Logo Schneider-Kreuznach1913 wurde die »Optische Anstalt Jos. Schneider & Co.« gegründet. Sie firmiert heute als »Jos. Schneider Optische Werke GmbH« und hat die vergangenen 100 Jahre als eines von wenigen deutschen Fotounternehmen erfolgreich überdauert:

Anlässlich einer Sonderausstellung des Schloßparkmuseums in Bad Kreuznach in Kooperation mit Schneider-Kreuznach entstand folgender Text von Dr. Oliver Ramonat; er ist mithin so etwas wie eine offizielle Festschrift:

Die Familie Schneider und die »Optischen Werke«

Das Unternehmen wurde 1913 von Joseph Schneider (1855-1933) gegründet. Sein Vater Johann hatte das Küferhandwerk erlernt und betrieb gemeinsam mit seiner Frau in der Mannheimer Straße eine Gastwirtschaft und Brauerei. Joseph besuchte die Mittelschule in der Klappergasse und begann eine kaufmännische Lehre im »Manufakturwarenhaus« Schloßstein. Von einem Seidenwarenhaus in Frankfurt am Main ging er in das reiche und blühende Odessa, wo er im Getreidehandel tätig war. Am 27. September 1866 heiratete er die Weinhändlertochter Josefine Oster. 1877 übersiedelten beide nach Springfield, Ohio (USA), wo er die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm.
 

Foto Hans-Joseph Schneider mit seiner Mutter Margarete (ca. 1970)

Hans-Joseph Schneider mit seiner Mutter Margarete (ca. 1970)
Foto: Schneider-Kreuznach

 
Nach dem Tod seines Vaters führte Hans-Joseph Schneider (1926-1989) das Unternehmen gemeinsam mit seiner Mutter Margarete (Gretel) Schneider (1895-1996). 1981 wurde das Unternehmen von ihnen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 1982 ging es dann nach einem Konkurs an den bisherigen Anteilseigner und Aufsichtsratsvorsitzenden Heinrich Manderman (1922-2002) über.

Schneider-Kreuznach 1913 – 2013

1912 / 1913 Gründung der »Optischen Anstalt Jos. Schneider & Co.« durch Joseph Schneider und seinen Sohn Josef August Schneider. Anregung dazu gab ein Patent von Josef August Schneider, das er 1910 anmeldete: »Einrichtung an einem Cinematografen mit stetig bewegtem Bild zum optischen Ausgleich der Bildwanderung mittels zweier gleichläufig und synchron bewegter polygonaler Trommeln«.
 

Grafik / Druck der Villa Schneider mit Werk (ca. 1913)

Grafik / Druck der Villa Schneider mit Werk (ca. 1913)
Bestand: Schneider-Kreuznach

 
Das Unternehmen mit Sitz in der Stromberger Straße spezialisierte sich auf die Produktion von Objektiven, bis hin zu Kinoprojektionsobjektiven. Bis 1914 waren 43 Angestellte und Arbeiter beschäftigt. 1918 beschäftigte man an die 400 Menschen. In dieser Zeit wurde auch der Umzug in die neuen Hallen in der Hofgartenstraße erforderlich.

20er-Jahre
Die Wirtschaftskrise brachte stark schwankende Umsatzzahlen. Das 100.000ste Objektiv wurde 1925 – rechtzeitig zum 70. Geburtstag von Joseph Schneider – gefertigt. Dann ging es langsam aufwärts, bis 1928 verließen weitere 100.000 Objektive das Werk und schon 1932 konnte das 500.000ste Objektiv gefeiert werden. Eine besondere Rolle spielte hier das Objektiv »Xenar«.
 

Foto Hans Joseph Schneider (links) und Josef August Schneider (ca. 1948)

Hans Joseph Schneider (links) und Josef August Schneider (ca. 1948)
Foto: Schneider-Kreuznach

 
30er-Jahre
Nach dem Tod von Joseph Schneider 1933 übernahm sein Sohn Josef August Schneider die Firma. Die Gleichschaltung aller Unternehmen begann unmittelbar nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933. Schon zuvor hatte die NSDAP ideologisch gegen »Großkonzerne« und »Kapitalisten« mobil gemacht. Der als typisch propagierte »deutsche Unternehmer« – ein altväterliches Ideal des weisen Lenkers – wurde zum »Betriebsführer«. 1934 wurde das »Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit« erlassen. Für die »Optischen Werke« musste ein neues Arbeitsgesetz erlassen werden, das die NS-Zwangsmaßnahmen zu berücksichtigen hatte.

