Eine Übernahme, verschwundenes Geld, Streitigkeiten und letztlich die Pleite das ist der Stoff für Verschwörungstheoretiker und Berufspessimisten. Lässt sich etwas finden? Eine Frage, der wir gerne versuchen, nachzugehen:
Im Jahre 2004 übernahm eine Investorengruppe (55 % übernahm die NannO Beteiligungsholding GmbH / Geschäftsführer Hartmut Emans) die Consumer Imaging-Sparte von der belgischen Agfa-Gevaert-Gruppe zu einem Kaufpreis von 112 Mio. €. Laut Jahresbericht des belgischen Konzerns wurden 2.934 Mitarbeiter mit übernommen. Die Käufer verpflichteten sich, den Kaufpreis über einen Verkäuferkredit innerhalb von 4 Jahren zu tilgen. Der belgische Konzern soll den goldenen Handschlag mit einer Eigenkapitalspritze in Höhe von 300 Mio. € und 72 Mio. € Liquidität besiegelt haben. Den Käufern wird ein zeitlich unbefristetes, kostenloses Lizenzrecht an der Marke „AgfaPhoto“ eingeräumt. Ein knappes halbes Jahr später musste die AgfaPhoto GmbH als operative Sparte der AgfaPhoto Holding GmbH Insolvenz anmelden. Seitdem wird gerätselt: wo sind die 372 Mio. € geblieben? Wollten die Belgier sich einer Minus-Sparte schnell entledigen? Und die alles entscheidende Frage: Wer trägt an der Insolvenz Schuld?
Dann wollen wir mal wühlen…
Die Consumer Imaging Sparte macht in den letzten Jahren vor dem Verkauf einen operativen Verlust (Zahlen für die Jahre 2001 bis 2004 liegen vor). Lediglich das Jahr 2002 bringt noch ein Plus von 16,3 Mio. €. Der Umsatz beträgt 2004 nur noch 40 % des Umsatzes aus dem Jahre 1999. Im Verkaufsjahr 2004 verbucht der belgische Agfa-Gevaert-Konzern einen Buchverlust in Höhe von 430 Mio. € (non-cash Verlust). Dieser Buchverlust resultiert u.a. aus der Differenz Buchwert und Verkaufspreis (112 Mio. €). Bleibt der Buchverlust unberücksichtigt, macht die Consumer Imaging Sparte ein operatives Minus in Höhe von 63 Mio. € im Jahre 2004. Der belgische Konzern macht zusätzlich geltend, dass 55 Mio. € für die Liquidierung der Consumer Imaging-Sparte und 54 Mio. € Auflösung von latentem Steuervermögen aufgewendet werden. In der Summe hat Agfa-Gevaert betriebswirtschaftlich die richtige Entscheidung zum Verkauf getroffen. Denn allein im Jahr 2001 trägt die Imaging-Sparte 100 Mio. € Verlust bei. Hinzu kommt, dass Agfa-Gevaert im Jahr 2007 die Geschäftssparten als selbstständige Unternehmen an die Börse bringen will.
Doch nun wird die Geschichte undurchsichtig.
Ein halbes Jahr nach dem Kauf muss die AgfaPhoto Holding für die AgfaPhoto GmbH (also nicht für die Holding) Insolvenz anmelden. Es gibt wohl von Anbeginn an Schwierigkeiten zwischen dem ehemaligen, belgischen Mutterkonzern und der AgfaPhoto Holding. Die Belgier übernehmen in der Anfangsphase weiterhin das Inkasso für die AgfaPhoto. Angeblich sollen aber nicht alle Gelder an den eigentlichen Empfänger AgfaPhoto weitergeleitet worden sein. Leider liegen keine Geschäftsberichte für die AgfaPhoto GmbH vor. Aber die Holding veröffentlicht die Jahresberichte im Elektronischen Bundesanzeiger des Bundesministeriums für Justiz: Im Jahr 2005, dem Jahr der Insolvenz, weist die AgfaPhoto Holding einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 52 Mio. € aus. Im Jahr davor konnte die Holding noch einen Überschuss erzielen. Das Eigenkapital der Holding beträgt 2 Mio. €. Auffällig ist ein hoher Forderungsbestand von über 203 Mio. € im Jahr 2004. Dies kann ein Indiz für die Inkassovorwürfe sein, muss es aber nicht. Ein Hinweis auf das Startkapital von den Belgiern in Höhe von 372 Mio. € findet sich nicht in den AgfaPhoto-Holding-Jahresberichten.
Ende 2005 entbrennt der Lizenzstreit zwischen den Belgiern und AgfaPhoto. Der belgische Konzern kündigt die Lizenzvereinbarung. Agfa-Gevaert kündigt nach eigenen Angaben die Vereinbarung, weil mit einem Verkauf bzw. Weitergabe der Markenrechte gerechnet wird. Im Jahr 2006 vergibt die AgfaPhoto Holding die AgfaPhoto-Lizenz teilweise an die plawa-feinwerktechnik GmbH & Co. KG, ein Jahr später erfolgt die Vergabe zur weltweiten Vermarktung. Vielleicht ist dem belgischen Konzern im Vorfeld dieses Deals klar geworden, dass die Markenrechte das eigentliche goldene Kalb sind. Den Lizenzstreit gewinnt jedenfalls die AgfaPhoto Holding 2007. Die Belgier können die getroffene Vereinbarung nicht kündigen.
Nun hat dieser Tage AgfaPhoto nach einem Schiedsgerichtsurteil der Internationalen Handelskammer einen Rechtsstreit gegen Agfa-Gevaert verloren. Der belgische Konzern hat demnach die Insolvenz von AgfaPhoto nicht herbeigeführt und die Käufer nicht getäuscht.
