Einst das Standard-Aufnahmeformat, ist das Kleinbildformat mit dem Aufkommen der elektronischen Bildaufzeichnung eine Seltenheit geworden. Die einen meinen, dass die Sensorgröße heute dank moderner Technologien für die Bildqualität und -gestaltung keine Rolle mehr spiele. Andere verneinen dies und berufen sich dabei auf Euklid und eigene Erfahrungen. Doch wer hat recht? Ein Beitrag zu den Hintergründen der Foto-Formate:

 
 
 

Foto Randolf Butzbach

Rose in der Morgensonne auf Leica-Format.

 
Das Leica-Format

Als Oskar Barnack, begeisterter Naturfotograf und Chefkonstrukteur bei Ernst Leitz in Wetzlar, seinerzeit 1911 seine 13×18-cm-Großformatkamera zu unhandlich wurde, um sie durch die Landschaft zu tragen, baute er sich eine kompakte Kamera „für immer dabei“, wie man heute sagen würde: Die Leitz-Camera, kurz: LEICA. Als Aufnahmemedium wählte er den Kinofilm, zunächst angeblich mit dem Film-Bildformat von 18×24 mm. Dabei zeigte sich, dass die Ergebnisse nicht wirklich zufriedenstellend waren. Sicherlich lag das auch an der damaligen Qualität des Filmmaterials.

Eine viel gewichtigere Einschränkung war aber das Verhältnis von Vorder- zu Hintergrund, das von Bilddiagonale, daraus resultierender Brennweite und Blendenöffnung bestimmt wird: Je länger die Bilddiagonale, desto länger muss die Brennweite sein, um den gleichen Bildwinkel zu ergeben. Je länger jedoch die Brennweite ist, desto kleiner wird wiederum die Schärfentiefe bei gleicher Blende. Und je kleiner die Schärfentiefe, desto mehr tritt der Hintergrund in den Hintergrund und das Hauptmotiv hervor.
 


Leica Ia

(Klick aufs Bild!)

 
Als Oskar Barnack dann das Kinoformat auf 24×36 mm verdoppelt hat, hat er nicht nur die Aufnahmequalität verbessert, sondern auch (wohl ungewollt) eine Art „Goldenen Schnitt“ getroffen: Die resultierenden Brennweiten liefern bereits in Verbindung mit nur einigermaßen lichtstarken Blendenöffnung von 2,8-5,6 ein sehr harmonisches Verhältnis von Vorder- zu Hintergrund. Es sind keine extrem lichtstarken Optiken nötig (die nur eine sehr eingeschränkte Abbildungsleistung bringen), wie sie bei kleineren Formaten, also kürzeren Brennweiten, nötig wären, um den Hintergrund verschwimmen zu lassen. Noch bedarf es extrem kleiner und lichtschwacher Blendenöffnungen, mit den verbundenen langen Belichtungszeiten, wie sie z.B. beim Großformat nötig sind, um überhaupt etwas scharf zu bekommen (Abhilfe schaffte dann die Anpassung der Bildebene an die (liegende) Objektebene nach Scheimpflug. Aber das ist eine andere Geschichte.).

Dieses harmonische Verhältnis aus Handlichkeit, Lichtstärke der Optiken und Freistellungsmöglichkeiten war es, was den weltweiten Siegeszug des sogenannten „Leica-Formats“ – später allgemein bekannt als „Kleinbild“, oder von Nikon im Digitalen „FX-Format“ getauft – begründet hat: Bei kleineren Bilddiagonalen (und damit Aufnahmeformaten) leidet die Bildqualität, bei größeren Bilddiagonalen werden die resultierenden Brennweiten schnell unhandlich.

Alle Versuche, andere Bildformate zu etablieren, waren bislang nur von kurzer Dauer: Der Pocketfilm (Aufnahmeformat 13×17 mm) ist ebenso verschwunden wie der Mittelformat-Rollfilm (Nennformat 4,5×6 bis 6×9 cm) im Breitenmarkt. Auch die freie Formatwahl beim „Advanced Photo System“ (APS; Aufnahmeformat ca. 17×30 mm) konnte nie richtig Fuß fassen – trotz aller Zusatzfunktionalität und trotz der Fortschritte in der Qualität des Filmmaterials 85 Jahre nach der Ur-Leica. Da das kleinere APS-Format statt einer Verbesserung eine Verschlechterung der Bildqualität ergab, war der damalige Tenor: „Was soll das?“

Film und Sensor

Mit dem Aufkommen der ersten Bildsensoren trat die Bildgestaltung erstmal in den den Hintergrund. Es war ähnlich wie mit dem sprechenden Hund: Was er spricht, ist nicht so wichtig. Viel wichtiger ist, dass er überhaupt spricht.

