Foto von Robert Capa 1951

Über fünfzig Jahre lang lagerte sie vergessen im Keller, die erste Ausstellung „Gesicht der Zeit“ der berühmtesten Fotografen-Kooperative. Erst kürzlich wurden die 83 Vintage Prints von Werner Bischof, Henri Cartier-Bresson, Robert Capa, Ernst Haas, Erich Lessing, Jean Marquis, Inge Morath und Marc Riboud wiederentdeckt:

 
 
 

Foto von Robert Capa 1951

© Robert Capa / Magnum Photos – Baskenland, Dorffest im Baskenland, Frankreich, 1951

 
„Wenn deine Bilder nicht gut genug sind – dann bist du nicht nah genug dran!“, so einfach ist das, so schwer, zumindest in den Worten von Robert Capa. Nah genug dran sein, nah genug am Menschen, so dicht wie möglich, dass kein Fingerbreit mehr zwischen Fotograf und Sujet passt, Anteilnahme, Empathie als innere Haltung – sind das die Schlagworte, die eine Antwort geben auf die Frage: Was ist eine Magnum-Fotografie?

Magnum Photos, das ist, je nach Blickwinkel, eine Fotografen-Kooperative, eine Künstler-Initiative oder eine Foto-Agentur, die im vergangenen Jahr ihren sechzigsten Geburtstag feierte. Das ist das eine. Doch natürlich ist Magnum mehr als das, mehr als die „bekannteste Fotoagentur der Welt“, mehr als ein illustrer Kreis von Fotografen, mehr als abertausende von Bildern, die in mehr als einem halben Jahrhundert entstanden sind, der Wirklichkeit abgerungen wurden. Mehr, denn: Magnum ist ein Mythos. Der Agentur haftet seit Anbeginn – seit der Gründung 1947 durch Robert Capa, den ersten Präsidenten und Geschäftsführer, Henri Cartier-Bresson, David Seymour und George Rodger in Paris – etwas an, was man schwerlich beschreiben kann.
 

Foto von Jean Marquis 1954

© Jean Marquis / Magnum Photos – Ungarn, Donaukai, Budapest, Ungarn, 1954

 
Am Beginn von Magnum Photos soll, so die Legende, das gemeinsame Leeren eine Magnum-Flasche Champagner gestanden haben. Dahinter stand ein hoffnungsvoller, optimistischer Gedanke: jener nämlich, dass Fotografie, dass authentische Bilder der Welt, diese tatsächlich verändern könnten. Doch neben den künstlerischen Zielen, den moralischen, ging es auch um etwas anderes, um den Urheberschutz der Fotografen nämlich, um die Kontrolle über die Verwertung des Bildes, um das Eigentumsrecht am Negativ. „Ein Journalist ist Nichts“, so sagte Capa einmal, „wenn er nicht die Rechte an seinen Negativen besitzt.“

Im vergangenen Jahr – zum 60. Geburtstag – war Magnum mal wieder in aller Munde. Ausstellungen begleiteten das Jubiläum und im Münchner Verlag Schirmer/Mosel erschien mit „Magnum Magnum“ eine „Festschrift zum Jubiläum“: das größte Buch über Magnum, dass es je gab. Jetzt legt das Wiener Fotomuseum WestLicht nach: Eine große Schau zeigt bis zum 18. Mai „Magnum’s first“, eine Ausstellung, die mit der Legende aufräumt, dass sich die Magnum-Fotografen erstmals 1956 auf der Kölner photokina mit einer von Fritz Gruber kuratierten Gruppenschau vorgestellt hätten.
 

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Dr. Christoph Schaden und Prof. Erich Lessing beim Sichten der wiedergefundenen ersten Ausstellung von Magnum. © WestLicht

 
Tatsächlich rückt ein kürzlich gemachter Fund – zwei Kisten mit 83 Magnum-Vintage Prints – diese Fehleinschätzung zurecht: Im Keller des französischen Kulturinstitutes in Innsbruck fand man den Schatz, der von Kunsthistoriker und Publizist Christoph Schaden aufgearbeitet wurde. Das Ergebnis: „Gesicht der Zeit“ war der Titel einer bereits im Sommer 1955 im Institut Français in Innsbruck gezeigten, vom „Klub der Amateur-Photographen Graz“ organisierten Schau, die unter anderem Arbeiten von Ernst Haas, Werner Bischof, Robert Capa und Henri Cartier-Bresson zeigte. Von HCB eine Reportage über die letzten Tage Mahatma Gandhis, von Haas eine Serie über die Dreharbeiten von Howard Hawks Monumentalfilm „Land der Pharaonen“: „Bilder von einer ungeheuren Wucht“, wie Schaden urteilt, die kurz nach der Eröffnung in Innsbruck noch in der Wiener Galerie Würthle, im Bregenzer Palais Thurn und Taxis, im Joanneum in Graz und in der Neuen Galerie in Linz präsentiert wurden.
 

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© Inge Morath / Magnum Photos – Mayfair, Vor Lloyd’s Bank, London, Großbritannien, 1953

 
Auch Inge Morath war mit einer London-Reportage vertreten, Erich Lessing mit einer Arbeit über Kinder in Wien, Marc Riboud mit einer Serie über Dalmatien, Jean Marquis mit Ungarn-Fotos – vollendete, gänzlich unspektakuläre Bilder. Beispiele eines „fotografischen Humanismus“, die man nicht nur in der Wiener Ausstellung und später in Hamburg und München bewundern kann, sondern auch in einem bei Hatje Cantz erschienenen Bildband, der eine vollständige Dokumentation der historischen Schau darstellt. Alle 83 Schwarzweißfotografien sind großformatig abgedruckt – ein Text von Christoph Schaden führt auf spannende Weise in das Thema ein.

(Marc Peschke)
 

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Buch:
Peter Coeln, Achim Heine und Andrea Holzherr (Hrsg.)
MAGNUM’s first (bei amazon.de)
Text von Christoph Schaden
Deutsch/Englisch/Französisch
Verlag Hatje Cantz 2008
212 Seiten, 83 farbige Abbildungen. 24,5 x 32,5 cm
Gebunden mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-7757-2215-5
€ 39,80 / CHF 69
 

 
Ausstellungen:
WestLicht, Schauplatz für Fotografie; Wien 8.4.-18.5.2008
Flo Peters Gallery, Hamburg; September – Oktober 2008
Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern, München; Februar – Mai 2009