hoya-Konzern ist Pentax – anders als der wohl inzwischen ehemalige Kooperationspartner Samsung – eher an etwas längeren Produktionszyklen orientiert, muss sich aber im Bereich der spiegellosen Systemkameras erst noch positionieren. Ein eigenständiges, nicht-kompatibles System wäre etwas vollständig Neues beim alteingesessenen japanischen Hersteller, der bislang mit M42- und K-Anschlüssen eher offene Objektivsysteme bevorzugte.

Die Blei-Figur von Impossible war nicht ganz einfach zu interpretieren, hatte aber etwas Ähnlichkeit mit einer Palme, was bedeuten könnte, dass ein lang gehegter Traum in Erfüllung geht. Das könnte einerseits ein dann doch stabilerer Farbfilm sein, der sich nach der Belichtung auch problemlos bei Zimmertemperatur lagern lässt; oder eine neue Kamera für die Sofortbildfilme. Händler, die Impossible-Filme verkaufen, scheinen darauf zu warten, dass sie nicht nur Verbrauchsmaterialien verkaufen können, sondern auch die passende Kamera. Ein kleineres Blei-Absprengsel sah aus wie eine 5, vielleicht war es auch eine 6, und zwei Bleikügelchen erinnerten an die Null, was wir letztlich als tendenziellen Preis irgendwo um 5-600 Euro interpretieren.

Das bleierne Ergebnis bei Samsung hat uns erst einmal erschreckt. Das Ding sah aus wie eine Urne, da gab es kein Vertun. Nun steht die Urne beim Bleigießen nicht für den baldigen Tod des Betroffenen, sondern für die Aufforderung, nicht an der Vergangenheit zu hängen. Wie im Bereich der Elektronik-Konzerne üblich, entwickelt sich auch das Kamerageschäft von Samsung in häufigen Sprüngen, die den vergleichsweise kurzen Produktionszyklen in dieser Branche geschuldet sind. Die aus der Cooperation mit Pentax stammenden Spiegelreflexsysteme mit K-Bajonett scheinen inzwischen abgelegte Vergangenheit zu sein. Der Schwerpunkt liegt mittlerweile ganz eindeutig auf den spiegellosen NX-Systemen, die in kurzen Abständen aktualisiert und verbessert werden. Die in der seit der photokina nochmals aktualisierte Roadmap für die weitere Entwicklung der Objektivpalette und die wohl inzwischen aufgenommene Eigenfertigung der Systemobjektive lassen eine weiterhin hohe Frequenz neuer NX-Objektive erwarten. Vom angekündigten 1,4/85-mm-NX-Objektiv gibt es inzwischen eine erste Abbildung.

Das Online-Magazin Engadget brachte Anfang Dezember 2010 eine Abbildung, welche die neue Polaroid-Kamera zeigen soll. Im Sommer hatte sich PLR IP, welche die Rechte am Namen Polaroid verwalten, für den Namen „Polaroid Grey“ Markenschutz für zahlreiche Produktgruppen beantragt. Vieles spricht dafür, dass man nach dem eher geringen Erfolg mit den nur kreditkartengroßen Formaten von PoGo und Polaroid 300 jetzt auf ein größeres Format setzen und eine Schwarzweißversion des 10×15,2 cm großen Zink-Papiers nutzen möchte, das in den Pandigital-Druckern zum Einsatz kommt. Nach aktuellen Informationen könnte ein Mock-up der neuen Kamera auf der CES präsentiert werden. Unsere Bleifigur übrigens hatte die Form eines kleinen Denkmals, was gerne als Selbstüberschätzung des Betroffenen gedeutet wird.

Der Bleiguss von Ricoh ließ sich eindeutig als Fisch deuten, was nicht bedeuten muss, dass die Kameras dieser Marke in Zukunft alle wasserdicht sein werden wie die G700SE. Beim Bleigießen wird die Fischform dahingehend gedeutet, dass man über den Betroffenen reden wird . Und hier rückt das durchaus umstrittene GXR-System ins Blickfeld. Das Leica-M-Modul für den Anschluss dieser Objektive scheint schon seit geraumer Zeit in den Startlöchern zustehen, kam bislang aber über einen Messeauftritt nicht hinaus.

Beim Bleigussergebnis von Olympus konnten wir uns letztlich darauf einigen, dass es einen Garten darstellen könnte (vielleicht war es auch nur Gestrüpp oder ein Biotop). Dem Garten in Blei wird gemeinhin die Bedeutung zugesprochen, „eine neue Liebe kreuzt deinen Weg“. Möglicherweise wird sich der Beitritt von Cosina zur MFT-Gruppe schon in 2011 in neuen Produkten bei Olympus auswirken. Ausgeschlossen scheint auch ein näheres Zusammenrücken von Olympus und Panasonic nicht. Die Olympus XZ-1 mit dem 1,8-2,5/28-112-mm-Objektiv hat schon äußerlich starke Ähnlichkeiten mit dem Panasonic-Design und auch innere Werte wie der 10 Megapixel-Sensor sollen der Lumix DMC-LX5 entsprechen.

Bei Panasonic war der Bleiguss einfach zu erkennen: ein Ei. Wie kaum anders zu erwarten, wird das Blei-Ei mit der Aussage „deine Familie wird wachsen“ interpretiert. Erste Hinweise auf neue Kameras beim Elektronik-Konzern Panasonic, der gerade dabei ist, den Sanyo-Konzern zu absorbieren, verdichten sich: Zwei neue Kompakte einer neuen „S“-Serie (DMC-S1 und DMC-S3) sowie eine DMC-TS3, eine DMC-FH2 und -FH5 werden inzwischen schon genannt. Mehr konnten wir dem Blei nicht entlocken. Aber auch ohne die hellseherische HIlfe wissen wir, dass Panasonic viele neue Kompaktkameras zur moderaten Modellpflege in petto hat und dass das MicroFourThirds-System weiter ausgebaut werden wird.

Beim SLR-Spätstarter Sony formte sich das Blei beim Eintritt in die Wasserschale in Form einer Ähre. Ähren stehen für wahr werdende Wünsche. Und da stehen bei Sony ja durchaus noch so manche aus. Die NEX-7 werden wir auf der CES jedoch wahrscheinlich höchstens als Holz-Version sehen und auch bei den Alphas herrscht wohl derzeit noch eher Ruhe (vor dem Sturm?). Sony scheint seine Hausaufgaben für 2011 bislang vorwiegend im Bereich der Kompakten gemacht zu haben. In diesem Segment wird es für einen einzelnen Hersteller immer schwerer, sich mit seinen Produkten vom Massenmarkt abzusetzen. Die Ähnlichkeit und damit Austauschbarkeit der Produkte wird immer größer. Sony will hier wohl mit schnellerem Autofokus und besserem Video punkten.

Eine erste Nagelprobe zur Trefflichkeit unseres Orakels wird die Consumer Electronics Show (CES) sein, die vom 6. bis 9. Januar 2011 in Las Vegas stattfindet.

(CJ)