Die erste elektronische Kamera, die ich in der Hand gehalten hatte, hatte eine Auflösung von 320×200 Pixeln. Ein Jahr später hatte ein Kollege sich dann eine Canon PowerShot A50 gekauft – mit bereits 1280×960 Pixeln. Meine Nikon CoolPix E950 (Werbeslogan: „Digital Maximum“) hatte ein paar Monate später dann schon 1600×1200 Pixel. Sicher, damit waren noch keine Poster druckbar. Sie war aber handlich und leistete zur spontanen Dokumentation und auf Partys wertvolle Dienste. Es sind Bilder entstanden, die das Leben vereinfacht haben und die mit Film nie entstanden wären: Hat man sich vorher allein auf eine Skizze zur Dokumentation verlassen müssen, auf der man vermeintlich unwichtige Details nicht festgehalten hat, war es jetzt dank des zusätzlichen Fotos möglich, vergessene Details gegebenenfalls nachträglich zu rekonstruieren – und zwar ohne warten zu müssen, bis der Film voll und entwickelt war. Auch konnte man dank des sofort verfügbaren Fotos die Kollegen am anderen Ende der Welt direkt und bildlich fragen, was jeweils mindestens tausend Worte ersparte. Von der Bequemlichkeit, mit der es jetzt möglich war, Partyfotos zu verteilen, ganz zu schweigen.

Erst als es technisch möglich wurde, Sensoren mit 6-8 Megapixeln zu bauen, wurde es wieder interessant, über Bildgestaltung und damit Aufnahmeformate nachzudenken. Doch damit traten zwei Probleme auf: Die Struktur des Sensors und die Abbildungsleistung der Objektive. Bei Film kann die Dicke der lichtempfindlichen Schicht praktisch vernachlässigt werden; Film kann als zweidimensionale Fläche angesehen werden. Damit ist es quasi unerheblich, unter welchem Winkel das Licht vom Objektiv auf den Sensor fällt: Das Licht konnte auch sehr flach auf den Film fallen, was es erlaubte, sehr kompakte Kameras wie zum Beispiel die Rollei 35 oder die Minox 35 GT zu bauen.

Im Gegensatz dazu hat ein Sensor eine dreidimensionale Struktur. Die lichtempfindliche „Schicht“ besteht dabei aus „Röhrchen“, in die das Licht möglichst senkrecht einfallen muss. Fällt es schräg auf die Oberfläche, wird es abgeschattet und nur anteilig registriert. Je weiter nun ein Pixel vom Bildzentrum entfernt liegt, desto flacher fällt das Licht naturgemäß ein – und desto weniger kommt davon im Inneren des lichtempfindlichen Röhrchens an.

Um diesen Effekt abzumildern, werden vor dem Röhrchen Mikrolinsen angebracht, die das Licht vom Objektiv in das Innere des Pixels lenken sollen. Da aber das Licht aus jedem Objektiv unter einem anderen Winkel auf den Sensor trifft, ist dies in der Regel nur eine Hilfslösung. Nur bei Kameras mit fest verbautem Objektiv, wie z.B. Fujifilms X100, können die Mikrolinsen exakt auf das Objektiv angepasst werden, was es wiederum erlaubt, das Objektiv näher an den Sensor zu rücken. Dies funktioniert aber nur mit Festbrennweiten und auch nur, wenn sie nicht gewechselt werden können.

Objektive für Digitalkameras

Eine weitere Schwierigkeit entsteht durch die Art, wie wir uns heute Bilder ansehen: Wurden zu Filmzeiten die Bilder standardmäßig auf 10×15 cm vergrößert, und nur in seltenen Ausnahmen auch mal auf 40×60 cm, werden Bilder heute bei 400 % Vergrößerung am Monitor inspiziert – was bei nur 12 Megapixeln bereits einer Vergrößerung auf 3×4 Meter, also Plakatwand, entspricht. Dabei beträgt der Betrachtungsabstand aber nicht die für Plakatwände üblichen 4 oder mehr Meter, sondern nur 40 cm.

