Ausschnitt aus einer Photopictur von Marc Lüders

Manche Ideen sind so zwingend, künstlerisch so wertvoll, dass sie zum vorrangigen künstlerischen Mittel werden. Marc Lüders, 1963 in Hamburg geboren, fand dieses Ausdrucksmittel in seinen „Photopicturen“

… die vor kurzem etwa im „The Brno House of Art“ in Tschechien oder im Kunstverein in Dortmund zu sehen waren – und nun Gegenstand einer Einzelausstellung in seiner Hamburger Galerie Levy sind.
 

Photopictur Marc Lüders

Photopictur Marc Lüders

 
„Photopicturen“, das sind übermalte Fotografien, eine ungewöhnliche Fortsetzung des kreativen Mit- und Gegeneinanders von Fotografie und Malerei. Dabei verfolgt Lüders eine ganz eigensinnige Strategie: Denn bei ihm ist es nicht die Fotografie, die echter, authentischer wirkt, sondern das, was er auf diese malt. „Augentäuschungen“ wurden seine Werke genannt – sie sind Absagen an den vermeintlich dokumentarischen Charakter des Fotografischen.

Zuerst waren es indifferente, graue Wesen, die Lüders in fotografierte, schwarzweiße Innenräume malte, dann eroberte sich Lüders zusehends den farb-fotografischen Raum. Dann waren es Tiere, die er in Landschaften setzte, schließlich erweiterte er die Übermalung in eine gestisch-abstrahierende, irreale Richtung. Eine Frage dieser Kunst ist: Können wir der Fotografie trauen? Diese kann man – das ist nichts Neues – getrost verneinen.

Die Fotografien von Innenräumen, urbanen Randzonen, Industrie-Brachen oder Waldlandschaften, so könnte man meinen, hätten hier allenfalls dienenden Charakter. Sie würden nur den Hintergrund bieten, die Bühne der gemalten Szenen im Vordergrund, Bühne für die Menschen, die so sonderbar verloren an diesen Orten wirken. Doch das ist nicht richtig: Die besondere Qualität der Arbeiten von Marc Lüders liegt genau darin, dass Fotografie und Ölmalerei zu einem neuartigen Bildraum verschmelzen. Und das ist das Paradoxe: Gerade in dieser Verschmelzung der Medien stellt Lüders ihre Fremdheit, ihr grundsätzlich verschiedenes „Funktionieren“, nur um so deutlicher aus.
 

Photopictur Marc Lüders

 
Jetzt sind in der Galerie Levy neue Arbeiten unter dem Titel „East Side Gallery“ zu sehen. Arbeiten, die Fotografien integrieren, die der Künstler in der East Side Gallery in Berlin nahe der Oberbaumbrücke fotografiert hat. Die East Side Gallery ist ein 1990 von 118 Künstlern aus 21 Ländern bemaltes Stück der Berliner Mauer, ein künstlerischer Kommentar auf die politischen Veränderungen der Wende-Jahre. Wenn Lüders heute den Mauerstreifen fotografiert und fiktive Besucher vor die mittlerweile stark sanierungsbedürftigen Graffiti-Kunstwerke stellt, dann macht das auch hinsichtlich der drohenden Neuerschließung des begehrten Geländes Sinn.

Die bröckelnde, sich zusehends auflösende East Side Gallery wird es im sich rasant verändernden Berlin (Stichwort: „Investorenprojekt Mediaspree“) wohl bald nicht mehr geben. Nicht mehr in Wirklichkeit, wohl aber als imaginäre, intermediale Lüders’sche „Photopictur“.

(Marc Peschke)

Ausstellung:
Marc Lüders: East Side Gallery
31.3.-22.5.2008
Galerie Levy
Mo-Fr 10-18 Uhr und nach Vereinbarung
Osterfeldstrasse 6 · D-22529 Hamburg
Tel 040 · 45 91 88

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog