Havanna in Architekturfotografien von Bodo Tuengler, die vor allem den vor-revolutionären Bauboom der 50er Jahre zeigen:
Die schlafende Schöne, Havanna, ist reichlich bekannt, könnte man meinen. Millionenfach fotografiert, beinahe: zu Tode fotografiert. Aufpolierte, chromblitzende Straßenkreuzer in Pastellfarben vor bröckeligen, verwitterten Kolonialfassaden – das ist das Bild, das wir von Havanna haben. Fotografen haben sich in der 2-Millionen-Metropole am karibischen Meer stets mit dem Verfall beschäftigt, mit der melancholischen Schönheit, die im Verfallenen liegt. Die barocke und klassizistische Kolonialarchitektur, aber auch Jugendstil und Art déco prägen unser Bild der im 16. Jahrhundert gegründeten Stadt, die seit 1982 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört und seitdem (unter der Leitung des Historiador de La Ciudad Eusebio Leal Spengler) saniert und renoviert wird.
In dem kleinen Bändchen, das jetzt im Berliner Jovis Verlag erschienen ist, sehen wir andere Bilder: Bodo Tuengler, Fotograf aus Berlin, beschäftigt sich vor allem mit der kubanischen Architektur-Moderne, mit dem vor-revolutionären Bauboom der 50er Jahre, der teilweise von internationalen Architekturbüros realisiert wurde.
Gerade vom Malecón, der berühmten Uferpromenade Havannas, kann man die Bauten jener Zeit sehen. Eine Skyline im Dornröschenschlaf, wie Alejandro Alonso in seinem fachkundigen, doch etwas ungelenk übersetzen Essay geschrieben hat: große Hotels wie das Habana Riviera, Kinopaläste, Villen und Mehrfamilienhäuser, Apartments, Bürogebäude oder auch Kirchen, die etwa im Stadteil El Vedado entstanden. Tropische Zeugnisse des International Style.
Havanna ist historisch und modern, schreibt Alonso – und Tuengler fotografiert eine heterogene Stadt: den Wandschmuck im Hotel Habana Riviera, die maroden Balkone am Gebäude des Gesundheitsministeriums, Fassadendetails, aber auch Interieurs, das Metallrelief mit dem Antlitz Che Guevaras an der Fassade des 1953 bis 1954 erbauten Rechnungshofes, in dem heute das Innenministerium seinen Sitz hat, den Glockenturm der Iglesia de Nuestra Señora del Rosario aus dem Jahr 1954, eine Tankstelle an der Calle San Lázaro im Zentrum, eine Sportanlage oder auch den kühn gewölbten Club Náutico, der das Cover ziert. Allesamt farbenfrohe, aufschlussreiche Architekturfotografien, welche die Stadt in einem neuen Licht zeigen, denen aber doch etwas fehlt: eine eigene Note, das besondere Etwas, was über eine qualitätvolle Dokumentation herausreicht.
Ein wenig problematisch ist auch die Druckqualität: Manche der Arbeiten sind schlichtweg unscharf, wie etwa das Detail einer Treppe eines Gebäudes in El Vedado, außerdem sind viele der Bilder allzu winzig wiedergegeben. Trotzdem sollte der Band seine Käufer finden: die Schnittmenge zwischen Kuba-Fans und Liebhabern der Architektur der 50er Jahre dürfte nicht allzu klein sein.
(Marc Peschke)
Jochen Visscher (Hrsg.): Bodo Tuengler
Havana. The Sleeping Beauty
(bei amazon.de)
Deutsch / Englisch / Spanisch. Mit einem Essay von Alejandro Alonso
Hardcover. 96 Seiten mit 120 Farbabbildungen
16 x 16 Zentimeter
Jovis Verlag, Berlin 2007
ISBN 978-3-939633-36-5
EUR 16 / SFR 28
Persönliche Begeisterung!
Ja, das ist wirklich mal eine andere Perspektive. Die geschwungenen Bauten der 50er, im Boom der 60er hier bei uns sang und klanglos untergegangen zwischen all den Pseudobauhäuseln, die eine ausgerastete Mischpoke von Nachkriegsbauherren und auftragsgeilen Architekten daneben und darüber gequetscht hat. Architektur und Möblierung mit feinen Schwüngen und lustigen Farbornamenten. Hier konserviert und nun wieder entdeckt. Mit der Kamera, mit dem Auge. Erst die ganz frische Moderne nimmt mit Hilfe von Computer und Phantasie zugleich, den Formenkanon aus dieser Zeit wieder auf. Wollen wir hoffen, dass noch vieles hinüber gerettet werden kann.
Hundertwasser
Der hatte auch “feine Schwünge” in seiner Architektur. Warum also in die Ferne schweifen….
ja also
http://www.photoscala.de/grafik/2007/Havana-1.jpg
hier hätt ich mal ne hdi-aufnahme gemacht, dann wäre der kontrast nicht so krass und die farben besser und die deteils etc
Ging bestimmt gar nicht …
… da der Fotograf wahrscheinlich mit Großformatkamera und Filmmaterial, womöglich Dia, gearbeitet hat. Da ist der Belichtungsumfang einfach begrenzt.