1991 stellte das 1988 gegründete US-Unternehmen Dycam auf der CeBIT die erste Consumer-Digitalkamera des Weltmarktes vor. Das „Model 3/4“ (376×284 Pixel) wurde in Europa von Logitech als „Fotoman“ vertrieben. – Ein Zeitsprung, zurück zu jenen Tagen, da die Digitalfotografie sich anschickte, den Massenmarkt zu erobern:

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Oft wird der Beginn der digitalen Fotografie auf 1981 datiert. Bei der in diesem Jahr präsentierten, aber nie in Serie gegangenen, Sony MAVICA (MAgnetic VIdeo CAmera) handelte es sich um eine Still(bild)-Videokamera. Die MAVICA-Fotos wurden in analoger Form auf ein diskettenähnliches Medium geschrieben. Doch erst mit dem Logitech Fotoman, der heute den Charme futuristischer Gerätschaften früher Star-Trek-Staffeln verströmt und damals rund 2000 Mark (1000 Euro) kostete, begann der Siegeszug digitaler Kameras für Heimanwender.

Der circa 170x80x30 mm große und 300 Gramm schwere Fotoman besitzt die „sagenhafte“ Auflösung von 376×284 = 106784 Pixeln bei 256 Graustufen und eine Sensorempfindlichkeit von ISO 200. Der „Fotoman Plus“ bot 16,8 Millionen Farben (24 Bit). Neben baugleichen, in schwarzer Gehäusefarbe gehaltenen, Dycam-Modellen gab es noch ein Modell ADC. Mit der Agriculture (Landwirtschaft) Digital Camera sollte mit Hilfe der IR-Fotografie das Wachstum von Pflanzen besser kontrolliert werden können.

Bestückt ist der Fotoman mit einem 4,5/65 mm (bezogen auf Kleinbild) Fixfokus-Objektiv. Alles zwischen 1 m und Unendlich wird scharf erfasst. Bei zu wenig Licht schaltet sich der Blitz automatisch zu. Die Verschlusszeit wird per Zeitautomatik zwischen 1/30 – 1/1000 s geregelt. Bei hellem Tageslicht oder Blitznahaufnahmen muss ein 8x Neutralgraufilter aufgeschraubt werden, was die einzige Eingriffsmöglichkeit in die Belichtung darstellt. Betrieben wird der Fotoman über NiCd-Akkus, deren Ladezustand über Sein oder Nichtsein der geschossenen Fotos entscheidet! Denn um das Kamera-Betriebssystem (die Firmware) und die maximal 32 Aufnahmen im flüchtigen DRAM Speicher zu halten, müssen die gespeicherten Daten- und Bildinformationen von Zeit zu Zeit aufgefrischt werden, da sich Kondensatoren mit der Zeit selbst entladen. Sind die Akkus/Kondensatoren leer, sind alle Fotos weg. Spätestens nach 24 Stunden muss der Fotoman ans Ladegerät. Um diese Zeiten zu verlängern, gab es eine Lademöglichkeit über den Zigarettenanzünder eines PKWs. Seinerzeit berichtete eine Internetseite über einen „digitalen“ Motorradtrip, wo die Logi-Bilder abends per Laptop ins Internet gestellt wurden. Nichts Besonderes? 1995 schon!
 

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Für die 45-minütige Übertragung und Dekomprimierung aller 32 Fotos – um die Verbindung vom Fotoman zum Rechner kümmert sich eine langsame serielle COM-Schnittstelle – müssen alte DOS-Kenntnisse aufgefrischt und Kaffee bereitgestellt werden. Neben der Neugier auf die ebenso primitive wie erste Consumerdigitalkamera aus der „digitalen Steinzeit“ liegt der Reiz des für 20 Euro im Internet ersteigerten Fotomans in der puren Schwarzweißfotografie und im Gebrauch des körpereigenen „Zooms“ – Beine, Knie, Rücken und Kopf -, um Kamera und Festbrennweite die gezeigten Bildchen abzuringen.

(Ralf Jannke)
 

Nachtrag (18.10.2008; 16:05 Uhr): Hier ein Foto in Originalgröße:

Foto Ralf Jannke