Wenn ein Schuldiger für den Niedergang der klassischen digitalen Kompaktkamera gesucht wird, zeigen alle Finger schnell aufs Smartphone. Dabei schicken sich längst in immer mehr Haushalten Actioncams an, die Kompaktkamera zu verdrängen. Das britische Beratungsunternehmen Futurescore will gar ausgemacht haben, dass Actioncams die Geräteklasse ist, die in den nächsten Jahren die höchsten Wachstumsraten verzeichnen wird.

Die fetten Jahre der klassischen Fotoindustrie sind unwiderruflich vorbei. Der Wechsel von Analog auf Digital ist vollzogen. Heute haben Digitalkameras ein derart hohes technisches Niveau erreicht, dass viele Anwender ihren aktuellen Apparat deutlich später ersetzen werden, als das noch vor einigen Jahren üblich war.

Screen: GoPro

Actioncams vorbehalten war lange Zeit die Aufnahme spektakulärer Sport- und Actionszenen
(Screenshots: GoPro).

 

Zu allem Übel übernehmen auch noch neuartige Geräte vielfach die Funktion eines Fotoapparats. In erster Linie natürlich das Smartphone. Aber eben nicht nur, zunehmend schlüpfen auch Actioncams in die Rolle, die bei vielen Konsumenten bislang eine Digitalkamera innehatte.

Ursprünglich waren Actioncams dazu gedacht, spektakuläre Sportvideos zu drehen. Nick Woodman, Gründer von GoPro, entstammt der kalifornischen Surfer-Szene – kein Wunder also, dass die GoPro-Kameras von Anfang an wasserdicht waren. Zudem sind die Kameras ausgesprochen leicht und klein, sodass sie sich praktisch überall befestigen lassen.

Doch alleine mit Action-Junkies und Sport-Freaks können GoPro & Co. heute nicht mehr genügend Geld verdienen. Die Zielgruppe ist relativ überschaubar, Platzhirsch GoPro spürt das im Moment schmerzlich, Umsatz und Gewinn der Kalifornier stagnieren. Das mag auch daran liegen, dass der Pionier inzwischen kräftige Konkurrenz bekommen hat. Ähnlich leistungsfähige Actioncams wie die von GoPro sind zu deutlich geringeren Preisen erhältlich, etwa von der „neuen“ Rollei.

Und so schicken sich bezahlbare Actioncams zunehmend an, Wanderrucksäcke und Kinderzimmer zu erobern. Dort verdrängen sie dann die gute alte Fotokamera. So sieht es zumindest Thomas Güttler, Geschäftsführer der Hamburger Rollei GmbH & Co. KG: „Wir beobachten einen deutlichen Anstieg der Verkäufe auch an Nutzer, die nicht im Extremsport unterwegs sind, sondern die die Kameras vermehrt auch als Ersatz für die klassische Digitalkamera nutzen.“

Futurescore: Prognose Actioncams

Die britische Unternehmensberatung Futurescore prognostiziert Actioncams eine glänzende Zukunft.
 

Gestützt wird diese Beobachtung durch eine Studie der britischen Unternehmensberatung Futuresource. Sie prognostiziert, dass sich der Anteil der Actioncams an den „Image Capture Devices“ von zwölf Prozent im Jahr 2014 auf 37 Prozent in 2019 verdreifachen wird (wobei in der Untersuchung Smartphones offensichtlich nicht zu den „Image Capture Devices“ gezählt werden). Größte Verlierer bei dieser Verschiebung der Marktanteile sind traditionelle Camcorder und Kompaktkameras.

Display der Rollei 420

Ein Display zur Aufnahmekontrolle (hier bei der Rollei 420) ist ein Muss,
soll die Actioncam eine klassische Digitalkamera ersetzen.

 

Sicherlich, für die klassische Fotografie eignen sich Actioncams weniger. Meist fehlt es ihnen an der Möglichkeit zur Sucherbildkontrolle. Diese sowie die Bedienung sind meist an ein Smartphone oder eine Systemfernbedienung ausgelagert. Zudem schränken die starken Weitwinkelobjekte eine gezielte Bildgestaltung arg ein. Dafür punkten die kleinen Kameras meist mit ihrer Robustheit. Und es kommen immer mehr Actioncams auf den Markt, die eben doch mit einem klassischen Kontrolldisplay ausgestattet sind. Ein Trend übrigens, den GoPro lange verschlafen hat.

(Martin Vieten)