Grafik einer berechneten BeugungsscheibeDer Sommer naht, die Sonne lacht, das Meer ruft – und wir machen uns hier Gedanken, wie man anhand der Meeresbrandung die Beugung versteht, weshalb kleine Pixel schlecht mit kleinen Blendenöffnungen harmonieren, warum Großformatfotografen fein raus sind, und was all das, und noch viel mehr, für die fotografische Praxis bedeutet:

„Am Anfang war das Licht“ – ein viel bekannter und gerne zitierter Satz und doch stimmt er nicht ganz, denn zumindest für uns Fotografen muss es heißen: „Am Anfang ist das Licht“. Jene Energie, die wir mal als Teilchen, mal als Welle interpretieren und die es uns erlaubt, mit Kameras ein Abbild unserer Umgebung zu machen und so die von uns so hoch geschätzten Bilder zu erstellen. Aber wie so viele Dinge, die uns Nutzen bringen, verlangt es auch Aufmerksamkeit und zeigt uns Grenzen auf.

Eine oft diskutierte Welleneigenschaft ist das Problem der Auflösungsbegrenzung durch Beugung. In der Praxis bedeutet dies, sehr vereinfacht ausgedrückt, dass der Wellencharakter des Lichts dafür sorgt, dass es beim „Durchzwängen“ durch eine kleine Öffnung zunehmend seine Präzision einbüßt, so dass dargestellte Bilder immer unschärfer werden, jede kleiner eben diese Öffnung ist. Ein etwas anschaulicheres Bild der Physik dahinter ergibt sich aus folgender Erklärung:

Man stelle sich eine weite Bucht vor, in der die einfallenden Meereswellen direkt auf den Strand auftreffen. Die breiten unbehinderten Wellen fallen ganz gerade, parallel und präzise auf den Strand. Verengt man den Eingang der Bucht links und rechts durch eine Mauer, so werden die Wellen, die die Enden der Mauer streifen, etwas gebrochen. Von diesen Enden laufen dann gebeugte Wellen ringförmig weiter und überlagern sich mit den ungestörten, parallelen Wellen, die die Mitte der Maueröffnung durchlaufen haben. Ist die Öffnung groß, so wirkt sich diese Störung kaum aus. Je mehr man jedoch die Maueröffnung verkleinert, umso geringer wird der präzise Anteil der ungestörten mittleren Wellenfront gegenüber dem an den Mauerenden gebrochenen Störanteil. Das anrollende Wellenbild wird immer kabbeliger und unpräziser. Konnte man bei einer großen Maueröffnung noch große und kleine ankommende Wellen spüren und erkennen, so wird bei einer kleinen Maueröffnung der kabbelige Störanteil immer größer und es zeichnen sich nur noch die ursprünglich großen Meereswellen erkennbar ab: Das Bild der Meereswellen verliert an Auflösung.

Dieser Effekt tritt ebenso an der Blendenöffnung des Objektives ein und macht uns – als Beugung –  zunehmend Schwierigkeiten. Dabei sind mehrere Faktoren entscheidend, wie stark sich die Beugung ausprägt – es lohnt sich ein Blick in die analoge Erfahrungskiste:

Kardinalsdisziplin ist die im Abbild erforderliche Auflösung und die wird durch die räumliche Abtastfrequenz des Aufnahmemediums bestimmt. Bei – immer noch verfügbaren und von einem kleinen Kreis geschätzten – Planfilmen der Formate 9×12 cm bis 20×25 cm hatte Beugung praktisch keine Bedeutung. Auf diesen Formaten reichte es in der Regel aus, wenn das Licht 5 bis 10 Linienpaare pro Millimeter differenzieren konnte, und Großformatfotografen haben sich bei Blendenwerten von bis zu 1:45, 1:64 oder auch 1:90 teilweise recht wohl gefühlt. Bei Mittelformatfilm ging man oft bis Blende 1:32; selten gab es visuelle Einschränkungen.

Kleinbildfotografen (Film, 24×36 mm) waren so die ersten, die merkten, dass viel (Abblenden) doch nicht viel hilft. Die Güte des Objektivs und vor allem die Fähigkeiten des Fotografen beim Vergrößern bescherten manchmal die Erkenntnis, dass die Blende 1:22 bei der Landschaftsaufnahme in den Sträuchern und Steinen nicht mehr so schön differenzierte wie die Konkurrenzaufnahme bei Blende 1:16.

