Foto der PowerShot S90 von CanonEinlassungen zur Auswahl einer so kompakten wie guten Kamera für die Hemdentasche. Oder: warum die Wahl auf Canons PowerShot S90 fiel, Panasonics Lumix LX3 aber so schlecht auch nicht ist:

Es soll Berufsfotografen geben, die in ihrer Freizeit keine Kamera anfassen. Viele Amateurfotografen möchten aber immer eine Kamera dabeihaben und, das kann auch für einen Reportagefotografen von Interesse sein, damit er auch außer Dienst nicht „nackt“ ohne Kamera dasteht.

Foto der PowerShot S90 von Canon

Für diesen Zweck soll es aber nicht die sperrige oder auffällige DSLR (digital single lens reflex, digitale Spiegelreflexkamera) sein, sondern eine Kamera, die wirklich in die Hemdtasche passt und doch deutlich mehr bietet als ein fotofähiges Mobiltelefon. Das schließt eine voluminöse Bridgekamera, die die Brücke (englisch bridge) vom besser ausgestatteten Consumermodell zur DSLR schlagen soll, angesichts ihrer Abmessungen schonmal aus. Auch wenn hier enorme Zoombereiche von 24/28 bis weit über 500 mm Brennweite (vergleichbar Kleinbildformat) geboten werden.

Auch wenn es sie schon seit Herbst 2009 gibt, fiel meine Wahl auf die „alte“ Powershot S90 von Canon. Die Existenz und die Daten von Panasonics Lumix DMC-LX3 sind bekannt, und die PowerShot S90 muss sich natürlich auch an (der Papierform) der Lumix messen lassen. Was den Brennweitenbereich der Zooms angeht, ist es eine Geschmacksfrage, ob ich ein 2-2,8/24-60 mm (LX3) mit mehr Weitwinkel oder ein 2-4,9/28-105 mm (S90) mit mehr Tele bevorzuge (bei 35 mm hat das S90-Zoom übrigens eine Lichtstärke von f/2,5, bei 50 mm f/3,2 und bei 85 mm f/4,5).

Foto der Rückseite der PowerShot S90 von Canon

Einschlägige Quellen (digitalkamera.de, dpreview.com) attestieren der PowerShot S90 trotz des nominell kleineren Sensors (1/1,7 Inch, ca. 9,5 mm Bilddiagonale) ein besseres Rauschverhalten bei den hohen ISO-Werten als der Lumix (1/1,63 Inch, 9,8-10 mm). Neben reinen Kurven wurden auch echte Fotos begutachtet, die es unter Canon PowerShot S90 Preview Samples, Panasonic Lumix DMC LX3 Preview Samples und Rauschvergleich S90 / Lumix von beiden Kameras gibt. Wobei man immer so fair sein muss, den Vergleich von Fotos mit ISO 800 und mehr, entstanden bei Raumlicht, in schummeriger Kneipenbeleuchtung vielleicht, mitunter gar mit Neonlichtanteil, nicht überzubewerten.

Letzten Anstoß gaben dann unbekümmert mit der S90 gemachte Fotos eines Weihnachtsmarktes, aufgenommen von einem Fotografen, der unter anderem in Varietees arbeitet und weiß, wie High-ISO „geht“. An seinen Weihnachtsmarkt-Fotos mit ISO 800, 1000 und 1250 gab es angesichts des 5,6×7,6 mm großen Sensors nichts zu kritisieren. (Zum Vergleich: Four-Thirds-Sensoren sind 13,5×18 mm groß, APS-C- Sensoren 15×23 mm und das Kleinbild-Vollformat hat 24×36 mm.) Aufgrund des besseren Rauschverhaltens gab ich also der S90 den Vorzug vor der LX3.

Mit von Bildwandlung und Objektiv noch handhabbaren 10 Megapixeln ist Canon aus dem unsinnigen Pixelwettrennen ausgestiegen, wo als trauriger Höhepunkt 14 Megapixel auf eine noch kleinere Fläche von 6,2×4,6 mm (1/2,3-Zoll-Sensor) gepresst werden. Lesen Sie dazu die Ansichten zur Flut und Fluch der kleinen Pixel bei 6mpixel.org.

