Ausschnitt aus „Von der Liebe zum Radfahren“Eine wahre Geschichte von Andrea Camilleri mit Bildern von Robert Capa

Andrea Camilleri, geboren 1925 im sizilianischen Porto Empedocle und heute in Rom lebend, ist einer der populärsten italienischen Schriftsteller. Sein erster Roman erschien bereits 1978, doch erst seine seit 1994 entstehenden Kriminalromane um den sizilianischen Commissario Montalbano machten ihn international bekannt. Jetzt ist sein Büchlein mit Fotografien von Robert Capa erschienen, das die letzten Kriegstage auf Sizilien in Erinnerung ruft.

Titelabbildung Von der Liebe zum Radfahren

Sizilien, das ist stets das eigentliche Hauptmotiv der Bücher von Andrea Camilleri. Porto Empedocle in der Provinz Agrigento, die Heimatstadt des Schriftstellers, die Naturschönheiten der Insel, die Städte, die Küche, die Sprache, vor allem aber die Charakterzüge der Menschen sind immer fester Bestandteil seiner Literatur. 14 Fälle hat Commissario Montalbano bereits zu lösen gehabt. Jetzt sei ihm und dem Schriftsteller eine Pause gegönnt.

Diese hat Andrea Camilleri genutzt, um ein kleines Büchlein zu veröffentlichen, das eine wahre Geschichte aus den Tagen der Befreiung Siziliens vom Faschismus erzählt. Und auch dieses Buch liest sich so spannend wie ein hervorragender Kriminalroman. Es spielt im Sommer des Jahres 1943 und beschreibt eine Fahrradfahrt des jungen Schriftstellers: eine Fahrt durch die zerbombte, verbrannte Heimat – auf der Suche nach dem Vater.

„Ich wäre gern ein Bänkelsänger geworden, einer von denen, die auf einem Platz singen und am Ende der Vorstellung den Hut herumgehen lassen. Ich bin auch so ein direkter Erzähler wie die“, hat Camilleri einmal über sich selbst gesagt – und das stimmt: Sein kurzer Text über die letzten Tage des Krieges auf Sizilien – es stehen sich deutsche und alliierte Truppen gegenüber – liest sich ganz und gar aus dem Leben gegriffen.

Diese gefährliche, spannende Fahrradfahrt wird illustriert von Fotografien Robert Capas, der die letzten Tages des Krieges eindringlich schildert. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete der Magnum-Mitbegründer als Kriegsberichterstatter für die Zeitschriften „Time“, „Life“ und „Collier’s“. Seine Bilder der Landung amerikanischer Soldaten in der Normandie wurden – wie auch seine Bilder des spanischen Bürgerkrieges – weltberühmt. Weniger bekannt ist das auf Sizilien entstandene Werk, das, wie sehen es beim Blättern, genauso dem großen Satz des Fotografen folgt: „Wenn Deine Bilder nicht gut genug sind, warst Du nicht nahe genug dran.“

Wie nah Capa auch auf Sizilien am Geschehen war, zeigen seine Fotografien, die Camilleris kurzen Text illustrieren: Bilder von Panzern, zerstörten Städten, den Kerben, die der Krieg in die Landschaft geschlagen hat. Bilder von flüchtenden Menschen schließlich, die ein anderes Zitat des 1913 in Budapest als Endre Ernó Friedmann geborenen Fotografen in Erinnerung rufen: „Der brennendste Wunsch eines Kriegsfotografen ist der nach Arbeitslosigkeit.“

Im Zentrum von Capas Kriegsfotografie steht stets der leidende Mensch, das einzelne Schicksal. Das Individuum. 1954, erst 40jährig, wurde Capa in Vietnam von einer Landmine getötet. Man wollte ihn auf dem Nationalen Heldenfriedhof in Washington begraben. Doch das wusste Capas Mutter zu verhindern. „Nicht mein Sohn“, soll sie gesagt haben. „Er war gegen Krieg.“

(Marc Peschke)

Ausschnitt aus Leseprobe „Von der Liebe zum Radfahren“

 
 
Andrea Camilleri
Von der Liebe zum Radfahren (bei amazon.de)
rororo Taschenbuch 2009
96 Seiten
ISBN 978-3-499-24988-4
8 Euro

Leseprobe „Von der Liebe zum Radfahren“ (PDF-Datei)