Weshalb hier dieser rustikale Blick auf die aussterbende (oder nur zu voreilig tot gesagte) Silberfraktion?

Der Schlüssel liegt in den gerade oben genannten geforderten Fähigkeiten, das Bild kompetent zu vergrößern. Bei den 99 % aller geprinteten 9×13-Fotos war Beugung bestimmt eines der letzten Probleme, das den Anwender schikanierte – und das ist heute auch noch so. Nur bei denen, die größere Aufnahmen machten, und die es auch verstanden, die Verwacklung zu beherrschen, schlug die Beugung merklich zu. Kleine Anmerkung: die berüchtigte 1/60 Sekunde aus der Hand mag bei 9×13 ja in Ordnung sein, aber bei 30×40 vergrößert man nicht nur die Beugungs- sondern auch die Bewegungsunschärfe mit – wovor erstaunlich viele Anwender tapfer die Augen verschließen.

Aber jetzt endlich zu den Freuden und Leiden der neuen digitalen Welt.

Mit der Einfachheit, einen Bildausschnitt nahezu beliebig auszuschneiden und zu vergrößern, eröffnen digitale Bilder eine neue Zugänglichkeit zur Sichtbarkeit von Fehlern. Grenzleistungen werden ungeniert gefordert und Grenzen unbekümmert ausgelotet. Doch nicht nur die neue Flexibilität eröffnet uns die Grenzhorizonte, sondern auch die technische Entwicklung trägt ihren Teil bei, Leistungsgrenzen großzügig auszuloten und über das Maß zu beanspruchen.

Der erste Wechsel ist der bereits indirekt erwähnte von der Gesamtbildbetrachtung zur Ausschnittsnutzung. Bei Film wurden nur bei einem Bruchteil der Aufnahmen teure Auschnittsvergrößerungen gemacht, bei digitalen Bildern ist „Croppen“ völlig normal. Weil bei Film so fast immer das ganze oder fast ganze Negativ (= Aufnahmemedium) verwendet wurde, stand für Aufnahmen auch immer der maximale Informationsgehalt des Negativs oder Dias zur Verfügung. Bei exzessiven Ausschnittsvergrößerungen sieht das ganz anders aus, denn dann muss ein kleiner Ausschnitt des Aufnahmemediums – sprich Sensors – genug Reserven für das gewünschte Bildergebnis haben. Deshalb macht es erstmals auch Sinn, die Auflösung von Sensoren deutlich anzuheben. Aus einem 16-Megapixel-APS-Sensor kann ich mehr Details vergrößern als aus einem mit 6 Megapixeln. Die hierbei notwendige Verkleinerung der Pixel bedeutet aber auch einen Bedarf an höherer optischer Auflösung des Objektivs und damit eine höhere Empfindlichkeit gegenüber Verlusten der Auflösung, wie durch die Beugung.

Der zweite Aspekt, der ebenfalls zu immer kleineren Pixelabmessungen und damit zu höheren notwendigen optischen Auflösungen und einem früheren Einfluss der Beugung führt, ist die Miniaturisierung von Sensoren. Um auf einem FourThirds-Sensor 12 Megapixel unterbringen zu können, muss jedes Pixel halb so breit sein wie auf einem Kleinbild-Vollformatsensor. Damit hat ein 4/3-Bild bei gleicher Blende einen um zwei Blendenstufen stärkeren Einfluss der Beugung – bzw. die Beugung greift zwei Blendenstufen früher als bei einem Kleinbild-Vollformatsensor gleicher (!) Pixelzahl.

Wer darin den Beweis der Überlegenheit großer Sensorformate sieht, greift jedoch zu kurz.

