Die enormen Natur- und Technik-Katastrophen des Jahres 2011 (Japan-Erdbeben, Fukushima-GAU, Thailand-Flut) brachten neben dem Leid für die Betroffenen auch Probleme für die Volkswirtschaft und zahlreiche Firmen mit sich. Die just vorgelegten Quartalsberichte der Unternehmen geben einen ersten Einblick in die wirtschaftlichen Folgen:

Mit dem Tohoku-Erdbeben der Stärke 9 am 11. März des vergangenen Jahres nahm die Kette der Desaster für die globale Fotowirtschaft ihren Anfang (Die japanische Fotoindustrie nach dem Erdbeben). Elf Monate danach liest man nur gelegentlich davon, dass das Problem Fukushima wohl noch länger nicht ausgestanden ist. Außerhalb der 60-km-Sperrzone soll das Leben nach offiziellen Aussagen wieder normal verlaufen. Was in der Sperrzone geschieht, soll nicht an die Öffentlichkeit dringen – Journalisten, die sich in die verbotene Zone wagten, wurden festgenommen.

In Hintergrundgesprächen mit Japanern zeigt sich jedoch, dass das Thema Fukushima noch immer präsent ist. So hat sich die japanische Vorliebe für frischen Fisch offensichtlich deutlich reduziert. Und bei der Stromversorgung scheint es noch immer Probleme zu geben. Um auf den Auslandsmärkten präsent zu bleiben, haben viele Hersteller den Heimatmarkt in den letzten Monaten offensichtlich vernachlässigt. In offiziellen Stellungnahmen gegenüber Ausländern werden die heimischen Probleme meist elegant übergangen und nur auf die Schwierigkeiten durch die Lieferunterbrechungen aufgrund der Flut in Thailand hingewiesen.

Die Unternehmen der Fotoindustrie sind in unterschiedlichem Ausmaß von der Thailand-Flut betroffen. Nachfolgend erfolgt ein kurzer Abriss der Quartalszahlen und eine Bewertung der jeweiligen Flut-Folgen.

Canon konnte im letzten Geschäftsjahr den Gewinn trotz eines Umsatzrückgangs steigern, beziffert allerdings die Kosten der Thailand-Flut auf 50 Mrd. Yen (ca. 500 Mio. €). Canon: Gewinnsteigerung trotz Naturkatastrophen.

Nikon schließt per Ende Dezember 2011 das dritte Geschäftsquartal mit einem Umsatzrückgang von mehr als 15 % ab. Der operative Quartalsgewinn büßt mehr als die Hälfte ein. Das Neunmonatsergebnis hingegen weist ein Umsatz- und Gewinnplus, aufgrund eines hervorragenden ersten Halbjahres, auf. Die Thailand-Flut hat Nikon hart getroffen und die dadurch bedingten Produktionsausfälle haben einen Umsatzrückgang von 20 % in der Fotosparte verursacht. Nikon verkauft daher unter 1 Mio. SLR-Kameras im dritten Geschäftsquartal und liegt damit weit unter der Absatzentwicklung der letzten zwei Jahre. Die Kompaktkameras haben sich mit über 6 Mio. Stück hingegen vergleichsweise gut verkauft. Entsprechende Marketing-Aktivitäten haben das Weihnachtsgeschäft in Richtung der Kompaktklasse verschoben. Nikon muss als Folge der Thailand-Flut im einen außerordentlichen Verlust in Höhe von 10,9 Mrd. Yen (ca. 108 Mio. €) dritten Geschäftsquartal ausweisen. Ein Teil dieses flutbedingten Verlustes wird aber über Versicherungsleistungen abgedeckt.

Die Vorhersage für das laufende Geschäftsjahr, das am 31. März endet, setzt den Trend der Absatzentwicklung im dritten Geschäftsquartal fort: Nikon will weiterhin 4,7 Mio. SLR-Kameras und aber nun sogar 17 Mio. Kompaktkameras (ursprünglich sollten es 14,26 Mio. sein) verkaufen.

Neben Nikon ist vor allem Sony von der Thailand-Flut direkt betroffen: Q3 FY2011 Consolidated Results (PDF-Datei). Über die Quartalszahlen hatten wir bereits im Zuge der Stringer-Ablösung berichtet. Bis zum Geschäftsjahresende am 31. März 2012 rechnet Sony mit einem Nettoverlust in Höhe von 220 Mrd. Yen (ca. 2,2 Mrd. €). Sony beziffert den Gesamtschaden, der durch die Flut verursacht wurde, auf einen Versicherungsschaden in Höhe von 70 Mrd. Yen (ca. 695 Mio. €). Ein Großteil hiervon wird durch Versicherungsleistungen abgedeckt.

Fujifilm hat seinen Nettogewinn für die Monate April bis Dezember 2011 mehr als halbiert: Earnings of 3Q FY2012/3 (PDF-Datei). Der Umsatz ist mit 2 % rückläufig. Auch hier fällt das dritte Geschäftsquartal schwächer aus. Fujifilm sieht aber die Gründe für diese Geschäftsentwicklung im starken Yen und einer gesunkenen Nachfrage am heimischen Markt Japan in Folge des Erdbebens. Der Geschäftsbereich „Imaging Solutions“ verliert 3,3 % an Umsatz und rutscht mit 3,8 Mrd. Yen (ca. 38 Mio. €) in die Verlustzone. Der Digitalkamera-Absatz konnte nochmals mit 3,6 Mio. verkauften Kameras im dritten Geschäftsquartal gesteigert werden. Das Absatzziel von 13 Mio. Stück belässt Fujifilm für das laufende Geschäftsjahr unverändert. Fujifilm wird zudem ein großes Interesse an Olympus, hier vor allem an der Medizinsparte, nachgesagt.

