„Tschechische Fotografie des 20. Jahrhunderts“, das ist ein Ausstellungstitel mit einem großen Anspruch. Denn DIE tschechische Fotografie des Jahrhunderts in einer Ausstellung abzubilden, ist alles andere als ein leichtes Unterfangen. Trotzdem unternimmt die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland jetzt den spannenden Versuch:
Frantisek Drtikol: Wave, 1925. Pigment print from 1927, 13×29,1 cm. Museum of Decorative Arts in Prague.
Es ist eine große Ausstellung. 440 Fotografien sind zu sehen, die das gesamte 20. Jahrhundert überspannen. Präsentiert werden natürlich die bekannten Protagonisten: Künstler wie Josef Sudek, Jaroslav Rössler, Jaromír Funke, Josef Koudelka, Emila Medkova, Antonín Kratochvíl, Frantisek Drtikol oder Jan Saudek Bildautoren, die den legendären Ruf der tschechischen Fotografie begründet haben. Doch sie sind nur ein kleiner Teil der Schau: Beinahe 200 Fotografen und Fotografinnen werden präsentiert, darunter auch in Deutschland weniger bekannte Bildautoren wie Karel Hájek, Václav Jíru, Vilém Reichmann oder Jan Reich.
Jaromír Funke: From the Time Persists serie, 1932. 38,6×28,6 cm. Museum of Decorative Arts in Prague / Jaroslav Rössler: OMTO, 1926-27. Collage, 29,9×24 cm. Museum of Decorative Arts in Prague.
Die Ausstellung, die ab dem 13. März 2009 bis Ende Juli in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland zu sehen sein wird, vermittelt vor allem, wie weitverzweigt die tschechische Fotokunst ist: Da gibt es klassische Bildreportagen zu bestaunen, surrealistische Avantgardefotografie, Abstrakt-Konstruktivistisches, Dokumentarisches, Piktoralismus und Neue Sachlichkeit, dazu Experimentell-Subjektives von hierzulande ganz unbekannten Fotokünstlern. Dazu die Klassiker, Fotografen wie Frantisek Drtikol, der schon in den zwanziger Jahren seine bedeutendsten Arbeiten, darunter viele Akte, geschaffen hat. Später dann die Künstler der Zwischenkriegszeit wie Funke, Sudek oder Rössler bis hin zu den weltbekannten Aktfotografien von Jan Saudek und dem Dokumentarismus Josef Koudelkas.
Rudolf Schneider-Rohan: Study, circa 1930. 27,3×28,2 cm. Museum of Decorative Arts in Prague.
Josef Sudek: Still-life after Caravaggio, Variation No 2 (or a night-time Variation), 1956. 29,7×39,8 cm. Museum of Decorative Arts in Prague.
Doch was verbindet all diese Genres, die vielen Fotografen und Fotografinnen außer der Tatsache, dass sie allesamt Tschechen sind? Jan Mlčoch, ein Kenner der tschechischen Fotografie und gemeinsam mit Vladimír Birgus Kurator der Ausstellung, hat einmal geschrieben, die tschechische Fotografie verbinde „ein gewisser Lyrismus und eine Betonung der Intimität“. Und tatsächlich zeichnet die meisten der gezeigten Arbeiten eine sehr persönliche Note aus. Das Intime, Tagebuchhafte, das Innerliche das könnte man tatsächlich als besondere Note der tschechischen Fotografie bezeichnen. Viele der präsentierten Arbeiten, das darf man nicht vergessen, waren nicht für die Öffentlichkeit bestimmt entstanden in sowjetischer Zeit in einer Art inneren Emigration.
Zu den tschechischen und tschechoslowakischen Autoren gesellen sich in der Ausstellung Bilder, die von deutschen Fotografen gemacht wurden, die während der Nazizeit vor allem in Prag Asyl gefunden haben, wie etwa John Heartfield oder Raoul Hausmann. Heartfield veröffentlichte seine bekannten Fotocollagen in der in Prag herausgegebenen „Arbeiter illustrierte Zeitung“. Nur ein weiterer Mosaikstein einer faszinierenden Schau, die in Zusammenarbeit mit dem Museum für Angewandte Kunst in Prag entstanden ist.
(Marc Peschke)
Arnoltice: from the Village Life series, 1985. 30,3×40,5 cm. Museum of Decorative Arts in Prague
Ausstellung:
Tschechische Fotografie des 20. Jahrhunderts
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
Friedrich-Ebert-Allee 4
D-53113 Bonn
Telefon 0228-9171203
13. März bis 27. Juli 2009
Sehr schön!
Danke für den Tipp, habe mir auf der Seite zur Ausstellung selbst den Film der DVD angeschaut, gut gemacht. Die Ausstellung ist hier gleich um die Ecke, da werde ich die Tage mal reinschauen.