Marilyn Monroe fotografiert von Bert Stern im Jahr 1962 ist nur eine von ungezählten Nackten der Fotogeschichte. Das Nackte, der entkleidete Körper, das war schon immer ein Thema der Fotografie. Die Ausstellung „Nude Visions 150 Jahre Körperbilder in der Fotografie“ zeigt jetzt im Münchner Stadtmuseum die Geschichte der Aktfotografie:
Nackte Haut in München, von Anfang an: Etwa 250 Arbeiten zeigt die Ausstellung „Nude Visions“ und verdeutlicht damit eindrucksvoll die Entwicklung der Aktfotografie. Die von Ulrich Pohlmann kuratierte Schau aus dem eigenen Bestand der Fotosammlung beginnt mit den sogenannten „Akademien“ von Fotografen wie Louis Igout oder Auguste Belloc an Vorbildern der Antike und der Renaissance geschulte Bilder, die im 19. Jahrhundert Malern als Studienvorlagen dienten.
Gerhard Riebicke: Paar beim Ausdruckstanz, um 1930
Doch bald schon etablierte sich die Aktfotografie als eigenes Genre. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten unter freiem Himmel fotografierten Aktaufnahmen. Bilder jener Art, wie sie Wilhelm von Gloeden einige Jahre später auf meisterhafte Art verfeinerte.
Die symbolistische, weich gezeichnete Fotografie der Jahrhundertwende der Piktoralismus von Alfred Stieglitz etwa inszenierte den menschlichen Körper als Abbild von Seelenstimmungen. Einige Jahre danach kulminierte die naturistische Bewegung. Fotografen wie Gerhard Riebicke haben in den zwanziger und dreißiger Jahren noch vor der Umdeutung der Freikörperkultur durch das heroisch-dumpfe Körperideal des Nationalsozialismus jene Befreiung des Körpers in kraftvolle Bilder gegossen.
André Gelpke: Angelique aus dem Salambo, St. Pauli, Hamburg, 1976. / Rudolf Lehnert und Ernst Landrock: Künstlerische Aktstudie, um 1920.
Parallel dazu entstanden abstrakt-sachliche und surrealistische Experimente, die mit Collagen, Solarisationen und Mehrfachbelichtungen ein ganz anderes Körperbild vertraten, wie die Schau mit Bildern von Heinz Hajek-Halke, Marta Hoepffner, André Kertesz oder Karel Teige zeigt. Sattsam bekannt dagegen sind einige andere Exponate der Ausstellung, wie etwa jene Serie, die Bert Stern von Marilyn Monroe gemacht hat oder auch die Fotografien Uschi Obermaiers von Guido Mangold.
Interessant ist das beinahe vollkommene Ausblenden des Pornographischen in der Ausstellung. Stets waren die Grenzen zwischen Akt und Pornographie fließend, doch in München gibt es kaum etwas zu sehen, woran Sittenwächter ernsthaft Anstoß nehmen könnten. Als „Gratwanderung zwischen Aufklärung, Anregung und Schaulust“ wollen die Ausstellungsmacher die Schau verstanden wissen. Eine angenehm unspektakuläre Ausstellung, die der medialen Sex-Flut, der grotesken Ausleuchtung des Privaten, viele starke und schöne, aber eben auch weniger schöne Bilder entgegensetzt.
Anonym: Weiblicher Akt beim Fernsehen, 80er Jahre
Es ist die Authentizität des Körperlichen, die im digitalen Zeitalter aufs Neue herausfordert. Herlinde Koelbls Fotografie „Nina“, der von unzähligen Falten durchzogene Bauch einer alten Frau, Nahaufnahmen von behaarten Achselhöhlen, Hoden und Bäuchen, all das ist in Zeiten digitaler Hochglanz-Retuschen nicht eben oft zu sehen. Eines der neuesten Bilder der Ausstellung stammt von Juergen Teller und zeigt das Model Kristen McMenamy. Hart geblitzt, beim Umkleiden: ein Körper voller Blessuren, ganz weit weg vom Glamour-Ideal der Modewelt.
(Marc Peschke)
Ausstellung:
Nude Visions. 150 Jahre Körperbilder in der Fotografie
Bis 13. September
Münchner Stadtmuseum / Sammlung Fotografie
St.-Jakobs-Platz 1
80331 München
Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Buch:
Zur Ausstellung erscheint im Kehrer-Verlag, Heidelberg, eine von Ulrich Pohlmann und Rudolf Scheutle herausgegebene Publikation mit 220 Abbildungen sowie mit Aufsätzen von Margarete Gröner, Ulrich Pohlmann, Rudolf Scheutle und Petra Steinhardt:
Ulrich Pohlmann und Rudolf Scheutle
Nude Visions: 150 Jahre Körperbilder in der Fotografie (bei amazon.de)
Kehrer, Heidelberg
415 Seiten; Englisch, Deutsch
ISBN-13: 978-3868280852
19,95 Euro
Jan Mutsu: Tätowierter Mann, um 1955
Nachtrag (18.12.2009):
Nude Visions. 150 Jahre Körperbilder in der Fotografie
29. Januar 2010 bis 25. April 2010
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Steintorplatz
20099 Hamburg
Siehe auch:
Nude Visions. 150 Jahre Körperbilder in der Fotografie; Hamburg (in Termine)
Muss nicht sein
Ich war drin und das was hier auf der Page zu sehen ist sind schon die besten Fotos aus der Ausstellung.
Mein Urteil daher – muss nicht sein.
Aber wer will der darf gerne….