1938 erfolgte die Einweihung des neuen Gebäudes an der Ringstraße, das Werk beschäftigte etwa 450 Mitarbeiter.
Das 1.000.000ste Objektiv

40er-Jahre
Im Krieg war das Unternehmen zu Fertigungen für die Firma Zeiss gezwungen. Erneut, wie schon während des Ersten Weltkrieges, wurde es »kriegswichtig«. Unter die allgemeinen politischen Zwänge fielen auch die Beschäftigung von Zwangsarbeitern und Zulieferungen für die »Wehrmacht«. Unter diesen Bedingungen wahrte der damalige Chef Josef August Schneider bürgerliche Tugenden und ließ sich von den neuen Machthabern nicht völlig vereinnahmen. Dem Kriegsende folgten Monate der Unsicherheit unter dem Damoklesschwert der Demontage wichtiger Anlagen und Einrichtungen.
 

Foto Erster Einsatz von Computern (Zuse Z 22) zur Berechnung der Objektive (1956)

Erster Einsatz von Computern (Zuse Z 22) zur Berechnung der Objektive (1956)
Foto: Schneider-Kreuznach

 
50er-Jahre
Die Wirtschaft in Westdeutschland hatte rasch wieder Fuß gefasst, es folgten Jahre des Aufschwungs mit erheblichen realen Wachstumsraten. Das 5.000.0000ste Objektiv wurde für einen aufstrebenden Massenmarkt der privaten Fotografie gefertigt. Schneider-Kreuznach war 1956 eines der ersten Unternehmen, in denen Computer zum Einsatz kamen.
 

Foto der Linsenlackiererei bei Schneider Kreuznach um 1960

Die Linsenlackiererei bei Schneider Kreuznach um 1960
Foto: Schneider Kreuznach

 
60er-Jahre
Die Objektive von Schneider-Kreuznach, vor allem im Zoom- und Großformatbereich, verkauften sich sehr gut. Bei der Super-8-Technik war das »VARIOGON« – eines der erfolgreichsten Objektive in den 1960er-Jahren überhaupt – Stand der Technik. Im gesamten Zeitraum von 1948 bis 1967 wurden 8 Millionen Objektive von Schneider-Kreuznach gefertigt. Das 10.000.000ste Objektiv: ein TV-Objektiv aus der »Variogon«-Reihe.
 

Foto Lunar Orbiter fotografiert erstmals die Erde aus der Nähe des Mondes (23. August 1966)

Lunar Orbiter fotografiert erstmals die Erde aus der Nähe des Mondes (23. August 1966)
Aufgenommen mit einem Xenotar 2,8/80 mm
Foto: NASA

 
Das Jahrzehnt der Raumfahrt stand auch im Zeichen der Technik von Schneider-Kreuznach. Für ihre bemannten Raumfahrtmissionen kaufte die NASA ab 1962 einen Großteil ihrer Objektive bei Schneider-Kreuznach. Die ersten Bilder von der Erde entstanden mit Schneider-Objektiven mit 45 und 75 Millimeter Brennweite, auch die Lunar-Orbiter-Sonden hatten jeweils ein Schneider-Objektiv »Xenotar« an Bord.

70er-Jahre
Ein weiteres Standbein wurden die weit verbreiteten Super-8-Kameras, die es erstmals für den Privatbereich ermöglichten, bewegte Bilder festzuhalten. Ende der 1970er-Jahre verfügten rund 77% aller deutschen Haushalte über einen Fotoapparat; Foto und Film (Super-8) waren zu einem Massenphänomen geworden. Aufnahmeobjektive für TV-Kameras hielten die Olympischen Spiele 1976 in Innsbruck fest. Schneider machte seinen »TV-Service« mobil. Auf zahlreichen Messen präsentierte Schneider seine leistungsfähigen Kameraobjektive.

Seit 1975 ist die digitale Berechnung von Objektiven ein wesentliches Werkzeug bei der Entwicklung. Auch im Bereich Messtechnik ist Schneider-Kreuznach innovativ. Messanlagen werden selbst hergestellt, da es Geräte mit einer vergleichbar hohen Messgenauigkeit am Markt nicht gibt.

80er-Jahre
Bald war es jedoch damit vorbei – die Konkurrenz aus Fernost wurde immer stärker und viele deutsche Kamerahersteller verschwanden vom Markt. Der Foto- und Optikhändler Heinrich Manderman kaufte einen Teil des Unternehmens Jos. Schneider Optische Werke, 1982 ging es nach einem Konkurs ganz in dessen Besitz über.

