Neuentdeckungen klassischer Reportage-Fotografie, gleich zwei Bücher über New York, Ausstellungen in Frankfurt, München und Hamburg – auch diesmal wieder ist Foto-Frisch prall gefüllt mit dem, was uns auffiel in den letzten Wochen. Dass dabei auch das vermeintlich Nebensächliche Thema sein soll, zeigt in diesem Fall ein ganz kleiner Band aus einem ganz kleinen Verlag, der Schrebergärten in Leipzig vorstellt. Denn darum soll es auf diesen Seiten auch immer gehen: die Augen zu öffnen für Entdeckungen jenseits des Mainstreams:

 

Foto Bill Perlmutter, Children Waving at U.S. Tanks, Germany, 1956

Bill Perlmutter, Children Waving at U.S. Tanks, Germany, 1956
 
 
Foto Bill Perlmutter, Grandmother and Child, Spain, 1956

Bill Perlmutter, Grandmother and Child, Spain, 1956

 
Bill Perlmutters Bilder, jetzt erstmals im Buch „Through a Soldier’s Lens. Europe in the fifties“ in Deutschland publiziert, sind eine Entdeckung, wie sie selten geworden ist: Der heute in New York lebende Fotograf reiste seit 1954 durch Europa – als Auftragsfotograf der US-Armee. Seine mit einer Rolleiflex in Deutschland, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien entstandenen Fotografien offenbaren das fotografische Gespür eines echten Meisters, dennoch ist er in Europa beinahe unbekannt. Der schön gestaltete Band könnte das ein wenig ändern. Er begleitet eine Ausstellung der Hamburger Galerie Hilaneh von Kories, wo noch bis 15. August Perlmutters Arbeiten zu sehen sind.
 

aus: „On Photography“

 
Ein sehr ungewöhnliches Fotobuch ist Martin Fengels Band „On Photography“, das ebenfalls gerade erschienen ist. Auf Einladung des Münchner Fotokünstlers verfassten verschiedene Autorinnen und Autoren Texte, die ganz anders sind, als jene, die man sonst in Fotobüchern liest. Sie alle sind beseelt von einer sehr privaten Sicht auf das Werk Fengels – hier gebündelt in einem wirklich erstaunlichen Künstlerbuch.
 

Foto Thomas Hoepker

Foto: Thomas Hoepker
Photo © 2013 Thomas Hoepker / Magnum Photos

 
 
Foto Thomas Hoepker

Foto: Thomas Hoepker
Photo © 2013 Thomas Hoepker / Magnum Photos

 
Thomas Hoepkers Buch „New York“ zeigt auf 120 Seiten eine Stadt im Wandel. Der ehemalige „Magnum“-Präsident, der seit vielen Jahren in New York lebt, hat die Stadt seit den frühen sechziger Jahren fotografiert. Der Band versammelt Erstaunliches, versteckte Ecken – und offenbart die Liebe des Fotografen zu seinem Sujet. Bis zum 31. August 2013 präsentiert die Leica Galerie Frankfurt Arbeiten Hoepkers.
 

Foto Nicolaus Schmidt
 
 
Foto Nicolaus Schmidt

Fotos: Nicolaus Schmidt

 
Bleiben wir in New York. Die Stadt, die niemals schläft, ist auch ein Ort, an dem Haare geschnitten werden. Der vielleicht schönste Platz, sich eine neue Frisur verpassen zu lassen, ist der „Astor Place Barbershop“ am Broadway, wo 50 Friseure aus aller Welt arbeiten – ein ganz besonderer Salon, der 1947 gegründet wurde. Nicolaus Schmidt gelingt es in seinem Buch, die unvergleichliche Atmosphäre einzufangen. Der Text stammt von Starfriseur Udo Walz.
 

Fotos Dietrich Oltmann
 
 
Fotos Dietrich Oltmann

Fotos: Dietrich Oltmann

 
Und noch einmal Fotografie als Dokumentation: Dietrich Oltmanns Buch „Arche bauen“ erinnert an die Schrebergarten-Kultur im Osten Deutschlands. Noch in den neunziger Jahren, so zeigt uns der Fotograf, waren die Gärten Beispiele eines wunderbaren Chaos. Gebaut wurde mit allem, was man sich irgendwie organisieren konnte. Dementsprechend phantasievoll war die Gestaltung. Heute geht dieser ursprüngliche Charme nach und nach verloren – es überwiegen Baumarkt-Angebote. Gleichförmigkeit macht sich breit.
 

Foto Philip-Lorca diCorcia, Wellfleet, 1993

Philip-Lorca diCorcia, Wellfleet, 1993
 
 
Foto Philip-Lorca diCorcia, Ike Cole, 1990-92

Philip-Lorca diCorcia, Ike Cole, 1990-92
 
 
Foto Philip-Lorca diCorcia, The Hamptons, 2008

Philip-Lorca diCorcia, The Hamptons, 2008

 
Einer der bedeutendsten Fotografen der USA. ist derzeit in Frankfurt zu sehen. In der Schirn Kunsthalle wird eine Schau von Philip-Lorca diCorcia präsentiert, die von einem Katalogbuch begleitet wird. Der 1951 geborene, in New York lebende diCorcia ist ein Fotokünstler, dem es gelingt, Bilder von geheimnisvoller Präsenz zu schaffen, die aufwändig inszeniert werden. Sie zeigen nur scheinbar den Alltag – ihr Dokumentarismus ist Fiktion.
 

