Foto der D3s von Nikon100.000 ASA? Das klingt wirklich abenteuerlich und fast unglaubwürdig – aber die Nikon D3s kann es – nicht beeindruckend gut, aber sie kann es. Was kann sie noch? Nun, sie kann viel und manches sichtbar besser als die D3, vor allem Aufnahmen bei hohen und höchsten Empfindlichkeitseinstellungen:

Ausgehend von der bereits etablierten D3, die einen nominellen Einstellbereich bis ISO 25.600/45° hat, kommen bei der D3s zwei weitere Stufen dazu – ISO 51.200/48° und ISO 102.400/51°. Kann man diese Stufen nutzen, oder sind sie nur ein Marketingfeature?

Foto der D3s von Nikon

Zuerst ein paar Kommentare zur D3 bei ISO 12.800/42° und ISO 25.600/45°. Diese Werte sind nur beschränkt nutzbar. ISO 12.800/42° kann man noch verwenden, wenn es wirklich unbedingt notwendig ist und die Ansprüche an die Bildqualität sehr bescheiden sind – etwa auf Grund der Aktualität der Aufnahme oder irgendwelcher zwingender Beschränkungen. ISO 25.600/45° ist eine Sandgrube: die Farben sind vergraut und das Rauschen sehr signifikant. Reduziert man das Rauschen, dann ist die Auflösung deutlich schlechter.

Daher war ich sehr neugierig, ob die beiden noch höheren Empfindlichkeitsstufen der D3s überhaupt verwendbar sind – oder sich nur im Prospekt gut machen. Auch die Farbwiedergabe bei hohen Empfindlichkeiten war für mich von Interesse, da diese bei der D3 bei den höchsten Empfindlichkeiten deutlich schlechter wurde: die Farben verblassen bei ISO 25.600/45° und werden durch das starke Rauschen grau und recht unschön. Ein weiterer Effekt bei den höchsten Empfindlichkeiten ist, dass Spitzlichter und Lichtquellen eine über das ganze Bild gehende, vertikal- oder horizontale Störung erzeugen, die sich durch einen weißlichen Streifen ausweist.

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: die Nikon D3s ist einfach beeindruckend! Die hohen Empfindlichkeiten, also die Einstellungen, die über ISO 6400/39° hinausgehen, sind wirklich besser – viel besser, um genau zu sein. Mit der D3s kann man ohne Probleme auch mit ISO 25.600/45° arbeiten, auch ISO 51.200/48° sind noch mit Einschränkungen verwendbar. Nur ISO 102.400/51° ist eine Notlösung für Aufnahmen, wo es eben auf die Aktualität und den Inhalt, aber nicht auf die Bildqualität ankommt. Die Farbwiedergabe ist auch sichtbar reiner und brillanter geworden – was man bei den hohen ISO-Werten sehr deutlich sehen kann.

Alle Auswertungen der Testcharts wurden mit dem Programm Imatest gemacht, einige Informationen sind aus dem sehr umfangreichen Programm DXO Image Analyzer genommen, den ich dank DXOs Spendierfreude an der Höheren Graphischen Bundeslehranstalt für Unterrichtszwecke verwenden kann. Ich habe die Farbwiedergabe bei verschiedenen Helligkeiten des Targets verglichen; von recht hell bis sehr dunkel. Alle Aufnahmen wurden im NEF-Format gemacht und dann ohne Veränderungen und Verbesserungen mit Nikons Raw Konverter in TIFF konvertiert. Da es sich um Vergleichsmessungen handelt, habe ich bei beiden Kameras dasselbe Objektiv verwendet und alle Aufnahmen sofort hintereinander gemacht, damit die Verhältnisse möglichst identisch sind.

Die folgenden Aufnahmen entstanden in einem Kaffeehaus in Wien, ohne zusätzliches Licht, einfach die warme Raumbeleuchtung verwendend, die durch die altbraunen Holzwände und die dunkelroten Plüschsofas einen sehr warmen und runden Farbton verbreiteten – und genau der kommt für mich mit der D3s besser herüber. Die D3 gibt das Umgebungslicht nach meinem Geschmack zu gelblich wieder.
 

Foto Georg N. Nyman

Hier zunächst das komplette Motiv.

 
Ausschnitte aus dem Mittenbereich zeigen deutliche Unterschiede. Die unterschiedliche Farbwiedergabe und das stärkere Rauschen der D3 sind deutlich erkennbar:
 

Foto Georg N. Nyman  Foto Georg N. Nyman

ISO 800/30°: Links D3; rechts D3s
 
 
Foto Georg N. Nyman  Foto Georg N. Nyman

ISO 25.600/45°: Links D3, rechts D3s
 
 
Foto Georg N. Nyman  Foto Georg N. Nyman

D3s: Links bei ISO 51.200/48°; rechts bei ISO 102.400/51°

 
Nur bei ISO 102.400/51° ist das Rauschen so stark, dass die Aufnahme nicht mehr gut verwendbar ist.

Gut erkennbar ist die unterschiedliche Farbabstimmung der beiden Kameras. Die D3s hat nach meiner Meinung die besser korrigierbare Farbwiedergabe – zumindest bei „normalen“ Motiven. Die Sättigung erscheint mir auch höher und der gesamte Eindruck der Farben macht auf mich einen sehr ansprechenden Eindruck. Bei einem direkten Vergleich der beiden ISO-800-Aufnahmen kann man das gut erkennen:
 

Foto Georg N. Nyman  Foto Georg N. Nyman

Links D3; rechts D3s – beide bei ISO 3200/36° und mit demselben Objektiv, dem neuen 1,4/50 mm, gemacht. Stelle ich auf den am Tresen stehenden Zucker (Mitte rechts im Bild) neutral, so sieht man deutlich, was ich meine: das D3-Bild bleibt gelblich, wohingegen das D3s-Bild korrekter wird und meinem persönlichen Eindruck viel mehr entspricht.

 
Eine sehr interessante Frage ist für mich, wie es mit dem Dynamikumfang und dem Rauschen bei höheren und höchsten ISO-Einstellungen aussieht. Ich habe daher einen 20-stufigen Graukeil bei ziemlich abgedunkeltem Raum und immer geringer werdender Beleuchtung aufgenommen und dann mit Imatest ausgewertet.
 

Grafik Georg N. Nyman

Der Graukeil für die Auswertungen; jeweils bei sehr schwacher Beleuchtung aufgenommen (hier im Beispiel mit der D3 bei ISO 6400/39° mit dem 1,4/50 mm bei Blende 2,8 und 1/25 s)
 
 
Grafik Georg N. Nyman

Dynamikumfang der D3 bei ISO 6400/39°: Der „dynamic range“ liegt bei etwa 6 Stufen, was nicht gerade sehr viel ist (allerdings sind wir bereits bei ISO 6400/39°) und die lineare Wiedergabe der Grauwerte ist sehr begrenzt – theoretisch sollten alle kleinen Quadrate eine Gerade ergeben.
 
 
Grafik Georg N. Nyman

Dynamikumfang der D3s ISO 6400/39°: Das Ergebnis ist etwas besser, die D3s sieht eine Stufe mehr; es wurden 19 Stufen entdeckt gegenüber den 18 Stufen bei der D3. Außerdem zeigt die D3s ein halb so intensives Rauschen (Y= etwa 2,1% gegenüber der D3 mit etwa 5,5% – in den Grafiken im Diagrammteil links unten rechts ablesbar).

 
Nun zu einer weitaus höheren Empfindlichkeit: ISO 25.600/45°:
 

Grafik Georg N. Nyman

Dynamikumfang der D3 bei ISO 25.600/45°: Der Dynamikumfang der D3 ist auf etwa 5,5 Blendenstufen abgesunken, was zu erwarten war.
 
 
Grafik Georg N. Nyman

Die D3s jedoch hält sich weiterhin gut – auch ein Absinken, aber praktisch ein Umfang bei ISO 25.600/45°, wie die D3 ihn bei ISO 6400/39° hatte! Zu beachten ist auch der enorme Unterschied im Rauschen: die D3 zeigt bei ISO 25.600/45° etwa 8,8% – die D3s ist bei etwa 3% (jeweils links unten in der Grafik sichtbar).

 
Und wie macht sich die D3s bei ISO 51.200/48° und ISO 102.400/51°? Hier die Auswertungen – natürlich nur für die D3s, die D3 kann ja nur maximal ISO 25.600/45° (eigentlich sind es ISO 6400/39° zuzüglich zwei Plus-Stufen. Auch an der D3s kann man keine höheren Werte als ISO 25.600/45° einstellen, die beiden höchsten Werte sind nur über die +1- und +2-Stufe erzielbar).
 

