Foto Andreas GurskyAndreas Gursky, Superstar. Gurskymania! Seit Jahren schon. Er ist der teuerste Fotokünstler der Welt, stellt in den größten Museen aus. Seine Werke sind nicht nur Kennern bekannt, sondern locken – das ist ungewöhnlich für einen Fotografen – ganze Familien in die Museen. In Krefeld ist jetzt eine Werkauswahl zu bestaunen:

Andreas Gursky, als Sohn eines Werbefotografen 1955 in Leipzig geboren, studierte von 1978 bis 1981 an der Universität-Gesamthochschule Essen Visuelle Kommunikation bei Otto Steinert und Michael Schmidt. Anschließend, noch wichtiger für seine künstlerische Entwicklung, bei Bernd Becher an der Kunstakademie in Düsseldorf. Gursky gehörte mit Axel Hütte, Jörg Sasse, Thomas Struth, Candida Höfer oder Thomas Ruff zu der ersten Generation jener Becher-Schüler, die in den neunziger Jahren international Karriere machen sollten.
 

Foto Andreas Gursky

 
Schon kurz nach Abschluss des Studiums folgte der Aufstieg des Fotografen. Er begann mit Porträts von Pförtnern, bald entstanden Architekturfotografien, Stadtansichten, Fabriken, Freizeitzentren, aber auch stille Landschaftsaufnahmen, die er oft im Rheinland fand. Früh entschied sich Gursky für das große Format, den distanzierten, strengen Blick, eine hohe Präzision der Abbildung und die digitale Bearbeitung seiner Bilder – ganz im Gegensatz zu der Fotografie seiner Lehrer.

Von Anfang an stehen Gurskys Arbeiten im Spannungsfeld von Dokumentarismus und Inszenierung. Gursky geht stets von der Wirklichkeit aus, fotografiert analog mit der Großbildkamera, doch arrangiert er seine Bilder am Computer neu, nimmt digitale Eingriffe vor, vergrößert bestimmte Teile, montiert zusammen und sorgt damit für Irritationen. „Am Anfang waren es nur kleinere Eingriffe, die aus kompositorischen Gründen vorgenommen wurden“, so Gursky. „Mittlerweile gibt es komplette Bilderfindungen, die sich aus vielen einzelnen Details zu einem komplexen Bildganzen zusammenfügen.“
 

Foto Andreas Gursky

 
Immer wieder fotografiert Gursky an öffentlichen Plätzen und Orten, bei Boxkämpfen, Demonstrationen, bei Techno-Raves, in Börsen wie der „Chicago Board Of Trade“, der „New York Mercantile Exchange“ oder der „Symex Singapore“, in Fußballstadien oder bei Popkonzerten. Es ist vor allem die Konsumwelt, die fetischisierte Produktwelt, die Gursky immer wieder zum Thema seiner Arbeiten macht. Oft ist es dabei die Anonymität, die den Fotografen interessiert. Dabei ist es kennzeichnend, dass Gursky zumeist darauf verzichtet, ein bestimmtes Detail zu betonen. Seine Kompositionen sind „flächig“, alles hat dieselbe Bedeutung. Der Mensch verschwindet oft in seinen Kompositionen wie etwa bei jenem Bild, das eine Choreographie für den nordkoreanischen Diktator Kim Jong II zeigt. Der Mensch: eine Ameise, ein Miniatur-Statist, ein anonymes Bild-Teilchen, Requisite, Ornament, Dekoration.

Ein „Meister des Monumentalen“ wurde Gursky immer wieder genannt. Er fotografierte kunterbunte riesige Wohnhaus-Komplexe wie etwa La Défense in Paris, die nächtlichen Lichter eine Metropole, eine Korbflechter-Manufaktur in Vietnam, Hafenanlagen oder auch einen amerikanischen Discounter – doch so groß, so bunt, so mächtig, wie man es noch nie gesehen hatte. Thomas Weski, Kurator am Münchner Haus der Kunst, wo 2007 eine Retrospektive zu sehen war, brachte es so auf den Punkt: „Gursky macht Gänsehaut.“
 

Foto Andreas Gursky

 
Gursky schafft nicht weniger als ein neues Sehen. „Meine Bilder sind immer von zwei Seiten komponiert“, sagt Gursky selbst. „ Sie sind aus extremer Nahsicht bis ins kleinste Detail lesbar. Aus der Distanz werden sie zu Megazeichen.“ Jene Megazeichen, man sieht es etwa auch bei einer neuen Werkgruppe, die im Frankfurter Club „Cocoon“ entstanden ist, verfolgen eine Strategie der Überwältigung. Der Betrachter soll immer wieder aufs Neue überwältigt werden. Sie sind mit großer Schärfentiefe aus der Distanz aufgenommen, oft von oben, zeigen stets etwas, was der Mensch sonst nicht sehen könnte – und feiern in unendlicher, übermenschlicher Perfektion ebendas, was sie zeigen.

Die übergreifende Zustimmung, die Gurskys Werk seit Jahren schon erfährt, ist ungebrochen: In diesem Jahr wurde der Fotograf (nach Künstlern wie etwa Henry Moore, Max Ernst, Joseph Beuys, Anselm Kiefer, Georg Baselitz, Christo oder Jörg Immendorf) mit dem renommierten „Goslarer Kaiserring“ ausgezeichnet. In der Begründung der Jury war zu lesen, seine Bilder „sprengen die verengte Perspektive des individuellen Betrachters“.

In den Krefelder Kunstmuseen Haus Lange und Haus Esters ist jetzt eine Auswahl von etwa 150 Arbeiten zu sehen, die bis in Gurskys Studienzeit an der Folkwang Hochschule Essen zurückreichen. Ein im Verlag Hatje Cantz erschienenes Buch begleitet die Ausstellung.

(Marc Peschke)
 
 
Ausstellung:
Andreas Gursky. Werke 1980 – 2008.
Krefelder Kunstmuseen
Haus Lange und Haus Esters
Wilhelmshofallee 91-97, 47800 Krefeld
Öffnungszeiten: Di – So 11 – 17 Uhr
24., 25., 31. 12. geschlossen, 26. 12. 2008 und 1. 1. 2009 geöffnet
Bis 25. Januar 2009

Buch:
Martin Hentschel (Hrsg.)
Andreas Gursky. Werke 80-08 (bei amazon.de)
272 Seiten. Gebunden. 174 farbige Abbildungen
Hatje Cantz 2008
ISBN 978-3-7757-2338-1
€ 39,80