„Pixelpeeping“ ist zum Volkssport geworden: Jedes Feld-Wald-und-Wiesen-Objektiv für den Breitenmarkt wird jetzt danach beurteilt, wie es sich in (für die Praxis meist irrelevanten) Extremsituationen verhält. Dabei zählt oft, unter Ignoranz aller physikalischer Grenzen, nur das perfekte Pixel. Das Bild an sich ist für viele zweitrangig geworden. Jüngst las ich einen „Testbericht“, in dem moniert wurde, dass eine Hochleistungsoptik in den letzten 1-2 % des KB-Bildkreises (also in den äußersten Ecken des Bildes) ganz leicht verzeichnet, was zur Abwertung führte. Wohlgemerkt: Diese Verzeichnung war nur sichtbar in der 100-%-Ansicht, und auch nur, wenn man gezielt danach suchte.

Nun wird es aber um so schwieriger und aufwendiger – und damit kostspieliger – eine extrem hohe Abbildungsleistung über den gesamten Bildkreis zu erhalten, je größer dieser Bildkreis ist. Waren früher „normale“ Menschen glücklich mit einem scharfen Bild auf 10×15 cm, so stellen sie heute Ansprüche, die jenseits dessen sind, was physikalisch-technisch mit einem für sie vertretbarem finanziellen Aufwand erreichbar ist. Was also tun?

Eine Möglichkeit, die Kosten trotzdem für ein breiteres Publikum bezahlbar zu halten, besteht darin, den Bildkreis zu verkleinern: Je kleiner der Bildkreis, desto einfacher ist es, eine hohe Abbildungsqualität zu erreichen. Natürlich muss ein Objektiv für einen kleineren Sensor bei gleicher Pixelanzahl eine höhere Auflösung bringen – allerdings nur über einen kleinen Bereich in der Bildmitte, was, wie gesagt, sehr viel einfacher erreichbar ist, als eine etwas niedrigere Auflösung über einen größeren Bildkreis. Daher ist es zum Beispiel möglich, für 400-500 Euro Kameras mit Kleinstsensoren zu bauen, die gestochen scharfe 2 µm Auflösung bzw. 10 Megapixel abliefern.

Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die Lichtstärke der Objektive zu begrenzen: Zwar bedarf es eines großen Blendendurchmessers, um die Auflösungsbegrenzung durch Beugung klein zu halten. Je größer allerdings der Linsendurchmesser im Vergleich zum Krümmungsradius ist, desto mehr weicht die Linsenform (meist sphärisch) von der Idealform ab und desto mehr verzeichnet sie. Von daher erreichen Objektive ihre maximale Abbildungsleistung normalerweise bei Blendenöffnungen im Bereich 5,6 bis 11. Bei größeren Blendenöffnungen verschlechtert die Abweichung der Linsenform von der perfekten Form die Abbildungsleistung. Wird die Blendenöffnung kleiner, begrenzt die Beugung die Auflösung. Deshalb haben günstige Objektive oft nur eine Lichtstärke im Bereich 3,5-5,6: Es ist ein einfaches Mittel, die Sichtbarkeit von physikalisch bedingten Linsen„fehlern“ „zu verbieten“ und somit die benötigte Auflösung zu einem günstigen Preis zu erreichen. Da die Lichtstärke ein Maß für den Durchmesser der Linse bzw. des Objektivs ist, freut sich der gemeine Kamerakäufer dank der geringeren Lichtstärke auch über die Kompaktheit des Objektivs.

Umgekehrt gilt die Logik natürlich auch: Je lichtstärker ein Objektiv ist, desto größer und schwerer ist es, und die Abbildungsfehler der Linse (bei Offenblende) lassen das Bild weich erscheinen. Um letztere in Grenzen zu halten, ist ein entsprechend hoher Aufwand nötig, der die Kosten in die Höhe treibt. Dafür bieten die hohen Lichtstärken eine gestalterische Freiheit in der Bildaussage, die jenseits allen Pixelpeepings liegt, wie wir gleich sehen werden.

