Die bislang eher konservativ geprägte Naturfotografie löst sich von der reinen Dokumentation, Naturfotografen wagen sich an die Subjektivität so ein Fazit des Internationalen Naturfoto-Festivals der Gesellschaft Deutscher Tierfotografen in Lünen, wo sich am vergangengen Wochenende die Crème de la Crème der europäischen Naturfotografie einfand:
Bereits zum 18. Mal fand am vergangenen Wochenende das internationale Naturfoto-Festival der Gesellschaft Deutscher Tierfotografen (GDT) statt. Einmal mehr gelang es den Veranstaltern in eindrucksvoller Weise, dem im Titel formulierten Anspruch gerecht zu werden. International ist das Lünener Festival zweifellos so international sogar, dass die überwiegende Zahl der Vorträge in englischer Sprache gehalten wurde (mit zumindest teilweiser Übersetzung) und so mancher des Englischen nicht mächtige Besucher sich zuweilen wohl nicht so ganz zuhause fühlte. Gleichwohl dürften auch diese zumindest bezüglich der Bilder auf ihre Kosten gekommen sein. Im ganzen Programm ließ sich nicht ein einziger schwacher Vortrag identifizieren. Alle bewegten sich fotografisch auf höchstem Niveau und neben der Qualität der Bilder war auch die Bandbreite des Gebotenen und damit auch der unterschiedlichen Charaktere erstaunlich.
Hannu Hautala ist Finnlands berühmtester Naturfotograf. Er blickte in seinem Vortrag auf fast 50 Jahre Naturfotografie zurück. Hier mit seiner Frau während der Übergabe des Fritz-Steinger-Preises, der bedeutendsten Auszeichnung, die die GDT verleiht – benannt nach einem der Gründer der GDT: Prof. Fritz Steiniger.
Die jungen Wilden der GDT: Die GDT-Jugendgruppe begeisterte die Zuschauer mit einer sehr vielfältigen Präsentation ihrer erstaunlich ausgereiften Arbeiten
Von der GDT-Jugendgruppe, die in einer imposanten Show einen Querschnitt ihrer Arbeiten zeigte bis zur finnischen Naturfotografen-Legende Hannu Hautala reichte das Spektrum. Neben den etablierten Fotografen wie Kevin Schäfer aus den USA, Niall Benvie aus Schottland, José B. Ruiz (Spanien), Ingo Arndt oder Klaus Nigge (Deutschland) vermochten auch Bruno DAmicis (Italien) mit seinem Vortrag über das slowakische Tichá-Tal sowie Sven Zacek aus Estland mit seinen Bildern aus den estnischen Moorgebieten das Publikum zu begeistern. Das gelang auch dem Schweden Staffan Widstrand, der das naturfotografische Mammut-Projekt „Wild Wonders of Europe“ vorstellte. 69 Fotografen haben im Rahmen von 125 Fotoaufträgen die Natur-Highlights aus 48 europäischen Ländern zusammengetragen.
Auf dem Fotomarkt des Festivals gab es alles, was des Naturfotografen Herz begehrt
Fotomarkt: Infos aus erster Hand. Berlebach-Chef Wolfgang Fleischer erläutert die Vorzüge der neuen Stativköpfe
Check & Clean: Techniker von Nikon und Canon hatten am Samstag und Sonntag reichlich zu tun, um Dutzende von Kameras der Festival-Besucher kostenlos zu reinigen beziehungsweise Funktionsprüfungen durchzuführen
Neben den Vorträgen ist es in jedem Jahr auch das üppige Rahmenprogramm, das Naturfotografen aus dem In- und Ausland nach Lünen lockt. In verschiedenen Seminaren bestand bereits am Freitag die Möglichkeit sich intensiv fortzubilden. Ingo Arndt und seine Frau Silke vermittelten Grundlagen des Filmens mit der Spiegelreflexkamera. Josè B. Ruiz, einer der besten spanischen Naturfotografen, gab umfassende Einblicke in unterschiedlichste Aspekte der Bildgestaltung.
Am Freitagabend fand die Siegerehrung des Wettbewerbs „Europäischer Naturfotograf des Jahres“ statt. Eine fünfköpfige Jury hatte sich zuvor der anspruchsvollen Aufgabe gestellt, aus rund 11.000 Bildeinsendungen 80 Bilder auszuwählen, die letztendlich im Rahmen einer großen Wanderausstellung sowie im 136 Seiten starken Katalogband einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Gesamtsiegerin und damit „Europäische Naturfotografin 2010“ wurde die in Bremen geborene und in London lebende Fotografin Britta Jaschinski mit dem auf hochempfindlichen Schwarzweiß-Negativfilm fotografierten Foto eines Geparden: Europäische Naturfotografin des Jahres 2010.