Kleinere Sensoren erlauben kürzere Brennweiten und damit kleinere Objektive. Deren kleinere Abmessungen und Wege erlauben – neben dem geringeren Aufwand zum Einhalten niedriger Toleranzen – vor allem eins: höhere Lichtstärken bei vertretbarem Aufwand und eine einfachere Umsetzung besonderer digitaler Korrekturen der optischen Modelle. In der Praxis stelle ich regelmäßig fest, dass bei sehr guten Objektiven kleinerer Formate nicht nur die Anfangslichtstärke höher ist, sondern auch die nutzbare Blende früher beginnt. Der echte Nutzen bei einem Objektiv der Lichtstärke 1:2,8 ist deutlich geringer, wenn es erst bei 1:5,6 eine hohe Leistung erreicht! Gerade das begrenzt viele sehr lichtstarke Festbrennweiten der späten Filmära, die manchmal bis zu vier Blenden geschlossen werden müssen, um hohe Abbildungsleistung zu erzielen.

Ein Vorteil der Sensoren, oder besser gesagt Trick, liegt in den Möglichkeiten der digitalen Signalaufbereitung. Da Beugung nicht mit einem Schlag eine Struktur oder Kante schluckt, sondern sie erstmal weicher zeichnet, kann man mit einer geschickten hochfrequenten Scharfzeichnung oder Low-Pass-Filterung den frühen Einfluss der Beugung abfedern. Dies geht aber nur in einem kleinen Bereich von ca. 1 bis 2 Blenden.

Es zeigt sich aber auch, dass kein Schaden ohne Nutzen entsteht. So manch einem Technikbegeisterten mag das Herz stehen bleiben, wenn professionelle Portraitfotografen ihre sündteuren Hochleistungsobjektive mit Spray oder Vaseline auf der Frontlinse vergewaltigen. Der Zweck heiligt hier die Mittel, verschwinden durch die beugungsähnliche Weichzeichnung doch die unerwünschten Fältchen auf den Gesichtern der Abgebildeten. Heutzutage weicht die Vaseline meist dem Weichzeichner auf dem Rechner, eine Verwandtschaft dieser Bildkorrektur zur gefürchteten Beugung sollte dennoch nicht verleugnet werden.

Im Gegensatz zu Film beschränken sich bei digitalen Sensoren die „Fältchen“ nicht auf die Haut von Menschen, sondern sind erheblich vielfältiger. Moiré, Aliasing und Artefakte an Linien und Kanten sind der Tribut, ein natürliches Bild in eine orthogonale Pixelmatrix zu zwängen. Hier hat der Informationsverlust durch Beugung eine durchaus heilsame und oft ästhetische Wirkung, denn all diese Artefakte greifen in der Grenzauflösung nahe dem Pixelpitch der Sensoren. Also genau dort, wo die Beugung die Auflösung kappt und dann die Artefakte verschwinden lässt. Hier ist die Beugung dem späteren Weichzeichnen übrigens deutlich überlegen, da sie die schadhafte Bildinformation schon schneidet, bevor sie ins Bild gelangt.

Für die wahrgenommene Relevanz der Beugung im täglichen Einsatz kommt ein zunächst scheinbar paradoxer Aspekt der Schadwirkung von Beugung: Je besser das Objektiv, desto schlimmer fallen die Nachteile und sichtbaren Auflösungsschwankungen und -verluste aus und auf. Natürlich hängt die Beugung nicht von der Auflösung des Objektives ab, aber wer hoch sitzt, wird tief fallen: Hat ein APS-Objektiv bei Blende 1:4 eine Spitzenauflösung, so greift die messbare Beugungsbegrenzung möglicherweise schon bei 1:8 und bei 1:11 wird sie in der Detailvergrößerung sichtbar. Ein mittelmäßiges Objektiv dagegen hält den Ball flach und zeigt dem Anwender gar nicht, was sein höchstauflösender Sensor bringen kann – und liefert visuell deutlich homogenere Ergebnisse über verschiedene Blendenwerte.

Neben all den bisher genannten Ursachen und Wirkungen der Beugung liegt der Wurm aber vor allem in einer zu hohen Miniaturisierung.

