Wie war das bei Ihnen unter dem Weihnachtsbaum? Haben Sie Geschenke bekommen, mit denen Sie so gar nichts anfangen können? Wir meinen: Das ist gar nicht schlimm. Haken drunter. Denken Sie nicht mehr daran – und schenken Sie sich selbst einfach etwas Neues. Zum Beispiel eine Eintrittskarte in eine spannende Fotoausstellung

Oder vielleicht ein Fotobuch, wie etwa jenes, welches Arnulf Rainers Fotokunst erstmals umfassend vorstellt. „Arnulf Rainer und die Fotografie“ heißt der Band von Christina Natlacen und ist im Michael Imhof Verlag erschienen. Auf 240 Seiten macht die Autorin erhellende Geistessprünge von Kunst zu Medizin zum Theater … und wieder zurück! Ein schönes Beispiel einer interdisziplinären Kunstbetrachtung.
 

Beg er Lan, Frankreich 2006; © Elger Esser

Beg er Lan, Frankreich 2006; © Elger Esser

 
Von ganz anderer Sorte ist das Werk Elger Essers, das jetzt ein neues Buch vorstellt. Erschienen ist „Eigenzeit“ zur ersten großen Museumsausstellung Essers, die bis zum 11. April im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen ist. Der 1967 geborene Absolvent der Klasse von Bernd und Hilla Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie ist ein „literarischer“ Fotograf: Seine zeitlos-melancholischen Landschaften entstehen in dichter Anlehnung an literarische Vorbilder – etwa an Marcel Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“. Vorgestellt werden unter anderem auch ganz neue Heliogravüren Essers, die man im Original gesehen haben sollte. Also: Auf nach Stuttgart!
 

Foto Boris Becker: Hochbunker Bochum

Boris Becker: Hochbunker Bochum

 
Ein anderer äußerst erfolgreicher Becher-Schüler ist der 1961 geborene Fotograf Boris Becker, dem der Dumont-Verlag nun ein umfangreiches Buch widmet. „Boris Becker. Photographien“ stellt Arbeiten von 1984 bis 2009 vor. Vor allem formale Strukturen interessieren Becker, der durch seine große Serie von Bunkerfotografien bekannt geworden ist.

Essers Schau ist die womöglich beste aktuelle Fotoausstellung im Süden. Und im Norden? Da empfehlen wir die Ausstellung, die gerade im Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen ist: Lillian Bassman und Paul Himmel. Bis zum 21. Februar stellt das Museum das einflussreiche Künstlerpaar vor. Die beiden New Yorker – beide aus Familien russischer Einwanderer stammend – fotografierten für „Vogue“ oder „Harper’s Bazaar“ und gerade die Arbeiten von Lilian Bassman bestechen in ihrem experimentellen Duktus und ihrer malerischen Eleganz noch heute.
 

Foto

Lillian Bassman und Paul Himmel vor ihrem Haus in New York, 2003; © Karin Kohlberg, 2003
 
 
Foto Lillian Bassman: A Report to Skeptics, Suzy Parker, 1952

Lillian Bassman; A Report to Skeptics, Suzy Parker, 1952. (Harper’s Bazaar, April 1952). Silbergelatine, 25,9 x 34,1 cm; © Lillian Bassman
 
 
Foto Paul Himmel; ohne Titel

Paul Himmel; ohne Titel (Das New York City Ballet tanzt „Schwanensee“), 1951-1952. Silbergelatine, 18,8 x 23,7 cm; © Lillian Bassman

 
92 Jahre ist die gebürtige New Yorkerin, die als Art Direktorin unter anderem mit Richard Avedon und Robert Frank zusammenarbeitete. „Was sie macht, hat eine geradezu magische Kraft“, so hat es Avedon einmal formuliert. Im Heidelberger Kehrer Verlag ist nun das Buch zur Hamburger Ausstellung erschienen. Ein wunderbarer Band, der die 1917 geborene Fotografin und den vor kurzem verstorbenen Paul Himmel umfassend vorstellt. Modefotografie muss nicht gefällig sein, muss nicht wie ein Verkaufsargument aussehen. Auch das lehrt uns dieses Buch über ein einzigartiges Künstlerehepaar.
 

Fotos Birgit Jürgenssen

Arbeiten von Birgit Jürgenssen

 
Abigail Solomon-Godeau, Elisabeth Bronfen, Sigrid Schade, drei der wichtigsten Vertreterinnen der feministischen Kunstgeschichte schreiben in der soeben erschienenen Monografie über Birgit Jürgenssen. Ein Werk, das entdeckt werden will: Die 2003 verstorbene Österreicherin rückte immer wieder den weiblichen Körper ins Zentrum ihrer Zeichnungen, Malereien und Fotografien.
 

Foto Arno Fischer: Ostberlin, Friedrichshain, 1956

Ostberlin, Friedrichshain, 1956. © Arno Fischer.

 
Überaus populär hingegen ist das fotografische Werk Arno Fischers, der neben vielen Porträts auch faszinierende Reisefotografien und sensible Polaroid-Aufnahmen des eigenen Gartens geschaffen hat. Anlässlich einer Tournee-Ausstellung des Instituts für Auslandsbeziehungen ist jetzt eine neue Monografie erschienen, die alle Werkgruppen des 1927 geborenen Fotokünstlers vorstellt. Doch auch hier empfehlen wir den Museumsbesuch: Das Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus zeigt die Ausstellung ab dem 18. Februar bis zum 25. April. (Zu Fischers Arbeiten siehe auch: Arno Fischer – eine Retrospektive.)
 

Foto Stefan Hunstein; Hannover

Stefan Hunstein; Hannover

 
Fotografie und Erinnerung, darum geht es stets im Werk des Münchner Fotokünstlers Stefan Hunstein. Jetzt ist bei Hatje Cantz sein neues Buch „Schön war’s!“ erschienen. Hunstein arbeitet – wie etwa auch Christian Boltanski – mit gefundenen Fotografien. „Das Foto ist ein Spielfeld und wir rationalisieren, objektivieren und fantasieren magisch in diesem Feld herum“, so hat er seine Idee des Bilder-Machens einmal beschrieben. Auch in seinem neuen Buch geht Hunsteins Blick zurück. Es sind die Sehnsüchte Nachkriegsdeutschlands, die der 1957 in Kassel geborene Fotokünstler unter die Lupe nimmt. Sein Ausgangsmaterial sind Ansichtskarten aus den 50er und 60er Jahren – Zeugnisse seiner Kindheit –, die Hunstein manipuliert und verändert: Er modifiziert die Komposition, wählt neue Ausschnitte, vergrößert, verkleinert, schneidet Teile aus, verändert das Format, koloriert neu, lässt eine andere, malerische Welt entstehen.
 

Foto aus „Venedig. Die Welt von gestern in Farbe“

Aus: „Venedig. Die Welt von gestern in Farbe“

 
Auch das Buch „Venedig. Die Welt von gestern in Farbe“ richtet den Blick zurück. Das im Verlag Christian Brandstätter erschienene Werk versammelt Bilder der Stadt Venedig um 1900: zum Zeitpunkt der Entstehung handkolorierte Fotografien, die eine Vorstellung erlauben, wie die Stadt damals „in Farbe“ aussah. Eine faszinierende Reise in die Vergangenheit.

(Marc Peschke)