 
Und noch eine dritte Ausstellung in Frankfurt möchten wir in diesem Monat empfehlen – ebenfalls in der Schirn. „Glam! The Performance of Style“, untersucht bis zum 22. September das Phänomen des Glamour in der Kunst. Gezeigt werden unter anderem auch die surrealen Modefotografien von Guy Bourdin, das Werk von Gilbert & George, die existenziellen Fotoarbeiten von Nan Goldin, die Pop-Art von Allen Jones und die androgynen Selbstinszenierungen von Jürgen Klauke.

Kurator Darren Pih von der Tate Liverpool hat, in Frankfurt unterstützt von Matthias Ulrich, eine Ausstellung zusammengestellt, die an eine Zeit erinnert, in der vieles möglich erschien. Cross-Dressing, sexuelle Uneindeutigkeit, die Künstler wie David Bowie oder Marc Bolan auszeichnete, all das ist seit vielen Jahren ein Dauerbrenner der Popkultur. In der Kunst ist es schwieriger, „Glam“ zu benennen. Ein schönes Beispiel ist etwa der in London lebende Mode- und Werbefotograf Juergen Teller. Sind seine Bilder „Glam“? Oder negieren sie die Idee von Glamour und Schönheit? Zur Ausstellung ist auch ein Buch erschienen.
 

Foto Harry Callahan: Detroit, c. 1943

Harry Callahan: Detroit, c. 1943
© The Estate of Harry Callahan. Courtesy Pace/ MacGill Gallery, New York
 
 
Foto Harry Callahan: Providence, 1978

Harry Callahan: Providence, 1978
© The Estate of Harry Callahan. Courtesy Pace/ MacGill Gallery, New York

 
Von Frankfurt nach München. Im dortigen Stadtmuseum zeigt man bis zum 27. Oktober eine Ausstellung von Harry Callahan. Der 1999 verstorbene Fotograf ist in Europa eher unbekannt, Ausstellung und Buch sind Teil einer Neubestimmung des Werks eines Mannes, der zu den innovativsten Fotografen der amerikanischen Fotogeschichte gezählt werden darf.
 

Christoph Kniel und Ilja Mess, Dina, 24; Saratow, Russland

Dina, 24; Saratow, Russland
© Christoph Kniel & Ilja Mess

 
 
Foto Christoph Kniel und Ilja Mess, Dina, 22; Saratow, Russland

Dina, 22; Saratow, Russland
Fleischverkäuferin in der Markthalle
© Christoph Kniel & Ilja Mess

 
In den vergangenen Jahren haben immer wieder Fotobücher den Versuch unternommen, das Leben von Jugendlichen ins Bild zu setzen. In „Love Peace Hope“ von Christoph Kniel und Ilja Mess porträtierten die beiden Fotografen junge Erwachsene in Russland, der Türkei und Marokko. Ihnen gelingen dabei spannende Porträts, aber sie offenbaren hier auch einen genauen Blick auf gesellschaftliche Strukturen. Abgerundet wird der Band durch kurze Interviews mit den Porträtierten.
 

Foto Carlos Crespo
 
 
Foto Carlos Crespo

Fotos: Carlos Crespo

 
In seinem Band „Badain Jaran. Die vergessene Wüste“ entführt uns der Schweizer Fotograf Carlos Crespo ins Grenzgebiet zwischen China und der Mongolei. 50 000 Quadratkilometer Salzseen und Sandberge – eine einzigartige Ödnis, wie dieses Buch zeigt, das die Landschaftsfotografien mit Porträts mongolischer Wüstennomaden vereinigt.

Am Ende von Foto-Frisch steht wie immer eine Empfehlung, Fotokunst käuflich zu erwerben. Man kann in Onlinegalerien fündig werden, bei Fotokunst-Galerien, auf Kunstmessen, in Auktionshäusern, bei Kunsthändlern – oder auch in den Ateliers der Künstler selbst. Wir möchten Ihnen Arbeiten vorstellen, die wir für sammlungswürdig halten – angeboten von seriösen Galerien, Verlagen oder Händlern.
 

Collector’s Edition, Christoph Kniel und Ilja Mess, „Aydin“    Collector’s Edition, Christoph Kniel und Ilja Mess, „Dina“

Collector’s Edition, Christoph Kniel und Ilja Mess, „Aydin“ und „Dina“

 
Diesmal empfehlen wir die Collector’s Edition aus dem Buch „Love Peace Hope“ von Christoph Kniel und Ilja Mess. Mit zwei C-Prints – „Dina“ und „Aydin“ – Blattformat 18 x 24 cm, in einer Auflage von 50 + 2 Exemplaren. 85 Euro.
 
 
Ihnen ein schönes Wochenende.

(Marc Peschke)