Foto Baldur BurwitzFoto José Cura, Bettlerin in MailandDer argentinische Tenor José Cura und die berlinische Neue Gesellschaft für Bildende Kunst widmen sich dem Alter; mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen:

Es gibt erstaunliche Doppelbegabungen in der Welt der Kunst und Kultur, doch, um es kurz zu machen, der argentinische Star-Tenor José Cura gehört nicht unbedingt dazu. Sein erster Fotoband „Espontáneas – Photographs by José Cura“, jetzt erschienen bei dem eigentlich seriösen Schweizer Verlag „Scheidegger & Spiess“, ist ein Zeugnis öder Mittelmäßigkeit.
 

Foto José Cura, Bettlerin in Mailand

José Cura, Bettlerin in Mailand

 
So furios sich Curas Karriere als Sänger an den großen Opernhäusern der Welt entwickelt – vielen gilt er heute als bester Tenor überhaupt –, so stimmen seine seit 1998 entstandenen Schwarzweißfotografien ein wenig ratlos. Porträts und Augenblicke fotografiert der 1962 im argentinischen Rosario geborene, heute in Spanien lebende Sänger auf seinen Tourneen, Bettler und Einsame auf der Straße, Bilder, die beinahe jeder ambitionierte Hobby-Fotograf in seinem Portfolio hat. Einsamkeit und Alter ist sein Thema, ein wichtiges, natürlich – doch warum muss man es so beleuchten, wie es schon Tausende zuvor getan haben?
 

Foto José Cura, Alter Mann auf dem Platz vor der Scala

José Cura, Alter Mann auf dem Platz vor der Scala

 
Es gibt keine persönliche Bildsprache, nichts, was die meisten der abgebildeten Fotografien zu etwas wirklich Besonderem machen würde. Cura scheint es selbst zu ahnen, deshalb gibt er seinen Bildern Zitate von Schriftstellern, Philosophen oder Wissenschaftlern bei. Die Texte sollen Fotografien mit Bedeutung füllen, die allzu oft leer, so viele Male gesehen wirken. Ein hübsch gestaltetes Fotobuch eines begnadeten Sängers. Mehr nicht. Fans des virilen Opern-Stars wird dieses Buch trotzdem interessieren.
 

Foto von Annegret Soltau

Annegret Soltau, Generativ (Mutter Tochter Großmutter)

 
Wer sich tiefer mit dem Thema des Alters beschäftigen möchte, dem sei der profunde Ausstellungskatalog „Ein Leben lang – Die Kunst des Alterns“ der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst in Berlin empfohlen. Dieser hält weitaus stärkere Bilder bereit. Etwa jene des 1920 geborenen amerikanischen Fotografen John Coplans, der sich sein Leben lang mit den Veränderungen des eigenen Körpers beschäftigt hat. Ein ähnliches Konzept verfolgt die Darmstädter Fotografin Annegret Soltau.
 

Foto Baldur Burwitz

Baldur Burwitz, Looping, 2006. Installationsansicht

 
Die 1980 geborene Künstlerin Regine von Felten dokumentiert in Foto-Überzeichnungen mit Filzstift das Leben ihrer Großmutter im Altersheim. Peter Granser illustriert in „Sun City“ das gruselig-fröhliche Leben in einer Senioren-Siedlung in Arizona. Zusätzlich beinhaltet der Katalog noch Beiträge zur Dimension von Altersbildern in Kunst und Medien, über die Darstellung des Alters im Film, zur Arbeitsproduktivität älterer Menschen – und schließlich über Vergesslichkeit und Demenz.

(Marc Peschke)
 
 
José Cura

Espontáneas – Photographs by José Cura
(bei amazon.de)
Texte in Englisch
Gebunden. 160 Seiten. 95 schwarzweiße Abbildungen
ISBN 978-3-85881-193-6
CHF 69 / 45 Euro
 
 
Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin
Ein Leben lang – Die Kunst des Alterns (zu beziehen über die NGBK)
145 Seiten. Broschiert
Berlin 2008
ISBN 978-3-938515-19-8
16 Euro