Nadja Auermann; Foto Jim RaketeJim Rakete hat für sein Buch „1/8 sec.“ mit einer Linhof-Großformatkamera gearbeitet, einem „Getüm von Kamera“. Sehr präzise ist diese Fotografie, sehr genau:

Prominenten-Fotografie ist eine recht dankbare Angelegenheit, denn ganz egal welche Qualität die Bilder haben, für Aufmerksamkeit ist stets gesorgt: Ein Publikum dafür gibt es immer. Zu den besten Vertretern jener Fotografie zählt – seit vielen Jahren schon – der 1951 geborene Berliner Fotograf Jim Rakete, der für seine neue, zwischen 2006 und 2007 entstandene Serie „1/8 sec. / Vertraute Fremde“ mit einer schweren, uralten Linhof-Plattenkamera gearbeitet hat. Einem, wie er selbst sagt, „Getüm von Kamera“.
 

Nadja Auermann; Foto Jim Rakete

Nadja Auermann, Berlin 2006. © 2008 by Jim Rakete / courtesy Schirmer/Mosel Verlag

 
Rakete ist selbst prominent, er war der erste Rock-Fotograf Deutschlands, deshalb hat er auch viele Prominente – viele Schauspieler und Filmemacher, Musiker und Politiker – vor die Linse bekommen: Mario Adorf etwa, Nena, Angela Merkel, Franz Müntefering, Martina Gedeck, Jürgen Vogel, Heike Makatsch, Götz George, Tom Tykwer, Fatih Akin,Wim Wenders, Ulrich Mühe, Heino Frech oder Volker Schlöndörff. Sie alle fotografiert Rakete – hier zeigt sich Könnerschaft – in ihrem Alter, in ihrer Verletzlichkeit. In ungewohnter Art und Weise.

Sehr präzise ist diese Fotografie, sehr genau. Das Kamera-Auge, die Linse, sieht mehr als wir gewöhnlich sehen. Da sind Poren und Falten, da sind Hautunreinheiten und Haare, da sind ungewöhnliche Blicke: Da ist viel Ungesehenes, das der Fotograf und ehemalige Musikmanager in 1/8 Sekunde Belichtungszeit auf Fotopapier bannt. Ein Bruchteil einer Sekunde, auf dem Feld der Fotografie jedoch eine lange, sehr lange Zeitspanne, die an die Frühzeit des Mediums denken lässt. Eine Zeit, die das menschliche Gehör bereits als Zeiteinheit wahrnimmt. Die Porträtierten müssen still halten, das ist heute ziemlich ungewöhnlich. Was sich hinter ihnen bewegt, verschwimmt. Eine Achtel Sekunde, Rakete nennt diese Zeitspanne den „Wimpernschlag der klassischen Photographie“. Selbstverständlich verzichtet des Asket auf jede digitale Nachbearbeitung.
 

Christiane Paul; Foto Jim Rakete  Nikolai Valuev; Foto Jim Rakete

Christiane Paul – Nikolai Valuev; Berlin 2007. © 2008 by Jim Rakete / courtesy Schirmer/Mosel Verlag

 
„Vertraute Fremde“ heißt der Untertitel der Serie – und tatsächlich gelingt es Rakete, Menschen, deren Antlitz, deren „öffentliches Bild“, man sehr genau zu kennen glaubt, auf wundersame Weise fremd aussehen zu lassen. Das Ergebnis ist in höchstem Maße klassisch, voller feiner Details. „Vordergrund, Hintergrund: einfach weg. Keine Farbe, kein Zitat, keine Mode“, so Rakete. „Was bleibt, ist die Situation, in der man die Begegnung hatte – und der Mensch, wie er wirklich ist.“ Bilder gegen die Bilderflut, die keinen Unterschied machen zwischen Kunst, Könnerschaft und virtuosem Handwerk.

Ein Handwerk, das in nur wenigen Jahrzehnten in Vergessenheit geraten könnte, denn bald, so Jim Rakete, wird es kein Filmmaterial für seine Plattenkamera mehr geben. Was wir hier sehen, so könnte man sagen, ist ein Abschiedsbuch. Eine stille Hommage an die Wurzeln des Fotografischen, die der Fotograf selbst „Gewebeproben der Seele“ nennt. Und sonderbar: „1/8 sec.“ ist nach einem 1997 erschienenen Band erst Jim Raketes zweites Fotobuch.

(Marc Peschke)
 
 

Titelabbildung 1/8 sec. von Jim Rakete

Ausstellungen:
Frankfurt
Deutsches Filmmuseum
Bis 4.1.2009

Ludwig Galerie Schloss Oberhausen
18.1. – 10.5.2009
 
Buch:
Jim Rakete
1/8 sec. (bei amazon.de)
Vertraute Fremde. Photographien
272 Seiten, 191 Duotone- und Farbtafeln
Format: 24,8 x 31,8 cm
Englisch, Deutsch
Verlag Schirmer/Mosel 2008
ISBN 978-3-8296-0296-9
68 Euro