Die S90 bietet bei ISO 80 eine Qualität, die sogar „Pixelpeeper“, die ihre Bilder ausschließlich in 1:1 / 100-%-Monitorwiedergabe kontrollieren, nicht in Ohnmacht fallen lassen sollte. Auch ohne im Rohdatenformat zu speichern lässt sich aus den JPEGs noch etwas Qualität rauskitzeln, wenn man die Nachschärfung durch die Kamera auf den niedrigsten Wert eingestellt hat.
 

Foto: Ralf Jannke
 
 
Foto: Ralf Jannke

Hier zwei unbearbeitete 10-MP-Fotos aus der Canon S90. Jeweils bei ISO 80, Blende 8, Zeitautomatik und mit – unschwer erkennbar – kurzer (28 mm) und langer Brennweite (105 mm) aufgenommen. Außer Drehen und Umbenennen keine Nachbearbeitung.
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Die ISO-80-Grundempfindlichkeit des Sensors kann bei voller 10-MP-Auflösung in 1/3 EV-Stufen bis auf ISO 3200 verstärkt werden. Im sogenannten „Wenig-Licht-Modus“ (Kerzensymbol) wird unter Reduzierung der Auflösung auf 1824×1368 Bildpunkte (2,5 Megapixel) die Sensorempfindlichkeit automatisch bis ISO 12800 verstärkt – wobei die dabei erreichbare Qualität nicht weiter untersucht wurde.
 

Foto: Ralf Jannke

Aufnahme mit ISO 12800
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Ich bin allerdings verblüfft, was mit ISO 12800 und der kleinen Canon S90 machbar ist: OK, Qualität ist anders, aber ich trotzdem: kaum glaublich, was da mit einer Hemdtaschenkamera geht.

So wie am unteren Ende der ISO-Skala der kleine Unterschied von 1/3 EV ein subjektives Qualitätsplus gegenüber ISO 100 bietet, sollte man auch am oberen Ende auf die 1/3-EV-Stufen achten und die höchste Verstärkung vermeiden. Was mit Rauschunterdrückung an Details bei ISO 2500 stark zugeschmiert, aber noch erahnbar ist, verschwindet je nach Motiv bei ISO 3200!

Ein Qualitätsverlust durch die von anderer Seite bemängelte zu hohe JPEG-Komprimierung (je nach Motiv ca. 17:1 bis 13:1) lässt sich nicht wirklich ausmachen. Wünschenswert wäre dennoch die Einstellmöglichkeit von 8:1 oder 4:1. Angesichts der Speicherkartenpreise sicher kein Problem. Wer will, kann bei der S90 die Fotos selbstverständlich auch im Rohformat speichern und später ganz nach Lust und Laune bearbeiten; hierbei ist dann auch die kamerainterne Nachschärfung abgeschaltet.

Ob man heute wirklich Gesichtserkennung zum Autofokussieren braucht, ist sicher diskussionswürdig. Wenn man die Kamera einem Unbedarften in Vollautomatik-Einstellung in die Hand drückt, werden Gesichter sehr zuverlässig „erwischt“. Und sie stört ja nicht weiter, da sich der AF wahlweise zentral auf ein kleines oder größeres Feld legen lässt. Dass der Nachführ-AF dieser kompakten Kamera nie die Leistung einer guten DSLR erreicht, kann kein Kritikpunkt sein.

Gefühlsmäßig löst die Kamera schneller aus, als es in einigen Tests bemängelt wird. Einer meiner wenigen Kritikpunkte ist die bescheuerte Haltung dieser Kameraklasse – am ausgestreckten Arm oder mit beiden Händen gehalten – und auf dem Monitor ist bei direktem Sonnenlicht kaum etwas zu erkennen. Ein simpler optischer Aufstecksucher wäre in diesem Fall wünschenswert. Wer darauf besteht, muss zur Lumix DMC-LX3 greifen: Die bietet einen einfachen Aufstecksucher für die Anfangsbrennweite 24 mm. Und noch ein Detail gefällt mir an der Lumix besser: die zweite Trageriemenöse, dank der sich die Knipsmaschine wie eine „richtige Kamera“ um den Hals hängen lässt. Das mag zwar ob der Kleinheit einer Lumix oder S90 etwas komisch aussehen, aber so bin ich schneller schussbereit.