Interessanterweise wird aber allgemein das kompaktere Objektiv nicht als Folge der geringeren Lichtstärke, sondern des kleineren Sensors angesehen. Dabei hat der Durchmesser des Objektivs nur indirekt über die Brennweite mit der Sensorgröße zu tun, da die Lichtstärke definiert ist als Brennweite geteilt durch Linsendurchmesser. Ein Objektiv (Festbrennweite, keine Retrofokusbauweise) mit 85 mm Brennweite und einer Lichtstärke von f/1,4 hat somit einen Frontlinsendurchmesser von 85/1,4=61 mm und ein 200-mm-Objektiv mit f/2,8 einen Durchmesser von 71 mm. Und so weiter. Und zwar ganz unabhängig davon, wie groß die Sensorfläche ist.

Dagegen macht es jedoch einen Unterschied für die Baugröße des Objektivs, ob zwischen Objektiv und Film/Sensor ein Spiegel verbaut ist oder nicht: Der Abstand von hinterer Linse zum Sensor ist u.a. durch die bildseitige Brennweite des Objektivs gegeben. Dieser Abstand bräuchte uns hier nicht weiter zu interessieren, wenn zwischen der äußersten hinteren Linsenfläche bei Unendlich und der Bildebene („Schnittweite“) bei Spiegelreflexkameras nicht noch ein Spiegel passen müsste. Bei längeren Brennweiten ist das sicher kein Problem, diese 40-50 mm Schnittweite zu überbrücken. Was aber bei kurzen Brennweiten? In diesem Fall muss die hintere Brennweite des Objektivs entsprechend der Schnittweite „unnatürlich“ verlängert werden, damit das Bild die Distanz des Spiegels überbrückt und wieder in der Filmebene entsteht.

Derlei Objektive werden als Retrofokus-Objektive bezeichnet. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um normale längerbrennweitige Objektive mit vorgeschalteter Zerstreuungslinse. Das vermeintliche 18-mm-Objektiv ist also in Wirklichkeit quasi ein 50-mm-Objektiv mit entsprechend starker Zerstreuungslinse davor. Da nun der Durchmesser einer Linse als Verhältnis von Brennweite zu Lichtstärke gegeben ist, ist aufgrund der benötigten längeren (hinteren) Brennweite auch der Durchmesser des Objektivs größer als er bei der effektiven Brennweite (also der, die auf dem Objektiv angegeben ist) „natürlicherweise“ sein müsste.
 

Zweimal das Summilux 1,4/35 mm: links in der R-Variante, rechts in M-Ausführung

Zweimal das Summilux 1,4/35 mm: links in der R-Variante, rechts in M-Ausführung
Abbildung im annähernd gleichen Maßstab

 
Dieser Effekt lässt sich sehr schön an Leicas Weitwinkelobjektiven für die „R“ (Spiegelreflex) und die „M“ (Messsucher) beobachten: Bei gleicher Lichtstärke und Brennweite sind letztere wesentlich kompakter als erstere – obwohl beide für das Kleinbildformat gerechnet sind.

Hier sind also spiegellose Kameras im Prinzip im Vorteil. Da jedoch durch die kürzere Schnittweite die Strahlen flacher auf den Sensor fallen, wird sich wohl mancher Optikdesigner überlegen, die Schnittweite lieber „künstlich“ größer zu halten, um einen steileren Einfall des Lichts auf dem Sensor zu ermöglichen.

Äquivalente Brennweite und Blende

Bei der Vielzahl der heute verwendeten Sensorgrößen wird neben der tatsächlichen Brennweite des Objektivs in der Regel zur Orientierung (auch) die Brennweite angegeben, die beim Kleinbild den selben Bildwinkel ergeben würde („äquivalente Brennweite“). Also: Welche Brennweite bräuchte man beim Kleinbild, um denselben Bildwinkel in der Bilddiagonalen zu erhalten? Die Rechnung entspricht dabei einfach dem Verhältnis der Längen der Bilddiagonalen. Wenn wir also z.B. ein 50-mm-Objektiv an einer MicroFourThirds-Kamera (MFT; Bilddiagonale 21,6 mm statt 43,3 mm bei Kleinbild) anbringen, dann erhalten wir denselben Bildwinkel (Motivausschnitt), den wir mit einem 100-mm-Objektiv auf dem Kleinbildfilm erhalten würden. Oder umgekehrt: Wenn wir ein 14-mm-Objektiv an eine MFT-Kamera anschließen, erhalten wir denselben Bildwinkel, den wir beim Kleinbild bei 28 mm Brennweite erhalten würden.

