Foto Nan Goldin; New York Drag Queens (Cody in der Garderobe der Boy Bar); 1991; © Nan GoldinEs gibt es immer wieder Besonderes zu entdecken. Diese Kolumne will Anregungen geben. Ganz subjektiv und ausdrücklich ohne System:

Nehmen wir an, Sie leben in Berlin und interessieren sich für Fotografie. Wenn Sie sich nun entschließen, einen nur ungefähren Eindruck von dem haben zu wollen, was zur Zeit so läuft, dann werden Sie – versprochen – scheitern müssen. Anders gesagt: Wird das nicht langsam zuviel? Gibt es nicht zu viele Ausstellungen? Zu viele Messen? Zu viele Symposien? Zu viele Künstlergespräche, Foto-Auktionen und Buchvorstellungen? Und dann noch all die „Sommerakademien“! Wer kann hier noch einen Überblick behalten? Denn ist es nicht das, was wir alle wollen: Überblick?

Foto Nan Goldin; New York Drag Queens (Cody in der Garderobe der Boy Bar); 1991; © Nan Goldin

Ein Blick etwa auf das lohnenswerte Fotokunst-Portal www.photography-now.de bestätigt schnell die Befürchtung: Hunderte von bisweilen unglaubwürdig beliebigen Fotoausstellungen in Galerien, Kunstvereinen, Museen und anderen Ausstellungshäusern buhlen um die Gunst des Publikums. Doch besucht man dann wirklich eine von diesen Schauen und Retrospektiven, dann ist man fast immer der Einzige – außer, man hat noch eine Begleitung dabei. Werktags ist ein Museum üblicherweise so leer wie ein Fußballstadion 90 Minuten NACH dem Spiel.

Doch sollte man nicht lamentieren. Besser zu viele Fotoausstellungen als zu wenige, oder? Schließlich gibt es immer wieder auch Besonderes zu entdecken. In diesem Sinn will diese neue Monats-Kolumne Anregungen geben. Ganz subjektiv und ausdrücklich ohne System. Will den Blick einmal nach da und dann nach dort richten. Und gerne auch mal in die Luft.

Zum Anfang fahren wir nach Berlin: Wer sich etwa am 30.7. in der Hauptstadt aufhält, dem empfehlen wir einen Vortrag zum Thema: „Das Tier im Blick der Fotografie“. Gehalten wird dieser um 19 Uhr von Janos Frecot, dem ehemaligen Leiter der Fotosammlung der Berlinischen Galerie, im Kunstforum der Berliner Volksbank. Einige Tage zuvor, schon am 6.7., wird ein Dia-Vortrag bei C/O Berlin um 15 Uhr das Werk von Jacob Holdt vorstellen: „Bilder aus Amerika 1970 bis 1975“ (die Ausstellung läuft bis zum 13.7.2008).

Foto Jacob Holdt; Untitled from the series United States 1970 - 1975

Von Berlin ist es nicht weit nach Leipzig: Vom 16. bis zum 20. Juli ist dort die zweite Ausgabe des „f-stop Festival“ zu sehen – ein internationales Festival für Fotografie. Und wenn man schon mal in Leipzig ist – und Zeit hat – dann könnte auch gleich die jährliche Diplomausstellung in der Hochschule für Grafik und Buchkunst bestaunen (16. Juli bis zum 9. August).

Und schließlich unsere Fotoausstellung des Monats: Die ist ganz im Süden, in der Pinakothek der Moderne in München vom 18. Juli bis zum 26. Oktober zu bewundern: „Female Trouble“ heißt die Gruppenausstellung, die Künstlerinnen wie Cindy Sherman, Sarah Lucas, Pipilotti Rist oder Monica Bonvicini vorstellt. „Die Ausstellung ‘Female Trouble’ bietet erstmalig im deutschen Sprachraum einen pointierten Überblick zum Wandel des Frauenbildes anhand von Fotografie und Videokunst“, versprechen die Kuratoren.

Und da ist es wieder, das schöne, komische Wort: „Überblick“. Uns wird, mal wieder, ein Überblick versprochen. Vergessen Sie es! Wir müssen endlich akzeptieren, dass es heute mehr als schwierig geworden ist, den Überblick zu behalten. Schlichtweg unmöglich. Also: Befreien Sie sich vom Überblicks-Wahn! Schließlich will man im Sommer ja auch andere Sachen tun, als nur Fotoausstellungen anzusehen.

(Marc Peschke)
 
 
Rechts oben: Nan Goldin; New York Drag Queens (Cody in der Garderobe der Boy Bar); 1991; © Nan Goldin
Links unten: Jacob Holdt; Untitled from the series United States 1970 – 1975; © Jacob Holdt