Auch der Elektronikkonzern Panasonic verzeichnet einen Umsatzrückgang und einen operativen Quartalsverlust im dritten Geschäftsquartal: Panasonic Reports Third-Quarter and Nine-month Results (PDF-Datei). Das Neunmonatsergebnis liegt weit hinter dem Vorjahr zurück. Der Geschäftsbereich „Digital AVC Networks“ (PC, TV, Kameras u.a.) weist anstelle eines Gewinns einen Quartalsverlust aus. Die Digitalkamera-Umsätze sind um 28 % auf 37,6 Mrd. Yen (ca. 373 Mio. €) im dritten Geschäftsquartal gesunken. Panasonic ist zwar nicht direkt von der Thailand-Flut betroffen, dementsprechend liegen keine genauen Zahlen vor, aber der Konzern rechnet mit einem Rekordverlust in Höhe von 780 Mrd. Yen (ca. 7,7 Mrd. €) zum Geschäftsjahresende am 31. März 2012. Zukünftig will sich der Konzern mehr auf die mit Sanyo übernommene Energie- und Umwelttechnik konzentrieren.

Der Objektivhersteller Tamron schließt zum 31. Dezember 2011 das gesamte Geschäftsjahr mit einem Umsatz und Gewinnzuwachs ab: FY2011 Consolidated Financial Results (PDF-Datei). Der operative Gewinn steigt um 4,2 % auf 5,68 Mrd. Yen (ca. 57 Mio. €). Der Umsatz im Geschäftsbereich „Photographic Products“ (Wechselobjektive für SLR-Kameras) legt um 14 % und im Geschäftsbereich „Optical Components“ (u.a. Digitalkamera-Objektive) um 7 % zu. Entsprechend positiv gestimmt ist Tamron für das neue Geschäftsjahr und geht von einer weiteren Gewinn- und Umsatzsteigerung für 2012 aus.

Ricoh ist ebenfalls nur indirekt – durch Unterbrechung der Zulieferkette – von der Thailand-Flut betroffen: Quarterly Report – Nine months ended December 31, 2011 (PDF-Datei). Dennoch macht sich auch dies durch einen Umsatz- und Gewinnrückgang im dritten Geschäftsquartal bemerkbar. Der Geschäftsbereich „Other“, der u.a. die Digitalkameras enthält, erzielt einen um fast 5 % verbesserten Umsatz in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres. Dieses hängt vor allem mit der Übernahme der Pentax-Fotosparte zusammen. Der operative Verlust erhöht sich auf 3,5 Mrd. Yen (ca. 35 Mio. €), wobei das letzte Quartal den geringsten Anteil an diesem Verlust trägt. Inwieweit Ricoh nach der Pentax-Fotosparte eine Strategie-Neuausrichtung vornehmen will, geht aus dem Quartalsbericht nicht hervor. Nach wie vor liegt der Fokus auf den Bürogeräten.

Olympus ist vor allem mit einer Korrektur der vorherigen Geschäftsberichte beschäftigt und anscheinend ausgelastet (siehe auch: Das Management war im Kern korrupt). Das dritte Geschäftsquartal liegt noch nicht vor; allerdings rechnet Olympus mit einem Jahresverlust in Höhe von 32 Mrd. Yen (ca. 311 Mio. Euro). Unterdessen hat das Unternehmen auch eine außerordentliche Hauptversammlung für den 20. April 2012 anberaumt, bei der wohl eine neue Geschäftsführung inthronisiert werden wird.

Das Jahr 2011 soll das zweitteuerste Katastrophen-Jahr der Versicherungsbranche sein. Die Thailand-Flut kommt die Versicherungsbranche teuer: So beziffert der Versicherungskonzern München Rück die Schadensbelastung auf 500 Mio. €, der Schweizer Konzern Zurich Financial Services rechnet mit bis zu 200 Mio. € und japanische Versicherer müssen mit 2 Mrd. € Belastung rechnen.

Annähernd 10.000 Produktionsstätten und Betriebe, neben der Fotoindustrie vor allem die Auto- und Computerindustrie sowie deren Zulieferer, waren durch die Thailand-Flut betroffen. Nun ist ein Großteil der Schäden durch Versicherungen abgedeckt und die Verluste der betroffenen Unternehmen, aber auch der Versicherer durch Abschluss einer Rückversicherung, halten sich in Grenzen. Dennoch sind die Schadenslasten von volkswirtschaftlicher Bedeutung und betreffen letztlich alle. Als erstes werden die Versicherungsprämien für die Unternehmen steigen. Dies wird sich unter Umständen in höheren Produktpreisen niederschlagen.

Zusätzlich werden die Versicherungsunternehmen ihre Versicherungsbedingungen neu ausrichten und den regionalen Gegebenheiten anpassen. Um die Problematik zu verdeutlichen: Es stellt bereits für Privatleute eine unüberwindbare Herausforderung dar, eine Elementarschadenversicherung in einem Überschwemmungsgebiet zu erhalten, für die betroffenen Unternehmen wie Sony oder Nikon wird eine Versicherung eine Frage des Geldes, also der Höhe der Versicherungsprämie sein, kann aber auch mit Abstrichen in der Versicherungsleistung einhergehen. Die Nachfrage nach einer Versicherung zur Abdeckung von solchen Naturkatastrophen ist in den letzten Jahren entsprechend gestiegen – in Thailand ist sie nur noch schwer zu bekommen.

Als erste Reaktion auf die Flut werden jetzt die Dämme um die Industrial Estates erhöht, was jedoch keine dauerhafte Lösung darstellen kann, wenn dies Alle umsetzen, ohne für ein besseres Wassermanagement zu sorgen.

(agün / CJ)