Illustration: SonyDas Beste aus zwei Welten: Sony kombiniert die Technik der NEX mit der einer Spiegelreflexkamera. Ein paar Gedanken und Erkenntnisse zur Alpha 33 und Alpha 55:

Neben den zahlreichen technischen Herausforderungen bei der Entwicklung seiner neuen Alpha 33 und 55 musste Sony noch eine weitere Frage lösen: Wie nennen wir die Kinder? Sie sehen aus wie eine Spiegelreflexkamera – nur etwas kleiner. Sie sollen sich bedienen lassen wie eine Spiegelreflexkamera – aber mit ein paar Nachteilen aufräumen, die der zu bewegende Spiegel so mit sich bringt. Sie sollen die Bildqualität einer SLR liefern und mit den von der SLR bekannten Wechselobjektiven klarkommen; sie sind aber keine SLR.

„Bauart für einen Fotoapparat oder eine Filmkamera, bei der das Motiv zur Betrachtung vom Objektiv über einen Spiegel umgelenkt und auf einer Mattscheibe abgebildet direkt durch einen Sucher betrachtet wird“ – so definiert die deutschsprachige Wikipedia die Spiegelreflexkamera. Bei der einäugigen, eben der „single lens reflex camera“ (SLR), entstehen – im Gegensatz zu der in den 1950er Jahren üblichen „twin lens reflex“ – Sucherbild und Aufnahme durch dasselbe Objektiv.

„Single lens“, das trifft auch für die neuen Sonys zu; der Hersteller bleibt beim gewohnten Wechselobjektivsystem mit (Minolta-)A-Bajonett. Und einen Spiegel haben auch die neuen Sony Alpha 33 und 55 noch. Der übernimmt allerdings jetzt die Aufgabe, die bei Autofokus-Spiegelreflexkameras ein kleiner Hilfsspiegel hinter einem teildurchlässigen Teil des Hauptspiegels hatte: Er zweigt einen Teil des Lichts zu den Autofokussensoren ab. Das Sucherbild liefert der Bildsensor, dargestellt wird es mithilfe eines hochauflösenden elektronischen Suchers. Ein elektronisches Sucherbild via Bildsensor, das kennen wir schon von anderen „spiegellosen Systemkameras“ oder „Electronical Viewfinder / Interchangeable Lens (Evil)“ wie den Micro-Four-Thirds-, Sony-NEX- oder Samsung-NX-Modellen. Die Kombination mit dem teildurchlässigen, feststehenden Spiegel und dem Phasenvergleichs-AF kannten wir bisher noch nicht.
 

Illustration: Sony

 
Sony nennt seine neue Kameraklasse schlicht „SLT“, single lens translucent.

Ob sich der Begriff einbürgert? Er ist immerhin etwas kürzer als das deutsche „Wechselobjektivkamera mit teildurchlässigem Spiegel“. „Transluzent“ heißt soviel wie halbtransparent, meint Wikipedia. David Kilpatrick ist mit dem Begriff allerdings gar nicht einverstanden; bedeute doch „transluzent“ so etwas wie halbopak, wo hier doch eigentlich „transparent“ gemeint sei; etwas, durch das man hindurchsehen könne.

Unabhängig vom Namen kann Sony mit der Technik ein paar Stärken seiner bisherigen Spiegelreflexmodelle mit denen spiegelloser Kameras kombinieren: Ein großer optischer Spiegelreflexsucher kostet Platz, ein möglichst heller Prismensucher auch noch Gewicht und nicht wenig Geld. Die neuen SLT-Modelle sind inklusive (kleinerem, von der NEX-3 und -5 bekannten) Akku immerhin 180 Gramm leichter als die heute vorgestellten Spiegelreflexkameras Alpha 560 und 580 (500 g statt 680 g), und kompakter dazu:
 

Illustration: Sony

 
Der klappe(r)nde Spiegel macht Geräusche – bei den neuen SLTs ist nur der mechanische Verschluss zu hören. Die Geschwindigkeit der Spiegelmechanik ist begrenzt und Spiegelreflexkameras wie die EOS-1D Mark IV und die Nikon D3s, die ihren Spiegel zehn mal pro Sekunde hoch und wieder runter klappen können müssen, um auf die Serienbildrate der Alpha 55 zu kommen, sind entsprechend teuer. Und ein Spiegel einer einäugigen Spiegelreflexkamera ist eben entweder unten – dann gibt es ein Bild für die Mattscheibe sowie den Belichtungsmesser oben im Sucher und den Phasenvergleichs-AF unten im Spiegelkasten – oder oben: während der Belichtung ist das Sucherbild also dunkel, und der AF fällt aus; dafür sind dann ein Livebild über den Sensor und Videoaufnahmen möglich. Spiegelreflexkameras müssen deshalb bei bewegten Motiven den „prädiktiven“ – den „vorausratenden“ – Autofokus nutzen, da sie im Moment des Auslösens quasi blind sind, wohinggegen die SLT ständig exakt (nach-)fokussieren kann:

Die Neuen kennen dieses Entweder-Oder nicht.

Zu den Stärken der bisherigen Sony-Spiegelreflexkameras zählt zweifelsohne der sogenannte Quick-AF-Liveview: Ein Livebild auf dem rückseitigen kippbaren Bildschirm, kombiniert mit schnellen Phasenvergleichsautofokus einer Spiegelreflex. Bisher zweigte Sony dafür – wie auch bei den jetzt vorgestellten Alpha 560 und 580 – das Sucherbild mit einem zweiten Sensor oberhalb des Suchereinblicks ab. Den „Quick-AF“ kann Sony jetzt mit einer konsequenten Live-View-Kamera kombinieren: Schnelle Serienbildraten und Videoaufnahmen mit voller Geschwindigkeit des gewohnten Phasenvergleichs-AF werden möglich.
 