Auch wenn der Begriff „äquivalente Brennweite“ suggeriert, dass alles beim alten bleibt – nur kleiner und handlicher, ist es extrem wichtig, sich bewusst zu sein, dass es sich nicht um eine tatsächliche Änderung der Brennweite handelt, sondern lediglich um eine Ausschnitt-Änderung des Bildes!

Ein 50-mm-Objektiv bleibt ein 50-mm-Objektiv.

Der kleinere Sensor zeichnet nur einen kleineren Ausschnitt („crop“ auf Neudeutsch) aus dem Bildkreis auf. Aber die physikalischen Gesetzmäßigkeiten, die mit dem 50-mm-Objektiv verbunden sind, ändern sich dadurch nicht! Das Gleiche gilt natürlich auch für das 14-mm-Objektiv: Es hat alle Eigenschaften eines 14-mm-Objektivs, egal, ob es an einer MFT- oder KB-Kamera angeschlossen ist.

Was dagegen normalerweise verschwiegen wird, ist die „äquivalente Blende“. Zwar ändert sich – wie bei der Brennweite – nichts an der Blende selber, nur weil der Sensor hinten dran ein Stück kleiner geraten ist. Es ändert sich auch nichts an der Belichtung und man mag zur Tagesordnung übergehen.

Aber: Um den Ausschnitt des kleineren Sensors zu kompensieren, besteht zum einen die Möglichkeit, den Abstand zum Motiv zu verändern und zum anderen die Brennweite real zu ändern. In beiden Fällen liefert der gleiche Blendenwert eine unterschiedliche Bildwirkung. Wenn wir zum Beispiel an einer MFT-Kamera den gleichen Bildwinkel erhalten möchten wie bei einem 90-mm-Objektiv an einer KB-Kamera, müssen wir ein Objektiv mit 45 mm Brennweite nehmen. Auch wenn beide Objektive auf Blende 2,8 eingestellt sind, entspricht die Bildwirkung von Blende 2,8 bei 45 mm einer Blende 5,6 bei dem 90-mm-Objektiv.

Wenn wir dagegen das 90-mm-Objektiv bei Blende 2,8 an die MFT-Kamera anschließen, haben wir zunächst dieselbe Bildwirkung (Perspektive, Schärfentiefe), als ob das 90-mm-Objektiv an die KB-Kamera angeschlossen wäre. Allerdings sehen wir nur den Ausschnitt, den wir bei 180 mm auf KB sehen würden. Um den Unterschied auszugleichen und wieder dasselbe Bildfeld zu erhalten, müssen wir den Abstand zum Motiv verdoppeln, also z.B. auf 4 m statt 2 m, und wieder scharfstellen. Nun hat die Blende 2,8 bei einer Entfernungseinstellung von 4 m aber eine ganz andere Bildwirkung als bei 2 m – nämlich grade so, wie Blende 5,6 bei 2 m.
 

Foto

Tabelle 1: Aufnahmeformate und Ausschnittsfaktoren. Die in der Tabelle angegebenen Werte für äquivalente Brennweite und Blende beziehen sich darauf, welche Brennweite und Blende den gleichen Bildwinkel bzw. Schärfentiefe wie auf Kleinbild ergibt. Grau hinterlegte Werte (< f/1,4) sind normalerweise nicht zugänglich. Beispiele für die rot hervorgehobenen Werte finden sich hier im Text.

 
Sensor-Produktionskosten

Ein Grund für kleine Sensoren liegt in den Produktionskosten des Sensors begründet. Je größer der Sensor, desto weniger Sensoren passen auf einen Wafer, können also parallel produziert werden. D.h, bei doppelter Sensorgröße müssen für die gleiche Anzahl Sensoren doppelt so viele Wafer verarbeitet werden – was die Produktionskosten verdoppelt.

Nun ist es zudem so, dass bei der Produktion auch immer mal wieder ein Fehler auf einem Sensor auftritt. Bei einer Verdoppelung der Sensorgröße steigt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass es einen bestimmten Sensor triff, auf das Doppelte: Tritt zum Beispiel bei einem großen Sensor ein Defekt auf einer Hälfte des Sensors auf, ist der gesamte Sensor Ausschuss. Wäre dieselbe Wafer-Fläche von zwei Sensoren besetzt, könnte der Sensor, der sich auf der Nicht-Defekten „Hälfte“ befindet, (noch) verwendet werden. Der statistische Ausschuss verdoppelt sich also bei einem doppelt so großen Sensor.