Die Kleinstsensoren moderner Kompakter (1/1,8 bis 1/2,7 Zoll) bräuchten theoretisch hochlichtstarke Objektive, um die geforderte optische Modulation auf den Sensor zu bringen. Sowohl die Abmessungen als auch das Gewicht, und vor allem die Kosten, solcher Optiken sind jedoch mit den Markt- und dem Gros der Kundenanforderungen nicht vereinbar. In unseren Tests beobachten wir unzweifelhaft, dass moderne Superkompakte mit 12 bis 16 Megapixeln gerade mal in der kurzen Brennweite bei offener Blende an die Grenzauflösung des Sensors gelangen. Und das meist nur in der Bildmitte, denn neben den optischen Verlusten zum Bildrand hin macht häufig die Interpolation der digitalen Verzeichnungskorrekturen der Randauflösung den Garaus. Hat so ein Zoom ab der mittleren Brennweite dann eine Lichtstärke von 1:4,5 oder weniger, ist es schon vorbei mit der hohen Pixelzahl. Man spricht von einem beugungsbegrenzten System. Immerhin verschlechtert das Abblenden bei vielen Kompakten die Auflösung nicht weiter, denn um Details nicht komplett zu verlieren, reduzieren viele Modelle das Licht nicht mehr über eine Verengung des Lichtweges, sondern durch Einschwenken eines Neutralgraufilters.

Damit der tapfere Leser dieses ausschweifenden Blickes auf die Beugung und ihr Umfeld nun nicht frei nach Goethe „… so viel weiß als wie zuvor …“ möchte ich ein paar Erfahrungswerte aus Jahren der Kamera- und Objektivmessung anbieten:

Wichtig sind primär moderne und lichtstarke Objektive, um den bei hoch integrierten Sensoren (= hohe Packungsdichte – siehe auch Pixelpitch) früher eintretenden Verlust beim Abblenden durch Erweiterung der Offenblendeignung zu kompensieren. Hier bieten auch kleinere Sensorformate interessante Lösungen und die neuen sehr lichtstarken Edelkompakten à la Panasonic Lumix LX5 oder Olympus XZ-1 zielen auf anspruchsvolle Anwender ab und bieten nicht umsonst vergleichsweise wenig Pixel auf einem nicht ganz kleinen Kompaktsensor.

Bei aktuellen Kleinbild-Vollformatkameras sollte man nicht weiter abblenden als 1:13 bis 1:16 . Höchst auflösende APS-Kameras begrenzen teilweise schon bei 1:9,5 bis 1:11 und bei FourThirds beginnt es in der Regel bei 1:8 bis 1:9,5.

Wer konstante Bildergebnisse vorzieht, sollte sich wieder mit der Zeitautomatik oder der manuellen Einstellung beschäftigen, denn hier wird die Blende beibehalten und nicht wie bei Programm- oder Blendenautomatik je nach Helligkeit verschoben, und damit die Beugung variiert.

Bei Superkompakten sollte man sich von den hohen Pixelzahlen nicht mehr zu viel erwarten. Tatsächlich hat sich der Markt durch die Marketingstrategien, aber auch durch die Illusion des „höher, schneller, weiter“ bei den Sensorzulieferern in eine echte Sackgasse manövriert. Toll ist dabei allerdings eine Option: ein 16-Megapixler kann jetzt auch in der zweithöchsten Auflösungsstufe verwendet werden. Die verkleinernde Interpolation (in der Kamera! – siehe Anhang *) auf z. B. 8 Megapixel verbessert nicht nur Rauschen und verringert Moiré und Artefakte, sondern belässt immer noch genug Spielraum auch für größere Abzüge.

Und wer schließlich seine Bilder beim Onlineservice auf Postkartenformate printen lässt oder bei einem Online-Portal veröffentlicht, darf komplett entspannt sein. Die Datenreduktion, sei es für den Bilder-Upload ins Netz oder für die Ausbelichtung auf den Maschinen, und besonders die überschaubare Größe der Ausgabeformate, lassen Bedenken zur Beugung zu einer Klage auf sehr, sehr hohem Niveau werden.

(Anders Uschold)
 
 
* Die verkleinernde Interpolation sollte unbedingt in der Kamera stattfinden, nicht in der Bildbearbeitung! Verkleinerung in der Kamera korrigiert das Aliasing, da es im günstigsten Fall gar nicht mehr auftritt oder sinnvoll gemittelt wird. Verkleinern in der EBV hingegen greift nicht mehr auf die Rohdaten zu und verschmiert deshalb nur die vorher entstandenen Moiré- und Aliasing-Artefakte (was bei Treppen und Schrägen sehr hässlich ist).
 
 
Siehe auch: Bildsensor und Bildgestaltung