Mit einem Appell für mehr Ehrlichkeit bei der Bildbearbeitung wendet sich die Gesellschaft Deutscher Tierfotografen (GDT) im besonderen an Tierfotografen: Die sollen sich doch bitte der authentischen Naturfotografie verpflichtet fühlen:

Der folgende Artikel ist weitgehend identisch mit dem Originalartikel, wie er in der November-Ausgabe der vom Tecklenborg Verlag herausgegebenen Zeitschrift Naturfoto erschienen ist; wir bringen ihn hier mit freundlicher Erlaubnis der GDT:

Bildmanipulationen bei Naturfoto-Wettbewerben

Natur pur oder Pixelschieberei?

Hinter den Kulissen der großen internationalen Naturfotowettbewerbe brodelt es in den letzten Jahren. Hintergrund ist die wachsende Zahl von zum Teil massiven Manipulationen an den eingereichten Bildern. Nicht immer wird dies seitens der Veranstalter öffentlich gemacht, was zu einer Verunsicherung in der Naturfotoszene geführt hat.
 
Die Gesellschaft Deutscher Tierfotografen (GDT) ist Veranstalter des Wettbewerbs „Europäischer Naturfotograf des Jahres“ (ENJ) und verleiht in diesem Rahmen gemeinsam mit dem Tecklenborg Verlag den „Fritz Pölking Preis“ und den „Fritz Pölking Nachwuchspreis“. Wir möchten Ihnen einen Einblick geben, was bei der Jurierung der Wettbewerbe geschieht und welche Folgen die Veränderungen durch die digitale Fotografie für die Wettbewerbe haben. Einige Mitglieder der diesjährigen Jury sollen an dieser Stelle ebenfalls zu Wort kommen.
 
Manipulation hat Konjunktur
Der Anteil der digitalen Einsendungen zum ENJ betrug 2005 noch 42,7 Prozent und hat sich bis 2009 auf 94,6 Prozent gesteigert. Das Tempo dieser Entwicklung war vor fünf Jahren kaum vorherzusehen. Während digitale Manipulationen der Bilddateien in den ersten Jahren der „digitalen Revolution“ eher selten vorkamen und auch vergleichsweise einfach nachzuweisen waren, ist in den letzten Jahren ein sprunghafter Anstieg von Bildern zu verzeichnen, bei denen klare Verstöße gegen die Wettbewerbsbedingungen erkennbar waren und die deshalb disqualifiziert werden mussten. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielschichtig. Es gibt Versuche vorsätzlicher Manipulation, die so gravierend sind, dass es die Juroren in den vergangenen Jahren zuweilen fassungslos machte. So wurden beispielsweise komplette Tiere in Bilder einkopiert oder gelöscht. Deutlich häufiger jedoch sind die Fälle von Verstößen gegen Wettbewerbsbedingungen, die auf Unachtsamkeit seitens der Bildautoren zurückzuführen sind. So geschieht es häufig, dass Bilder für Buchprojekte und Bildagenturen digital aufbereitet und hierbei Bildkorrekturen vorgenommen werden, die für die vorgenannten Zwecke durchaus legitim sein mögen, gleichzeitig aber klare Verstöße gegen die Wettbewerbsbedingungen darstellen.
 
Absicht oder Unachtsamkeit?
Die Einführung selektiver Korrekturmöglichkeiten in den RAW-Konvertern, insbesondere von Stempelwerkzeugen, begünstigt diese Entwicklung. Ein typisches Szenario sieht dann wie folgt aus: Der Fotograf bearbeitet seine RAW-Datei nach der Aufnahme, macht dabei großzügig Gebrauch vom Stempelwerkzeug, um Störendes aus dem Bild zu entfernen. Monate später bereitet er die Daten für einen Wettbewerb als JPG auf. Wenn er an dieser Stelle beim Öffnen des RAWs nicht noch einmal bewusst kontrolliert, ob er bereits Änderungen im RAW vorgenommen hatte (zum Beispiel über einen Blick auf das Protokoll in Photoshop Lightroom), wird versehentlich ein nicht wettbewerbskonformes JPG produziert. Solche Verstöße gegen die Wettbewerbsbedingungen sind sowohl bei Hobbyfotografen als auch bei bekannten Profis zu finden. Zumeist handelt es sich bei den „Manipulatoren“ auch um Wiederholungstäter. Wir wollen an dieser Stelle allerdings ausdrücklich darauf hinweisen, dass sich die weit überwiegende Anzahl der Fotografen an die Wettbewerbsbedingungen hält.
 
Hingucker aus der Retorte
Verblüffend und erschreckend ist, dass sich unter den durch die Jury vor der Kontrolle auf Manipulationen ausgewählten potenziellen Siegerbildern oft eine erhebliche Anzahl von Bildern befindet, die dann aufgrund von Verstößen gegen die Wettbewerbsbedingungen disqualifiziert werden müssen. Insoweit bleibt festzuhalten, dass offenbar manipulierte Bilder tatsächlich oft bessere Chancen bei den Juroren haben.
 