Britta Jaschinski (D); Geisterhafter Gepard
Damit kommt es in diesem Jahr gleich zu zwei Premieren: Zum ersten Mal gewinnt eine Frau den begehrten Titel und ebenfalls erstmals ist das Siegerbild ein „klassisches“ Schwarzweißfoto. Wie auch in den vergangenen Jahren dürfte die Wahl der Jury zu Diskussionen Anlass geben, entspricht das preisgekrönte Bild doch so rein gar nicht der „reinen Lehre“. Grobes Korn, Bewegungsunschärfe und eine Gestaltung weitab vom Goldenen Schnitt wird so manchen Puristen empören. Und doch ist die Entscheidung eigentlich nur konsequent, wenn man die übrigen Gewinnerbilder und auch das betrachtet, was in den Vorträgen geboten wurde. Wenn auch oft weniger sperrig als im Gepardenbild von Britta Jaschinski, vermitteln auch diese, was ganz allmählich auch in der eher konservativ geprägten Naturfotografie allmählich Raum greift: Der Versuch, sich von der reinen Dokumentation zu lösen und Motive subjektiv aufzufassen und damit aus Sicht des Fotografen zu interpretieren.
Von links nach rechts: Martin Eisenhawer (GDT-Präsident), Fritz-Pölking-Preisträger Solvin- Zankl sowie Brigitte und Stefanie Tecklenborg vom Tecklenborg-Verlag, der gemeinsam mit der GDT den Preis stiftet.
Fritz Pölking Preis 2010 – Solvin Zankl, GDT (D); Das große Comeback – Nistende Meeresschildkröten in Costa Rica
Überragend in jeder Hinsicht: Michal Budzynski aus Polen gewann in diesem Jahr den Fritz Pölking Nachwuchspreis. „The Art of Light“ war der Titel seiines Portfolios aus Landschafts- und Makroaufnahmen. Im Bild von links nach rechts: Martin Eisenhawer (GDT-Präsident), Karen Korte (GDT-Geschäftsführerin),, ein Vertreter der Firma AC-Foto, die einen Zusatzpreis in Form eines Warengutscheins von 500 € stifteten), Stefanie und Brigitte Tecklenborg vom Tecklenborg-Verlag, Markus Botzek (GDT).
Fritz Pölking Jugendpreis 2010 – Michal Budzynski (PL); The Art of Light
Sowohl in den Vorträgen als auch im Rahmen der Ausstellungen darunter natürlich auch die Siegerbilder des „Europäischen Naturfotografen“ konnte man moderne Naturfotografie in überwältigender Fülle auf sich einwirken lassen. Auf dem Niveau wird das vermutlich bei keinem anderen Naturfoto-Festival in Europa geboten. Wer sich einen Eindruck vom aktuellen Stand in der Naturfotografie verschaffen möchte, kommt daher an der Veranstaltung in Lünen kaum vorbei. Die 19. Auflage des Festivals gibts im kommenden Jahr wie immer am letzten Wochenende im Oktober.
(Hans-Peter Schaub)
Die Vorträge waren an beiden Tagen praktisch komplett ausverkauft. Wer im nächsten Jahr dabei sein möchte, sollte sich frühzeitig um Karten kümmern
Ah, danke, dieser Artikel enthält die Antworten
Dass die Naturfotografie im Wandel ist, kann man nur hoffen. Bei den verlogenen Paradiesbildchen konnte es nicht bleiben. Und die ewige Wiederholung war auch nicht mehr reizvoll.
Auf-Fallen
Wie immer gab es spannende, ergreifende und unvergessliche Fotos.
Dass ein weibliches Wesen mit SW-Film und offensichtlich künstlerischem Anspruch
den Preis gewinnt hat mich aufgrund aller anderen Arbeiten kaum beeindruckt,
die Jury will auffallen, mehr nicht.
Wenigstens ist hier die “Unschärfe” anscheinend gewollt und nicht so deplatziert wie beim Schwanenbild-Sieger aus Fürstenfeldbruck im Frühjahr.
Gut organisiert und propevoll präsentierte sich ansonsten das Festival.
Subjektive Fotografie
Seit wann hat Fotografie etwas mit Objektivität zu tun???? Es handelt sich immer um einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit, der vom Fotografen subjektiv festgehalten wird.
Das Einzige was bei der Fotografie objektiv ist, ist der Name der Linse (Objektiv) – was aber auch schon fälschlich ist.
Gruß
p-o
Hilfe!
Hier gibt es doch einige Herren, die aus dem Stand vier Textseiten zur Signalverarbeitung verschiedener Sensoren schreiben können. Vielleicht könnte es einer davon auf sich nehmen, unserem jungen Freund eine kleine kulturgeschichtliche Tour-de-force zu verabreichen.
anpassen oder aussterben ?
wird auch allmählich mal zeit,
als ich mich (noch) dafür interessiert hab, waren die bloß mit sich selber beschäftigt. Heute wo die Alten langsam wegsterben, merken sie wohl auch, daß man nicht bloß als Tier nur dann überleben kann, wenn man sich anpasst an seine Umwelt.
Thomas Wilden
Foto-Journalist
Koblenz