FotoDie japanische Metropole Tokio ist immer noch ein Sehnsuchtsort für westliche Künstler. Auch den Magnum-Fotografen Jacob Aue Sobol zog es nach Tokio, wo er seinen Bildband „I, Tokyo“ fotografierte. Ein raues, unversöhnliches Buch:

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Rau, grobkörnig, voller Leidenschaft und Direktheit. So sind die Schwarzweißfotografien des Kopenhagener Magnum-Fotografen Jacob Aue Sobol, der 2008 mit dem „Leica European Publishers Award For Photography“ ausgezeichnet wurde. Im Frühjahr 2006 zog er gemeinsam mit seiner japanischen Freundin nach Tokio – und stürzte sich ins Leben. Es sind vor allem die Außenseiter, die ihn interessierten: die Obdachlosen und Strichjungen im Rotlichtbezirk Kabukicho, Liebespaare beim Sex, die Menschen auf der Straße, die wilde Jugend der Stadt, die sich fern jeder Tradition immer neu definiert: All das zeigt er auf drastische, schmerzvolle, aber überaus intime Art und Weise.

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Jacob Aue Sobol ist voller Neugierde, geht ganz nah ran an seine Protagonisten – wählt ungewöhnliche Ausschnitte und radikale Nahansichten. Zeigt jede Pore der Haut, Narben, Pickel und Wunden und kontrastiert diese grobkörnigen Bilder immer wieder mit anderen: Da sieht man altes Essen auf einem Teller, einen blühenden Baum, eine tote Ratte im eigenen Blut, dann wieder zwei Menschen beim Liebesspiel, eine abgetrennte Fischflosse, eine Hochhausarchitektur: Er beherrscht es auf ungewöhnliche Weise, Bilder gegeneinanderzustellen und gerade dadurch zum Sprechen zu bringen.

Ganz deutlich wird, wie sehr der 1976 geborene Fotograf selbst Teil seiner Bilderwelt ist. Er nimmt sich nicht aus, im Gegenteil, will, so sagt er selbst, Tokio zu seinem Tokio machen. Doch dieses Buch erzählt auch von den Hindernissen und Fremdheiten, von der überwältigenden Einsamkeit und Isolation des Fotografen und seiner Protagonisten. „Einige derjenigen, die ich fotografierte, wurden meine Freunde, mit anderen teilte ich nur einen kurzen Moment“, sagt Jacob Aue Sobol. Doch jene irrationale Momenthaftigkeit, die viele der in dem jetzt erschienenen Band „I, Tokyo“ versammelten Fotografien verbindet, ist gerade die Stärke. Wuchtig kommt diese Fotografie daher, unvorhergesehen: wie ein unvermittelter, plötzlicher Schlag ins Gesicht.

(Marc Peschke)

Titelabbildung I, Tokyo

 
 
Jacob Aue Sobol
I, Tokyo (bei amazon.de)
112 Seiten. 70 Abbildungen. Gebunden
Edition Braus 2008
ISBN 978-3-89904-340-2
39.90 Euro
 
 
Siehe auch: Jacob Aue Sobol bei Magnum