Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der Internetanbieter zur Sperrung von Seiten mit kinderpornografischen Inhalten verpflichten soll, sieht sich scharfer Kritik ausgesetzt. Hauptkritikpunkt aus dem Kreis der Sachverständigen: mögliche Grundrechtsverletzungen
Der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen (siehe Netzsperren gegen Kinderpornografie) ist auch im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie am Mittwoch, 27. Mai 2009 scharf kritisiert worden. Der Entwurf sieht vor, dass Internetanbieter zur Sperrung von Seiten mit kinderpornografischen Inhalten verpflichtet werden. Derartige Seiten soll parallel das Bundeskriminalamt (BKA) in einer Sperrliste aufführen.
Zum einen wird vom Kreis der Sachverständigen aus Verbänden, Behörden und Juristen bemängelt, dass in dem Gesetzentwurf nicht klar festgelegt würde, was mit den gesammelten Daten geschehen soll. Andererseits werde nicht in angemessener Weise berücksichtigt, dass zahlreiche Personen unabsichtlich auf kinderpornographische Seiten geraten können, etwa durch Internet-Fallen wie Spam oder Phishing.
Im Wesentlichen wurde von den Sachverständigen – darunter auch der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) und der Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. (ECO) – die Ineffizienz der geplanten Maßnahmen kritisiert. So müsse zunächst gegen die Anbieter der Inhalte vorgegangen werden, bevor Zugangserschwerungen für die Nutzer erwogen würden.
Vereinzelt wurde dem Bund bereits die Gesetzgebungskompetenz für das geplante Gesetz abgesprochen, ebenso wie die Verwaltungskompetenz, das BKA mit der Führung der so genannten „Sperrliste“ zu betrauen.
Die Ergebnisse der Sachverständigenanhörung zeigen viele Mängel eines legislatorischen Schnellschusses auf. Der größte scheint die kaum zu erkennende Systematik zu sein: die Gefahr erheblicher Grundrechtsverletzungen wird hingenommen, um vereinzelte Endnutzer von dem Konsum kinderpornografischer Bilder abzuhalten. Die Wurzel des Problems darf hingegen – mangels technischer Reife der Maßnahmen – weiter wuchern.
(RA Alessandro Foderà-Pierangeli*)
* Der Autor ist Rechtsanwalt in Mainz mit Tätigkeitsschwerpunkt im Medienrecht / www.fodera-legal.de
Der Artikel ist missverständlich
Meines Erachtens fehlt ein wichtiger Punkt im Artikel: Ist denn der alleinige Aufruf einer gesperrten Seite schon strafbar oder nicht?
Das Internetanbieter den Zugriff auf Kinderporno-Angebote sperren halte ich für grundsätzlich richtig. Die Frage ist aber, was danach kommt (Extremismus? Pornographie? Ballerspiele?…).
DNS-Sperren
Interessant finde ich in diesem Zusammenhang den folgenden Artikel der Heise-Redaktion: http://www.heise.de/newsticker/Webseiten-mit-Kinderpornografie-lassen-sich-schnell-aus-dem-Internet-entfernen–/meldung/139427 Tenor: Strafbare Inhalte lassen sich in den meisten Fällen ebenso leicht über die Provider aus dem Netz nehmen wie die DNS-Auflösung über die BKA-Listen verhindern. Erfahrungen mit schon jetzt bestehenden Sperrlisten zeigten, dass überwiegend legale Inhalte gesperrt würden.
Es spricht wohl wenig dafür, strafbare Inhalte im Netz zu belassen und statt dessen die recht leicht zu umgehenden DNS-Sperrlisten zu etablieren. Es sei denn, es ist a) blanker Aktionismus (also Wahlkampf) oder b) es geht tatsächlich darum, später auch ganz andere unliebsame Inhalte zu filtern.
Gast schrieb:
Meines
[quote=Gast]Meines Erachtens fehlt ein wichtiger Punkt im Artikel: Ist denn der alleinige Aufruf einer gesperrten Seite schon strafbar oder nicht?
Das Internetanbieter den Zugriff auf Kinderporno-Angebote sperren halte ich für grundsätzlich richtig. Die Frage ist aber, was danach kommt (Extremismus? Pornographie? Ballerspiele?…). [/quote]
Wer zufällig auf eine Kinderporno Website gerät,macht sich noch nicht strafbar.Mit einem mehrfachen “zufälligen” Anklicken kann man durchaus ins Visier der Polizei geraten und in Erklärungsnöte kommen.
http://www.kinderschrei.de/kinderpornographie-was.htm
Background
[quote=Gast]Meines Erachtens fehlt ein wichtiger Punkt im Artikel: Ist denn der alleinige Aufruf einer gesperrten Seite schon strafbar oder nicht?[/quote]
Zumindest muss man mit Strafverfolgung rechnen, wie ein Sprecher des Justizministeriums gegenüber Heise Online sagte:
“Staudigl bestätigte in diesem Kontext, dass jeder Nutzer mit Strafverfolgung rechnen muss, wenn er dabei beobachtet wird, eine geblockte Webseite abzurufen” (Quelle: http://www.heise.de/newsticke/meldung/136769, 25.04.2009)
Und das geht schneller, als man glaubt: http://netzpolitik.org/2009/moderne-abenteuer-prefetching-linkverkuerzer/
[quote=Gast]Das Internetanbieter den Zugriff auf Kinderporno-Angebote sperren halte ich für grundsätzlich richtig.[/quote]
Sperren auf Zugangsebene sind keine Lösung. Zum einen sind sie leicht zu umgehen, zum anderen bleibt der Dreck im Netz und die Betreiber werden auch noch gewarnt. Das hilft genau keinem Opfer, im Gegenteil. Im Prinzip sind Sperren auf Zugangsebene wie ein Sichtschutz, wo vor dem Durchgang eine Leuchtreklame “Hier Kinderporno!” hängt ,(
[quote=Gast]Die Frage ist aber, was danach kommt (Extremismus? Pornographie? Ballerspiele?…). [/quote]
Wenn die Infrastruktur (also die Technik, die eine zentrale Einrichtung von Sperren ermöglicht), wird das im Rahmen von Störerhaftung und einstweiligem Rechtsschutz recht fix gehen, die Zweckbindung im geplanten Gesetz ist da komplett aussen vor: http://www.heise.de/newsticker/meldung/137868
Sperrverfügungen gegen Betreiber von Sportwetten haben die Länder NRW und Hessen bereits angekündigt, frei zugängliche Pornographie und politische Extremisten (Rechts, Links, Islamisten) sind als Gefährder natürlich auch ganz vor auf der Wunschliste. Ballerspiele und Gameserver wird es mittelfristig wohl über die Jugendgefährdung erwischen.
Ich empfehle zum Thema http://ak-zensur.de/ und http://www.zeichnemit.de/ zu besuchen.