Grafik Georg N. Nyman

Die D3s bei ISO 51.200/48°. Wie man sehen kann, bleibt der Dynamikbereich bei dieser und auch bei der höchsten Einstellung (siehe unten) gleich – es sind keine echten höheren Empfindlichkeiten, sondern es handelt sich um ISO 25.600/45° mit einer bzw. zwei Stufen Verstärkung.
 
 
Grafik Georg N. Nyman

Dynamikumfang der D3s bei ISO 102.400/51°: Es wird ziemlich deutlich, dass die Aufnahmen bei ISO 102.400/51° kaum mehr verwendbar sind, wenn es aber auf den Augenblick und das Ereignis ankommt, so können die sich durchaus noch sehen lassen.

Zu beachten ist der durch die Verstärkung bedingte deutliche Anstieg des Rauschens (in den Grafiken links unten, Y= Luminanz) von etwa 3 % über fast 5 % auf fast 8 %.

 
Als Praxisbeispiel hier noch eine Aufnahme aus der nächtlichen Mariahilfer Kirche in Wien: zuerst die gesamte Aufnahme mit dem neuen Nikon 1,4/50 mm AF und dann ein Ausschnitt aus dem Altarbereich – mit einer Belichtungszeit von 1/200 s …
 

Foto Georg N. Nyman

D3s, 1,4/50 mm AF bei ISO 102.400/51°
 
 
Foto Georg N. Nyman

Detail aus der vorigen Aufnahme

 
Fazit: Bis ISO 51.200/48° ist das Rauschen der D3s durchaus erträglich, wenn es primär auf den Inhalt der Aufnahme ankommt. Große Drucke sind nicht zu empfehlen, aber bis etwa A4, naja, mit einigen Abstrichen an die Qualitätserwartungen, das geht noch. Wenn man vorhat, größere Drucke als A4 zu machen, so würde ich empfehlen, nicht über ISO 25.600/45° zu gehen – da sind die Ergebnisse wirklich beachtlich und das Rauschen ist absolut akzeptabel für eine Aufnahme bei einer so hohen ISO-Einstellung.

Die Nikon D3s hat also eine mindestens um zwei Stufen bessere Grenzempfindlichkeit gegenüber der D3. Die Ergebnisse sind beeindruckend, machen Blitzen bei vielen Anlässen überflüssig (das stört ja meistens ohnehin) und die Farbwiedergabe gefällt mir besser als die der D3. Die Auflösung, die ich auch verglichen habe, ist mit der D3 vergleichbar, der Dynamikumfang merklich größer. Und so ist für mich die D3s eine universelle DSLR der Spitzenklasse, die es mir erlaubt, in bisher nicht oder nur kaum erreichbare Schwachlichtbereiche vorzustoßen und Aufnahmen zu machen, die vorher nicht möglich gewesen sind.

(Georg N. Nyman)
 
 
Siehe auch:
Also doch: Nikon mit Vollformat-DSLR D3
Höchstempfindlich: Nikon D3s
Nikon D3s bei ISO 102.400/51°
 

Nachtrag (26.12.2009): Bei den beiden Vergleichsaufnahmen mit dem gesamten Kaffeehaus-Motiv (Links D3; rechts D3s – beide bei ISO 3200/36° und mit demselben Objektiv, dem neuen 1,4/50 mm, gemacht …) haben wir irrtümlich nicht die korrespondierende D3s-Aufnahme abgebildet, sondern eine Variante, die mit etwas anderen Einstellungen aufgenommen wurde. Die Aufnahme wurde auf den Wegen zwischen Schreiben, Übermitteln, Redigieren, Prüfen und Publizieren vertauscht und keiner hat’s gemerkt. Das wurde korrigiert; sprich, die rechte Aufnahme des Vergleichs wurde gegen die richtige Version ausgetauscht. Das ändert aber nichts am Gesagten (die Auswertungen und Schlussfolgerungen erfolgten anhand der richtigen Aufnahme), und ergänzend sei noch hinzugefügt, was ja auch Tenor des Artikels ist: Beide Aufnahmen sind gleichwertig belichtet, aber D3 / D3s zeichnen jeweils anders auf.