Doch ein weiteres Gerichtsverfahren ist anhängig, da der AgfaPhoto-Insolvenzverwalter Ringstmeier gegen Agfa-Gevaert Geldforderungen stellt. Diese Gelder sollen der Insolvenzmasse zugeführt werden. Der belgische Konzern soll Medienberichten zufolge bereits eine entsprechende Rückstellung gebildet haben.
Fazit: Licht ins Dunkel können wir nicht bringen. Dafür ist das Zahlenmaterial zu dünn. Aber Platz für eigene Gedanken bleibt allemal.
(agün)
Quellen:
Agfa – Annual Report
Elektronischer Bundesanzeiger
AgfaPhoto ist pleite
Agfa vergibt Lizenz für Digitalkameras
Aus Agfa werden drei unabhängige Gesellschaften
Agfa-Pleite holt Konzernchef Verhoeven ein
Agfa-Gevaert in der Pflicht
Mehr zum Hintergrund
dürfte man hier kennen:
Dr. Hartmut Emans
Geschäftsführender Gesellschafter
NannO Beteiligungsholding GmbH
D-82031 Grünwald
Gabriel von Seidl Str. 50
Tel: +49 – (0)89 – 6492063
h.emans@nanno-holding.de
Ein weiteres Kapitel
aus der erfolgreichen Kapitalismus-Soap … wir können ja auch nicht genug davon bekommen.
Der deutsche Michel
[quote=Gast] … wir können ja auch nicht genug davon bekommen.[/quote]
Ganz offensichtlich ist das so, denn wir suhlen uns ständig im Jammern darüber, entscheiden uns bei den Wahlen aber doch immer wieder für genau dieses System, egal ob aktiv oder passiv.
Ich gebe ja zu, dass mir auch keine der Alternativen wirklich schmeckt, aber das Leben ist nunmal kein Wunschkonzert!
Ergo: aktiv „dagegen“ wählen oder einfach „Fresse halten“, aber laufend zu Bejammern was man selbst unterstützt ist doch pervers!
Dabei geht es ja nichtmal nur um Wahlen, selbst Konzernpolitik wird fortlaufend bejammert und bemotzt und dann von genau diesen Leuten das nächste Produkt dieses Konzerns gekauft, weil man das Produkt an sich subjektiv für besser empfindet als die Alternativen, frei nach dem Motto: „Was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern und morgen an, wenn heute die Gier mein Handeln bestimmt?“
Total normal
passiert doch heutzutage täglich überall so:
Ein Konzern entledigt sich defizitärer Töchter und sucht dafür einen Dummen, der bereit ist, auf seinem breiten Kreuz auch die Ignoranz jeglicher Sozialverpflichtungen auszubaden.
Hinterher stellt sich dann immer heraus, dass der Dumme gar nicht sooo dumm war und doch tatsächlich noch anders im Schilde führte als den Verkäufer von seinen Defiziten zu entlasten und den Buhmann für Arbeitsplatzabbau zu spielen.
Der Verkäufer fühlt sich dadurch dann betrogen, denn eigentlich hatte er das Unternehmen ja nur verkauft damit ein anderer die Verluste und Verpflichtungen trägt, aber doch nicht, dass einer damit Gewinn macht und dann geht der Rechtsstreit los, durch alle Instanzen.
Irgendwann einigt man sich dann auf einen Vergleich, bei dem die ganze Kohle, mit der man das Unternehmen durch komplette Umstrukturierung hätte retten können, in den Taschen von Kurzfrist-Spekulanten und Anwälten landet, Hauptsache keiner der Manager die das verbrochen haben trägt daran irgendwelche Schuld oder hat eine völlig falsche Entscheidung getroffen.
Anderes Bankensystem
Ist doch ganz einfach. Nicht an die Börse gehen. Geld kann auch anders besorgt werden.
Einfach den Spekulanten keinen Zutritt verschaffen. Ihnen das Spielzeug wegnehmen.
Der Staat hat als einziger das Recht Geld zu drucken und es auch wieder einzusammeln. Er alleine bestimmt die im Umlauf befindliche Menge. Die Banken DÜRFEN mit dem Geld arbeiten. Wie jeder andere der Geld druckt bestraft wird so ist auch die Vernichtung von Geld strafbar.
Diese Grundregel wird aber nie eingesetzt. Ich habe noch von keinem verurteiltem Aktienhändler gehört der wegen Werte Vernichtung in den Bau gegangen wäre.
Mein Lösungsvorschlag, eine Art Grüne transparente Bank. Wo der Kreditnehmer und der Kreditgeber wissen woher das geliehene Geld kommt und wer es bekommen hat. Der Vermittler prüft nicht nur den Kreditnehmer, er prüft auch den Geber genau.
Das Geldgeschäft muss ein persönliches werden. Selbst viel Geld kann transparent gehandelt werden wenn es öffentlich ist.
Transparenz, Offenheit
ist fast immer die Lösung für fast alle Probleme! Oder warum glaubt man, dass sich die potenziell Betroffenen so vehement dagegen wehren, bzw. die Auswirkungen in düstersten Farben auszumalen verstehen? Am besten so krass, dass es der ängstliche Plebs erst gar nicht wagt, revolutionäre Gedanken konsequent zu Ende zu denken …
Agfa
Und immer noch laufen Prozesse des Verkäufers mit ehemaligen MitarbeiterInnen die dem Übergang in die AgfaPhoto widersprochen haben. Über 5 Jahre nach der Pleite.