Somit steigt der Preis (mindestens) mit dem Quadrat der Größe des Sensors. Oder andersrum: Ein MFT-Sensor, der nur 1/4 der Fläche eines „Vollformatsensors“ hat, kostet grade mal ein 1/16 des Preises eines Kleinbild-Sensors.

Ein weiterer, vielleicht der wichtigste, Kostenpunkt betrifft natürlich die Stückzahlen, durch die die Entwicklungs- und Einrichtungskosten geteilt werden müssen. Da das digitale Kleinbild-Vollformat (noch) ein Nischenmarkt ist, sind die Stückzahlen niedrig, die Kosten hoch.

Vorteile von kleinen Sensoren

Zusammengefasst ergeben sich somit folgende Vorteile für kleine Sensoren:

• Geringere Sensor-Produktionskosten
• Einfachere optisch-technische Anbindung an (vorhandene) Objektive
• Günstigere Objektive aufgrund des kleineren Bildkreises
• Alte Objektive, die an den Bildrändern eine für digitale Verhältnisse unzureichende Abbildungsleistung bringen, können in der Mitte noch durchaus brauchbar sein

All dies sind gewichtige technische Gründe und Kostenargumente, die für kleinere Sensoren sprechen. Das Stichwort Bildqualität ist dabei jedoch außen vor geblieben.

Sensorgröße und Kameragröße

Wie bereits oben erwähnt, gab es zu Filmzeiten sehr kompakte und handliche Kleinbildkameras wie z.B. die Rollei 35 oder die Minox 35 GT. Auch gab es sehr handliche Spiegelreflexkameras. Diese Beispiele zeigen bereits, dass die Baugröße der Kamera nicht ausschließlich vom Aufnahmeformat abhängt. Auch ist die Baugröße der Objektive nur indirekt abhängig vom Aufnahmemedium, wie ich an Leicas R- und M-Objektiven ja bereits beispielhaft aufgezeigt habe: Obwohl beide für das Kleinbild gebaut und in identischen Brennweiten und Lichtstärken erhältlich sind, sind letztere aufgrund der kürzeren Schnittweite wesentlich kompakter.

Die Ursache dafür, dass digitale Spiegelreflexkameras volumiger gebaut sind als „analoge“, ist vor allem darin begründet, dass der Sensor ein paar Millimeter dick ist, und zudem noch auf einer Platine sitzt. Hinter dem Sensor ist dann zusätzlich noch das Display angebracht, ebenfalls einige Millimeter dick. Am Abstand Bajonett-Sensor hat sich dagegen bei Vollformat wie bei APS-C nichts gegenüber der klassischen Spiegelreflex geändert: Die alten („kompakten“) Objektive passen weiterhin an die neuen Kameras – unabhängig von der Sensorgröße.

Was Vollformatkameras so volumig macht, ist eher in der Praxis begründet: Kaum jemand wird auf den Gedanken kommen, an ein teures Gehäuse mit hochauflösendem Sensor ein kleines lichtschwaches Plastik-Objektiv anzuschließen. Die Objektive der Wahl sind i.d.R. lichtstark und aus Metall und Glas gebaut. Damit bringt ein Objektiv schnell mehr als ein Kilogramm auf die Waage. An einem zierlichen Gehäuse reißt das Objektiv dem Fotografen schnell die Kamera aus der Hand. Stattdessen ist ein zusätzlicher Batteriegriff als Handballenstütze höchst willkommen. Nicht zuletzt verlagert der Griff auch den Schwerpunkt mehr in Richtung Kamera – was ebenfalls zur Entlastung der Hand beträgt: Das vermeintlich unhandlichere Gehäuse wird so zur handlicheren Kamera.

Morgen dann geht’s hier weiter im Text, bzw. im Bild. Dann möchte ich Ihnen anhand von Vergleichsaufnahmen zeigen, wie sich das soeben theoretisch Formulierte in der fotografischen Praxis darstellt. Hier schon mal ein Vorgeschmack:
 

Fotos Randolf Butzbach

 
Was es damit auf sich hat, dazu morgen ab 12:00 Uhr mehr: Bildgestaltung: Eine Frage des Formats – Teil II.

(Randolf Butzbach)
 
 
Siehe auch:
Bildsensor und Bildgestaltung
Begrenzung der Auflösung durch Beugung