Drei neue Fotobände untersuchen den Alltag. Den Alltag auf den Straßen Rostocks, den Alltag in vier Hochhäusern in Zürich, und die alltägliche Gewalt in Korea:
Das nicht Geschönte, das ganz Alltägliche. Das ist das Thema von drei neuen Fotobüchern. Das erste kommt aus dem Rostocker Hinstorff-Verlag und versammelt Bilder von Gerhard Weber ein Fotograf, der sich vor allem in Mecklenburg-Vorpommern schon lange einen Namen als Autor stiller, bedächtiger Schwarzweißfotografien gemacht hat.
Weber ist ein Fotograf, der sein Glück auf den Straßen Rostocks findet. Hier oder in den Hinterhöfen der Stadt entstehen seine Bilder. Sie sind nachdenklich, manchmal von leisem Humor durchzogen: spielende Kinder, alte Menschen, Männer bei der Arbeit. Menschen, die man mit Sympathie betrachtet. Solche Bilder ziehen uns an, weil sie in ihrer sensiblen Annäherung selten geworden sind.
Gerhard Weber
Fotografien (bei amazon.de)
Mit einem Text von Thorsten Ahrend
Gebunden. 144 Seiten mit 120 Abbildungen
Verlag Hinstorff. Rostock 2008
ISBN 978-3-356012-77-4
24,90 Euro
Eine andere interessante Neuerscheinung spielt nicht auf der Straße, sondern im Hochhaus in den vier Hochhäusern der „Hardau“ in Zürich, die in den siebziger Jahren gebaut wurden und heute als heimliches Wahrzeichen der Stadt gelten. Die Zürcher Grafikerinnen und Fotografinnen Julia Ambroschütz und Jeannine Herrmann haben der Hardau jetzt ein eigenes Buch gewidmet vor allem ihren Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die dennoch ihr Wohnort eint. Sie stehen im Zentrum dieses wundervoll gedruckten und gestalteten Bandes, erzählen in Texten von ihrem Leben davon, was ihnen „Heimat“ bedeutet. Und: Sie sind die Protagonisten sehr schlichter, intimer Farbporträts, die in einer leerstehenden Wohnung fotografiert wurden. Abgerundet wird der spielerisch gestaltete und dabei formvollendete Text-Foto-Band durch düstere Schwarzweißaufnahmen der Hochhausarchitektur.
Julia Ambroschütz & Jeannine Herrmann
Hardau. Claro que sí, c’est comme ça, c’est la vie (beim Salis Verlag)
Gebunden. 120 Seiten
Salis Verlag. Zürich 2008
ISBN 978-3-905801-21-7
44 Euro
NOH Suntag; Red House I – III, Fotoserie, 2003 – 2007
„State of Emergency“ ist der Titel eines Buchs des südkoreanischen Fotokünstlers NOH Suntag, dessen Arbeiten vor kurzem im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart zu sehen waren. Alltag, das ist in seiner Heimat ein permanenter Ausnahmezustand: „State of Emergency“. Seine Bilder, die in Nord- und Südkorea entstehen, erzählen von militärischer Präsenz, von ideologischen Extremen, von gewalttätigen Situationen, die den Alltag bestimmen.
Was an Suntags Arbeit fasziniert, ist das Miteinander des Dokumentarischen und seiner Liebe zu strengen Kompositionen, zur virtuosen formalen Ausgestaltung. Voller Drama und Schönheit sind diese Bilder, sie könnten aus Filmen stammen und doch zeigen sie die grauenvolle Wirklichkeit. Die Massen im Stadion von Pjöngjang, die Demonstrationen von Bauern gegen Enteignungen des US Militärs, die gepanzerten Polizisten, den Turbokapitalismus im Süden, die militärische Erziehung all das gießt Suntag in Fotografien, welche den Alltag der koreanischen Gesellschaft mal als subtil, dann als offen gewalttätig zeichnen.
NOH Suntag
State of Emergency (bei amazon.de)
Englisch, Deutsch
Gebunden. 264 Seiten
Verlag Hatje Cantz. Ostfildern 2008
ISBN 978-3775722612
39,80 Euro
(Marc Peschke)