Illustration: Sony

So illustriert Sony die Vorteile des Permanent-Spiegels: Während bei SLRs entweder das Sucherbild gezeigt und fokussiert, oder aber ausgelöst wird, geschieht das bei der SLT gleichzeitig, die Serienbildrate steigt.

 
Ein paar System-immanente Nachteile bringt Sonys Innovation allerdings auch. Für den Wegfall des optischen Suchers will Sony mit einem deutlich größeren elektronischen Sucherbild und zahlreichen einblendbaren Informationen und Hilfen, und zuschaltbarer Vergrößerung, entschädigen und kann den Sucher gleichzeitig so weit nach hinten verschieben, dass die Nase des Betrachters nicht mehr so stark gegen das Display drückt. Allerdings schluckt der Spiegel etwas Licht: Rund ein Drittel zweigt er für den AF-Sensor ab, 70 Prozent verbleiben für das Bild, schreiben die dpreview-Autoren Barnaby Britton und Lars Rehm. Außerdem verhindert der Phasenvergleichsautofokus beim Filmen und im schnellsten Serienbildmodus die freie Wahl von Blende und Verschlusszeit:

Der Phasenvergleichs-AF einer jeden Spiegelreflexkamera – wie auch der der Alpha 33 und 55 – kommt mit zu weit abgeblendeten Objektiven nicht klar. Schließt man die Blende zu weit, bekommen die Sensoren schlichtweg nicht mehr genügend Licht ab. Soll der AF der Neuen also auch im Videomodus funktionieren, so darf der Fotograf keine kleinen Blenden einstellen. Sony löst das, indem der Wert einfach fest auf f/3,5 eingestellt wird – bzw. auf Offenblende, wenn das Objektiv eine geringere Lichtstärke aufweist. ISO-Wert und Verschlusszeit werden automatisch gewählt. Entscheidet sich der Nutzer, manuell zu fokussieren, stehen alle Blenden- und Empfindlichkeitswerte zur Verfügung.

Dass die volle Serienbildrate von zehn Bildern pro Sekunde nur in einem „Continuous Priority AE mode“ möglich ist, dürfte an der Blendenansteuerung der Minolta- und Sony-AF-Objektive liegen. Die ist wohl nicht schnell genug, um die Blende zwischen jeder Belichtung auf einen für den Autofokus erforderlichen Wert zu öffnen (und dann wieder zu schließen), deshalb, so unsere Vermutung, stellt Sony einen festen Blendenwert vorab ein.

Unverständlich, warum hierbei auch gleichzeitig der ISO-Wert automatisch eingestellt und dem Fotografen aufgezwungen wird, so dass z.B. besonders schnelle Verschlusszeiten, beispielsweise für Sportaufnahmen, nicht zur Verfügung stehen (die Kamera wählt eine unter den Aufnahmebedingungen verwacklungsfreie Verschlusszeit, aber auch eine möglichst rauschfreie Empfindlichkeit und es ist nicht möglich, hier die Empfindlichkeit im Interesse schnellerer Verschlusszeiten anzuheben).

Bei Bildraten bis sechs Bilder pro Sekunde ist der Anwender dann wieder selbst Herr über Zeit und Blende.

Illustration: Sony

15 einzeln anwählbare Autofokussensoren stehen der Alpha 33 und 55 wie auch den neuen Spiegelreflexmodellen 560 und 580 jetzt zur Verfügung. Die Verteilung der AF-Felder ähnelt der des Nikon-AF-Moduls „Multi-CAM 1000“ aus der D80, D90, D200, D3000, D5000 und des AF der Sony Alpha 700, 850 und 900. Sony hat im Gegensatz zu Nikon jedoch drei zentrale Kreuzsensoren eingebaut und auf den Doppelkreuzsensor und den zusätzlichen Sensor der Alpha-Oberklassemodelle für lichtstarke Objektive verzichtet. (David Kilpatrick vermutet, die horizontale Komponente der Kreuzsensoren könnte über eine größere Messbasis als die übrigen AF-Sensoren verfügen, und das sei der Grund, warum Sony beim Filmen und bei der höchsten Serienbildrate wenn möglich bis Blende 3,5 aufblende.) Auf Wunsch kombiniert Sony die AF-Feld-Wahl auch mit eine Gesichts- und Lächelerkennung.

Während die NEX-Modelle den AF der per Adapter montierten Spiegelreflexkameraobjektive komplett deaktivieren, kriegen die neuen SLT-Modelle das also sehr gut hin: Schneller AF bei Fotos und Videos, unabhängig davon, ob der Nutzer durch den Sucher oder auf den Bildschirm schaut. Und egal, ob ein Objektiv mit Ultraschallmotor (SSM) oder Micromotor (SAM) zum Einsatz kommt, oder ob es durch den AF-Motor der Kamera angetrieben wird.

Sonys Lösung ist interessant und vielversprechend. Sie wird allerdings überflüssig, sobald der Kontrast-AF über den Bildsensor genauso schnell und zielsicher arbeitet wie der Phasenvergleichs-AF mit gesondertem Sensor (Panasonic beispielsweise hat bei der Lumix G2 mit 0,3 s von Auslöserdruck bis Aufnahmebeginn die Werte von Einsteiger-SLRs bereits eingestellt). Oder wenn der Phasenvergleich im Bildsensor integriert ist, wie es Fujifilm mit der neuen FinePix F300 EXR vormacht.

(mts)
 
 
Fotos und Grafiken: Sony

Siehe auch:
alpha – Interchangeable lens digital camera
Sony strukturiert Fertigung um
Sony Alpha A55 (A33) Preview Field Report