Physiker haben kürzlich die extremen Widerstandsänderungen in Metall-Sauerstoff-Verbindungen entschlüsselt: Restrictive-RAM, eine neuartige Form nichtflüchtigen Datenspeichers mit höherer Speicherdichte bei geringeren Produktionskosten als Flash, könnte in einigen Jahren marktreif sein:
Göttingen – Einem internationalen Team von Physikern ist es gelungen, die Ursachen von extremen Widerstandsänderungen in Metall-Sauerstoff-Verbindungen zu entschlüsseln. Das Verständnis dieses Effekts kann nun dafür genutzt werden, neuartige Formen von nichtflüchtigen Datenspeichern zu entwickeln. Diese neuen Speicher können als Ersatz für Flash in USB-Sticks bzw. Handys dienen, berichtet der Wissenschaftler Christian Jooß, der die Arbeit am Institut für Materialphysik der Georg-August-Universität Göttingen leitet. Gegenüber aktuell verwendeten Flash-Speichern zeichnet sich Resistive-RAM durch eine höhere Speicherdichte bei gleichzeitiger Senkung der Produktionskosten aus.
Bestimmte Metall-Sauerstoff-Verbindungen wie beispielsweise Manganat weisen besondere Eigenschaften in ihrer Stormleitfähigkeit auf. Ihr elektrischer Widerstand lässt sich durch äußere Einflüsse wie Magnetfelder, Licht oder Druck um bis zu zehn Größenordnungen ändern. Manganat lässt sich dadurch von einem Leiter in einen Isolator verwandeln. Dieser Effekt ist für die Speicherung von Daten nutzbar. Die Bits werden dabei in unterschiedlichen Widerstandzuständen abgelegt. Das Schreiben erfolgt durch kleine elektrische Impulse, berichten die Forscher.
Grundlegendes Problem beim physikalischen Verständnis dieser Effekte, die als kolossale Widerstandsänderungen bezeichnet werden, ist die hohe Komplexität der Elektronenzustände in diesen Materialien. Manganate zeigen in besonders ausgeprägter Weise ein korreliertes Verhalten der Elektronen. Sie beeinflussen sich gegenseitig durch starke elektrische und magnetische Kräfte. Darüber hinaus verursachen sie bei ihrer Bewegung eine Verschiebung der Atome aus den idealen Positionen des Kristallgitters, das sich mit dem Elektron mitbewegen kann. Diese mit dem Feld ihrer Gitterverzerrung bekleideten Elektronen sind in der Physik auch als Polaronen bekannt.
Schematische Darstellung des Experiments zur Entschlüsselung der Mechanismen von Widerstandsänderungen in Manganaten: Mittels einer extrem genau positionierbaren Nanospitze im Elektronenmikroskop konnte eine Verbindung zwischen den elektrischen Eigenschaften und der räumlichen Anordnung der bekleideten Elektronen (Polaronen) sichtbar gemacht werden. (Grafik: Uni Göttingen)
Die Physiker haben nun einen Durchbruch im Verständnis der Bewegung und Ordnung von Polaronen als wesentliche Ursache für kolossale Widerstandsänderungen in Manganaten erzielt. Mit Hilfe moderner Elektronenmikroskopie konnte eine räumlich geordnete periodische Anordnung der bekleideten Elektronen nachgewiesen werden. Die Polaronen kristallisieren zu einem periodischen Muster, was zu einer starken Unterdrückung ihrer Beweglichkeit führt. Dadurch verwandeln sich die Manganate in einen Isolator. Wird dieser geordnete Polaronenkristall durch ein äußeres elektrisches Feld relativ zu den Gitteratomen in Bewegung gesetzt, zerfällt er nach einiger Zeit in einen ungeordneten Zustand, wodurch die sogenannte Polaronenflüssigkeit entsteht. Damit einher geht eine drastische Verringerung des elektrischen Widerstands. Durch eine extrem genau positionierbare Nanospitze im Elektronenmikroskop konnte dieser Prozess unmittelbar sichtbar gemacht werden. Damit haben wir das Funktionsprinzip demonstriert, so Jooß.
Bis Speichermedien auf Basis dieser Technik arbeiten, wird es allerdings noch einige Jahre dauern. Derzeit verfügen die Forscher über kleine Prototypen, allerdings müssen noch viele technische Details verbessert werden, sagt der Wissenschaftler. Dennoch sind die Vorteile gegenüber Flash-Memory deutlich. Bei Flash braucht man pro Bit eine Kapazität und einen Transistor, bei unserem neuen Prinzip nur noch eine Kapazität pro Bit. Damit gibt es ein gutes Potenzial für eine höhere Speicherdichte und Verbilligung. Außerdem sind die Schreibspannungen deutlich kleiner. Statt neun Volt werden nur ein bis zwei Volt benötigt, erläutert Jooß.
(pressetext / Andreas List)