Manderman richtete das Unternehmen neu aus und er brachte Großaufträge mit. Der unternehmerische Neuanfang gelang vor allem durch Objektive für Großformate.
Das 14.000.000ste Objektiv

90er-Jahre
Die technische Entwicklung der Fotooptik richtete sich vor allem an der Korrektur der Abbildungsfehler, die durch die Linsen entstehen, aus. Verzerrungen in Formen und Farben, so kann man verkürzt sagen, begegnete die Objektiventwicklung durch eine immer ausgefeiltere Kombination der verschiedensten Typen von Linsen.
 

Foto

Das Super-Angulon 1:5,6/38 mm aus dem Jahre 1993 war eines der ersten Großformatobjektive mit asphärischen Linsen
Foto: Schneider Kreuznach

 
Ein echter Meilenstein waren die neuen asphärischen Linsen aus Bad Kreuznach. Diese sind nicht aus der Kugelform abgeleitet und unregelmäßig geformt. Mit ihrer Hilfe lassen sich Präzisions-Objektive wesentlich leichter und kleiner konstruieren – wenn man die komplexe Herstellungstechnik beherrscht, bei der es um allerhöchste Präzision geht.

Jahrtausendwende
Nach den Erfolgen in den 1970er-Jahren für das »Cinelux Ultra« holte Schneider-Kreuznach erneut einen sogenannten »Technik-Oskar« für das »Super-Cinelux« und »Cinelux Première«. Die gleichmäßige und verzerrungsfreie Ausleuchtung einer Leinwand überlässt man besser einem Projektionsobjektiv aus Bad Kreuznach.

2013
Die Gegenwart in Stichworten: Mehr als 15.000.000 Objektive, einer der Weltmarktführer
Hochleistungsobjektive für Foto, Film und Industrie, Ventiltechnik

Dr. Oliver Ramonat
 

Foto uuml;roraum des Firmengründers Joseph Schneider

Der Büroraum des Firmengründers Joseph Schneider, nachgebaut mit den restaurierten Original-Möbeln und authentischer Ausstattung. „Im guten Geist des Gründers“ wird der Raum für zentrale Besprechungen, insbesondere mit ausländischen Gästen, genutzt.
Foto: Schneider Kreuznach

 
 
Jubiläumsausstellung: 100 Jahre Schneider Kreuznach

Die Geschichte des Unternehmens Schneider-Kreuznach von seinen Anfängen bis heute ist Thema einer Sonderausstellung im Schloßparkmuseum in Bad Kreuznach. In der Ausstellung „Die Welt im Fokus – 100 Jahre Schneider Optische Werke Bad Kreuznach“ dokumentieren viele Exponate die spannende und facettenreiche Entwicklung des mittelständischen Unternehmens und damit auch historische Aspekte optischer Innovationen. Die Sonderausstellung ist bis 31. August 2013 zu sehen.

Schloßparkmuseum
Dessauer Straße 49
55545 Bad Kreuznach
 
 
Die Schneider-Gruppe

Gründungsjahr: 1913
Firmierung: Jos. Schneider Optische Werke GmbH
Hauptsitz: Ringstraße 132, 55543 Bad Kreuznach, www.schneiderkreuznach.com
Schwerpunkte: Entwicklung und Produktion von Hochleistungsobjektiven, fotografischen Filtern, Augenoptiken sowie Feinmechanik
Unternehmensstruktur: Zur Schneider-Gruppe gehören Jos. Schneider Optische Werke GmbH (Bad Kreuznach) mit ihren Tochtergesellschaften Pentacon (Dresden), ISK Optics (Göttingen), Schneider Optics (New York, Los Angeles), Schneider Bando (Seoul), Schneider Asia Pacific (Hongkong) sowie Schneider Optical Technologies (Shenzhen)
Produktionsstandorte: Bad Kreuznach, Dresden, Göttingen, New York, Los Angeles
Geschäftsführung: Dr. Josef Staub
Umsatz 2011 (Gruppe): 85,5 Mio. Euro
Beschäftigte: 660 Mitarbeiter weltweit, davon 360 in Bad Kreuznach
Vertriebsgebiete: Europa, USA, Japan, China, Indien, Südkorea, Brasilien
Geschäftsbereiche: Photo Imaging, Entertainment Imaging, Industrial Solutions
Marken (Auszug): Schneider-Kreuznach, Angulon, B+W Filter, Cinelux, Pentacon, Symmar, Praktica, Variogon
Produkte: Aufnahmeobjektive, Aufnahmefilter, 2D-/3D-Projektionsobjektive, Industrieobjektive, Brillengläser, Servohydraulik, Messtechnik, LED-Beleuchtung, Automotive
 

(thoMas)