Konsequente Kontrolle
Daher ist eine konsequente Kontrolle auf Manipulationen seitens der Veranstalter dringend erforderlich, um Chancengleichheit unter den Wettbewerbsteilnehmern zu gewährleisten. Um es deutlich zu sagen: Wer bewusst manipulierte Bilder zu Wettbewerben einsendet, betrügt damit die ehrlichen Wettbewerbsteilnehmer, die Jury und die Öffentlichkeit! Ein Vergleich mit Doping im Sport ist nahe liegend. Letztlich geht es aber auch um den Ruf der Naturfotografie insgesamt. Die GDT steht für authentische Naturfotografie. In anderen Sparten der Fotografie sind digitale Montagen weit verbreitet und etabliert, wir möchten jedoch nicht, dass dies bald auch für die Naturfotografie gilt. Wir sprechen uns ausdrücklich für eine Kennzeichnungspflicht im Sinne von Fritz Pölking aus, wenn während oder nach der Aufnahme erhebliche Manipulationen vorgenommen wurden.
 
Manipulation definieren
Der Begriff einer digitalen Manipulation ist allerdings sehr dehnbar und richtet sich im Rahmen von Fotowettbewerben nach den jeweiligen Wettbewerbsrichtlinien der Veranstalter, die im Detail differieren und aufgrund der technischen Entwicklung laufend weiter entwickelt werden müssen. Bei allen seriösen Veranstaltern sind jedoch bestimmte einheitliche Grundregeln zu erkennen, darunter in erster Linie das Verbot, Bildelemente zu entfernen oder hinzuzufügen.
 
Zwei Beispiele
Die zwei Bildbeispiele, die hier zur Verdeutlichung der Problematik gezeigt werden, sind realen Einsendungen nachempfunden. Die wirklichen realen Beispiele finden Sie im Originalartikel, welcher in der November-Ausgabe der Zeitschrift Naturfoto, herausgegeben vom Tecklenborg Verlag, veröffentlicht wurde. Die realen manipulierten Einsendungen zum ENJ 2009 wurden durch die Jury zunächst als Siegerbilder in die Vorauswahl gewählt, mussten aber wegen digitaler Manipulation disqualifiziert werden. Besonders beliebt bei den digitalen Montagen sind Aufnahmen mit monochromen, zumeist weißen Hintergründen. In etlichen Fällen wurden hier komplette Hintergründe gelöscht oder größere störende Objekte entfernt. Wer einmal versucht hat, ausschließlich mit fotografischen Mitteln ein solches Ergebnis zu erzielen, weiß wie schwierig dies ist.
 

Beispiel Bildmanipulation; Fotos GDT

Störende Objekte im Hintergrund entfernt (Manipulation nachgestellt). Häufig werden bei monochromen Aufnahmen störende Objekte entfernt. Solche Manipulationen lassen sich in der Regel auch schon ohne den Abgleich mit der RAW-Datei nachweisen.
 
 
Beispiel Bildmanipulation; Fotos GDT

Selektives Einfärben, Tonwertänderungen. Erst die erheblichen Änderungen in der Bildbearbeitung machten aus dieser Aufnahme ein Bild, das eine Jury ansprechen könnte.

 
Betrügern auf der Spur
Bereits in der Vergangenheit hat die GDT Methoden entwickelt, Bilddateien vor einer möglichen Prämierung effektiv auf digitale Manipulation zu untersuchen. Letztlich war nach dem damaligen Stand der sich immer weiter entwickelnden Technik der finale Nachweis einer Manipulation nur durch den Vergleich mit der originalen RAW-Datei möglich. Diese wurden erstmals im Rahmen der Wettbewerbe 2008 bei Fällen von Verdacht auf Manipulationen bei den Fotografen angefordert. Ab diesem Jahr ist das Einreichen von RAW-Dateien bei den Wettbewerben der GDT wie auch bei den meisten anderen Veranstaltern obligatorisch. Im Zuge der technischen Entwicklung und dem wachsenden Bewusstsein für die Problematik der digitalen Bildmanipulation im Rahmen des Journalismus und der Kriminalistik existieren mittlerweile bereits zuverlässige Verfahren der digitalen Bildforensik, die es ermöglichen, auch bei JPG-Dateien eine Manipulation ohne Abgleich mit der RAW-Datei aufzudecken. Diese Verfahren werden zukünftig bei der Veranstaltung von Naturfotowettbewerben an Bedeutung gewinnen. Wir appellieren an alle Fotografen, bei Wettbewerbseinsendungen im Interesse eines fairen Wettbewerbs die jeweiligen Bestimmungen zur digitalen Bildbearbeitung sorgfältig zu beachten und die authentische Naturfotografie zu fördern.
 
Der Vorstand der GDT

(Thomas Block)