Foto: Frank GaudlitzIn „Casa mare“ porträtiert Frank Gaudlitz Menschen aus verschiedenen Regionen Osteuropas, etwa aus der „Schwäbischen Türkei“, aus dem rumänischen Siebenbürgen, aus Bessarabien – zeigt Vielfalt, im Vergehen begriffen:

Die fotografischen Projekte des 1958 geborenen Potsdamer Fotografen Frank Gaudlitz haben ihren Ort oft in eher unbekannten Teilen Osteuropas. Das war schon bei seinem Buch „Warten auf Europa“ so. Hier fotografierte er Menschen, die er entlang der Donau bis zur Mündung ins Schwarze Meer traf – eher spontan, aus dem Augenblick heraus. Frank Gaudlitz’ neues Buch „Casa mare“ verfolgt nun einen anderen Ansatz.

In den eigenen vier Wänden, im Wohnzimmer, hat er Frauen und Männer unterschiedlicher Nationalitäten fotografiert. An Orten, die kaum ins Bewusstsein des „Alten Europa“ gerückt sind. Menschen aus dem mittleren und südlichen Osteuropa, etwa aus der sogenannten „Schwäbischen Türkei“ in Südwest-Ungarn, aus der Vojvodina in Serbien, aus dem rumänischen Siebenbürgen oder der Dobrudscha – oder aus Bessarabien in der Republik Moldau.
 

Foto: Frank Gaudlitz

 
Wie unterschiedlich die Menschen sind, die Gaudlitz vor die Kamera stellt: „Provinziell“ wirken nur die wenigsten. Manche sind traditionell gekleidet, wie etwa die Roma-Frauen in ihren exotisch anmutenden Gewändern, doch oft dominiert kosmopolitisch anmutende Eleganz: Kostüme, schulterfreie Abendkleider und Anzüge.

Wie unterschiedlich die Menschen, so auch ihre Wohnräume. Mal umgibt man sich mit herrlichen Antiquitäten, dann überwiegt bäuerliche Schlichtheit, oft garniert mit Teppichen und Heiligenbildchen. Doch auch die innenarchitektonische Massenware des Westens – die globalisierte Geschmackswelt – macht sich hier deutlich bemerkbar.

Es ist dennoch eine große Vielfalt, die Gaudlitz in seinem bei Hatje Cantz erschienenen Buch einfängt. Junge Männer, Teenager, faltige ältere Herren; da gibt es Mönche und Bodybuilder, wie der Fotograf erzählt: „Der Vorsteher eines Klosters – und der andere hat ein Kraft-Studio. So ist die Welt: sehr spannende Figuren miteinander.“ Spannende Figuren, ruhige, stille, kaum spektakuläre, doch so offen anmutende Portraits, die ausschließlich mit dem vorhandenen Licht und oft längeren Belichtungszeiten entstanden sind.
 

Foto: Frank Gaudlitz

 
Ein Buchprojekt, dessen Ziel es ist, kulturelle Traditionen in Zeiten des europäischen Einigungsprozesses sichtbar zu machen – und Distanz zu überwinden, wie Matthias Flügge in seinem Buchbeitrag schreibt: Die Fotografien „… überwinden die Distanz, wir können gleichsam diskret in sie eintreten, meist in eine anscheinend fremde Welt, in der die Menschen sich mit anderen Zeichen ihres Seins umgeben …“ Wir dürfen froh sein, in einer Zeit zu leben, in der man diese Unterschiede, diese kulturelle Differenz, dieses Vorhandensein von Vielfalt immer noch wahrnehmen kann.

(Marc Peschke)
 
 
Ausstellung:
21.4.10 bis 13.6.10; Di-Fr 14-19 Uhr
Guardini Galerie
Askanischer Platz 4
10963 Berlin

Buch:
Deutsches Kulturforum östliches Europa (Hrsg.)
Frank Gaudlitz. Casa Mare (bei amazon.de)
Texte von Matthias Flügge und Karl-Markus Gauß
Gebunden. 176 Seiten. 76 farbige Abbildungen
Deutsch, Englisch
Verlag Hatje Cantz 2009
ISBN 978-3775724920
35 Euro / CHF 59