Foto: Henri Cartier-Bresson„Man nähert sich auf leisen Sohlen, auch wenn es sich um ein Stillleben handelt. Auf Samtpfoten muss man gehen und ein scharfes Auge haben“, so hat Henri Cartier-Bresson einmal das Entstehen seiner Bilder kommentiert. Jetzt ist ein neues Buch über den Fotografen erschienen, das „sein“ 20. Jahrhundert vorstellt:

Der „entscheidende Moment“, für diesen ist der französische Fotograf Henri Cartier-Bresson berühmt, ja eine Legende geworden. Dieser bestimmte Moment, der Bruchteil einer Sekunde, in dem „alles“ passiert. Er brauchte nicht viel für seine Bilder: eine kleine Leica M, eine unauffällige Kleinbildkamera und ein 50-mm-Objektiv. Nie benutzt er ein Blitzlicht, nie wählt er neue Ausschnitte in der Dunkelkammer. Doch etwas braucht er: Geduld, auf den richtigen Moment zu warten.

Es gibt viele Bücher über Cartier-Bresson, nun ist ein wundervolles neues erschienen. Der opulente Band präsentiert den Mitbegründer der Agentur Magnum als einen Künstler und Fotoreporter, dessen Bilder das 20. Jahrhundert entscheidend geprägt haben. Seine Fotografien, die seit Anfang der 30er Jahre unter dem Einfluss von Paul Strand entstehen, spiegeln Zeitgeschichte – sie zeigen etwa die Beerdigung von Mahatma Ghandi, die Befreiung von Paris, Che Guevara, das Warschauer Ghetto oder den Mauerbau in Berlin.
 

Foto: Henri Cartier-Bresson
 
 
Foto: Henri Cartier-Bresson

Fotos: Henri Cartier-Bresson. © 2010 Magnum Photos / courtesy Schirmer/Mosel

 
Vor allem aber ist Cartier-Bresson ein Fotograf des Alltags. Das Zufällige, das Alltägliche, Spontane und Intuitive – das ist die Welt Cartier-Bressons, der in seinen frühen Jahren sehr deutlich vom skurrilen Witz des Surrealismus geprägt wurde. Seine Stadt ist Paris, seine Heimat, ein Ort, an den er immer wieder zurückkehrt. Hier entstehen seine intimsten Bilder. „Alles, was ich zu sagen habe, sagen meine Bilder“, hat Henri Cartier-Bresson einmal erklärt. Seine Künstlerporträts von etwa Pablo Picasso, William Faulkner, Alberto Giacometti, Coco Chanel, Henri Matisse oder Igor Strawinsky sind bestechend, vor allem in ihrer vollendeten Kunst der Komposition.

Sechs Jahrzehnte prägte der 1908 bei Paris geborene und 2004 in Isle-sur-la-Sorgue verstorbene Cartier-Bresson die Fotografie, wurde Vorbild für die nachfolgenden Fotografen-Generationen. Seine Arbeiten waren in den wichtigsten Museen der Welt zu sehen – wie etwa dem New Yorker Museum of Modern Art oder im Louvre, der ihm schon im Jahr 1955 eine Einzelausstellung widmete.

Cover Henri Cartier-Bresson

„Auge des Jahrhunderts“ wurde Cartier-Bresson immer wieder genannt. Der neue Band versammelt etwa 300 Bilder, Landschaften, Straßenszenen, Menschen, Stillleben und Interieurs, ergänzt um einen Essay von Peter Galassi. Jörg Häntzschel hat es in der „Süddeutschen Zeitung“ einmal sehr treffend auf den Punkt gebracht: „Es ist, als sei das 20. Jahrhundert direkt durch ihn durchgeflossen.“

(Marc Peschke)
 
 
Henri Cartier-Bresson: Sein 20. Jahrhundert 1908-2004 (bei amazon.de)
Verlag Schirmer/Mosel
April 2010
376 Seiten
ISBN-13: 978-3-82960-469-7
€ 58