Foto der Oberseite der PowerShot S90 von Canon

Wer mit seiner digitalen Kamera hochauflösend filmen will, dem werden bei der S90 nur unzeitgemäße 640×480 Pixel Auflösung geboten. Und den Begriff „Serienauslösung“ kann man angesichts einer maximalen Bildfrequenz von 0,9 B/s getrost vergessen. Ansonsten gefällt die S90 rundherum.

Nach Belegung des angenehm geriffelten Rings um das Objektiv zur blitzschnellen Wahl fester Brennweitenstufen von 28, 35, 50, 85 und 105 mm, und dank der Möglichkeit, Zeit und Blende wie bei einer DSLR per Dreh zu ändern, hat man wirklich das Gefühl, eine Kamera und kein Spielzeug in der Hand zu haben. Stufenloses Zoomen bleibt übrigens jederzeit über die übliche Ringzoomwippe um den Auslöser möglich. Entgegen einiger Befürchtungen ist das Rädchen zur Wahl der Automatiken und der restlichen Betriebsarten so hart gerastet, dass sich da versehentlich nichts verstellt. Standardschnappschusseinstellung ist bei mir immer P-Automatik in Kombination mit ISO-Automatik. Bei Zimmerbeleuchtung und draußen wird bis ISO 800 verstärkt, wenn es duster wird (nachts), bis ISO 1600. Für Top-Qualität wird ISO 80 fest eingestellt.

Nützlich ist die als „Safety Shift“ bezeichnete Funktion am Bereichsende von Zeit- und Blendenautomatik: Wenn die Blende schon voll geöffnet oder geschlossen, die vorgewählte Verschlusszeit dabei unter- / überschritten wird, regelt „Safety Shift“ so nach, dass keine Unter- oder Überbelichtung entsteht. Dieses – wenn ich mich richtig erinnere – erstmals in den analogen Spiegelreflexkameras Canon T90 und Nikon FA gebotene Extra ist bei vielen DSLRs – für mich unverständlicherweise – verloren gegangen. Wird bei der S90 Safety Shift in Kombination mit der ISO-Automatik aktiviert, geht belichtungstechnisch kein Motiv mehr verloren.
 

Foto: Ralf Jannke

Selbst für ein paar Sport-Erinnerungsbildchen oder verkleinert fürs WWW reicht es. Hier ein Ausschnitt aus einer auf 2 MP runtergerechneten Aufnahme bei ISO 640, Zeitautomatik, 28 mm Brennweite und offener Blende f/2.
 
 
Foto: Ralf Jannke

Und noch einmal Korbball. 1:1-Ausschnitt aus 2 MP, ISO 640, Zeitautomatik, 35 mm Brennweite und offene Blende f/2,5.

 
Der richtige Zeitpunkt fürs Auslösen nach Vorfokussierung auf den Basketball-Korb ist nach ein paar Probeschüssen relativ schnell gefunden. Klar, die Auslöseverzögerung ist nicht mit einer DSLR zu vergleichen. Doch dafür hat man sie immer dabei, die S90: Als Schnappschusskamera, und für den Fall, dass man den sensationellen Schuss machen und der Tageszeitung anbieten kann ;-))

Dass man zum Preis der gediegenen Canon S90 (Straßenpreis derzeit ca. 350 Euro) auch schon (fast) eine „richtige” DSLR der Einsteigerklasse samt Kit-Zoom bekommt, steht auf einem anderen Blatt. Doch diese Kombi passt so schlecht in die Hemdtasche … – deshalb ist die S90 ab sofort meine „Immer-dabei” Kamera.

(Ralf Jannke)
 
 
Produktfotos von Canon; Beispielfotos von Ralf Jannke.