Die Finanzkrise wird mit zeitlicher Verzögerung den Einzelhandel erreichen. Insolvenzverwalter richten sich auf ein arbeitsreiches Jahr ein. Die Entwicklung der nächsten Monate wird auch den Fotofachhandel beeinflussen:

Die Wirtschaftskrise soll bis Mitte dieses Jahres ihren Höhepunkt erreicht haben, so will es die offizielle Sprachregelung. Einige Wirtschaftsexperten rechnen mit einer Besserung der Lage erst für den Jahresanfang 2010. Wobei die Auswirkungen der Finanzkrise die anderen Branchen, vor allem den Arbeitsmarkt, mit einer zeitlichen Verzögerung von mehreren Monaten treffen.

Die Einzelhandelsnachrichten aus den USA schrecken auch viele Beobachter in Europa auf. So musste die zweitgrößte amerikanische Elektronikkette Circuit City mit 30.000 Mitarbeitern Insolvenz anmelden. Die größte amerikanische Foto-Handelskette Ritz Camera Centers Inc. musste im Februar ebenfalls einen Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechts stellen. In Großbritannien hat es Woolworth erwischt und den Briten wird ein Konsumstreik bescheinigt.

Auch namhafte Unternehmen des deutschen Einzelhandels kämpfen mit sinkenden Umsätzen, setzen Kurzarbeit an oder schließen ganz. Dabei handelt es sich größtenteils um Unternehmen, wie zum Beispiel Hertie, die bereits seit einigen Jahren um das Überleben am Markt kämpfen. Die Schuld allein bei der Finanzkrise zu suchen wäre zu einfach. Das Überstehen der Krise fällt gesunden Unternehmen natürlich leichter als einem bereits angeschlagenen.

Der deutsche Fotofachhandel hat in den vergangenen Jahren bereits einen Konzentrationsprozess (z.B. Foto Porst zu Ringfoto, Photohaus Besier und Foto Oehling) durchlaufen. Eine besondere Herausforderung vor allem für mittelständische Betriebe ist nach wie vor das Bestehen des stationären Einzelhandels gegen den Internethandel und gegen Billigmärkte auf der grünen Wiese. Daher ist die Auszeichnung 2008 von Foto-Video Sauter, München, mit dem wichtigsten deutschen Handelspreis, dem Berliner Bären, auch ein positives Zeichen für den gesamten Fotofachhandel.

Der Consumer Electronics Marktindex der GfK (PDF-Datei) zeigt, dass die Absätze für Digitalkameras zahlenmäßig im Jahr 2008 um 9 % gestiegen sind. Jedoch fielen die Umsätze um 7,8 % im vergangenen Jahr und der Durchschnittspreis einer Digitalkamera fiel um 15,5 % auf 203 €. Dies schmerzt vor allem den Fotofachhändler, geht ein sinkender Verkaufspreis doch auch zu Lasten seiner Marge. Zudem verschärft der Preiswettbewerb der Kamerahersteller auch den Wettbewerb der Händler untereinander. So profitieren vor allem Händler, die im Verbund auftreten, von gemeinsamen Werbemaßnahmen und konnten bislang Zuwächse im Fotobereich erzielen (Euronics wächst mit Unterhaltungselektronik). Die Preisschraube wird sich auch 2009 am Markt weiter nach unten drehen.

Der Branchenverband BITKOM geht in seiner aktuellen Umsatzprognose für das Jahr 2009 von einem Halten des Vorjahresniveaus in Deutschland aus. In einer repräsentativen Umfrage, die der BITKOM monatlich zur Einschätzung der Umsatzentwicklung vornimmt, stellen 44 % der befragten Unternehmen fest, dass sie bereits die Auswirkungen der Finanzkrise in Form von Umsatz- und Auftragsrückgang spüren. Seit Oktober 2008 (13 %) ist die Zahl der Unternehmen, die die Krise hautnah spüren sprunghaft gestiegen. Immerhin merken 55 % der Unternehmen noch nichts von einer Krise und der Anstieg ist seit Januar 2009 merklich abgeschwächt. BITKOM rechnet für das Marktsegment digitale Unterhaltungselektronik (Consumer Electronics) mit um 2,5 % schrumpfenden Umsätzen im laufenden Jahr. Die Zeiten der großen Wachstumsraten mit digitalen Medien sind schlichtweg vorbei.

Eine ähnliche Entwicklung wird der Einzelhandel in Österreich erleben. Der Preisverfall im österreichischen Fotohandel führte in 2008 ebenfalls zu einem Umsatzrückgang. Die Computer- und Fotohandelskette Niedermeyer steht in Österreich wohl zum Verkauf. Zwischenzeitlich bekundete der Fotoverbund Ringfoto Interesse an einer Übernahme, die aber letztlich am Kaufpreis scheiterte.

Die Schweiz scheint bislang resistent gegen die Krise zu sein. Die Konsumausgaben sind entgegen der Entwicklung in Deutschland und Österreich nicht so stark rückläufig. Eine Studie der Credit Suisse bescheinigt der Schweiz einen kaufkräftigen Markt, der dicht besetzt von einem reifen Detailhandel (Bezeichnung für Einzelhandel) auf Kosten von Mitbewerbern bedient wird. Insbesondere der Lebensmitteleinzelhandel galt bislang als gut abgeschottet. Dies ändert sich mit dem Markteintritt von Lidl, der Mitte März geplant ist. Ansonsten können vor allem die großen, finanzkräftigen Marktspieler in der Schweiz, wie Migros, Coop, Media Markt und Interdiscount bestehen. Die kleineren Fachhändler, vor allem im Unterhaltungselektronik-Bereich, werden es in der Schweiz 2009 schwer haben. Der Schweizer gilt als gesättigter Konsument, der nicht dringend notwendige Ausgaben schlichtweg weit in die Zukunft verschiebt.

Natürlich kann die Krise auch herbeigeredet werden. Unbestritten ist jedoch, dass in Zeiten der Wirtschaftskrise der Konsument besonders preisbewusst ist und sich in Kaufzurückhaltung übt. Profiteure der aktuellen Lage sind die Discounter und die großen Elektrohandelsketten wie Media Markt und Saturn (Geiz erobert Elektrohandel zurück). Die „Geiz ist Geil“- Mentalität wird wieder salonfähig. Zusätzlich verschärft der Staat die Lage, indem die Abwrackprämie die Konsummittel vom klassischen Einzelhandel weg, hin zum Autohandel umlenkt. Der mittelständische Fachhändler, womöglich in Innenstadtlage, hat schwer dagegen zu kämpfen. Zumal, wenn ehemalige Zugpferde, wenn große Warenhäuser wie Hertie oder KarstadtQuelle in den Innenstädten schließen. Die Innenstädte verwaisen, die grüne Wiese boomt. Eine Entwicklung, die unabhängig von der Wirtschaftskrise voranschreitet, aber dadurch begünstigt wird.

(agün)