Erst bezahlen, dann entwickeln und liefern. Das ist das Modell von Crowdfunding à la Kickstarter. Durch die Vorfinanzierung sollen Künstler sowie Bastler und Tüftler in die Lage versetzt werden, ihre Projekte und Produkte zu verwirklichen. Doch das kann auch schiefgehen, wie das Projekt KitSentry zeigt. Das Produkt wird nicht kommen, das eingesammelte Geld ist weg.

Wem schon einmal die Fotoausrüstung gestohlen wurde, wird die Idee von KitSentry sicherlich bestechend finden. KitSentry sollte aus Fototaschen, Kameragurten etc. bestehen, die mit einem Sender versehen dem berechtigten Besitzer jederzeit ihren Aufenthaltsort anzeigen. Entwickeln wollte es der kleine amerikanische Fotorucksack-Hersteller f-stop. Zur Finanzierung der Entwicklung startete f-stop im Februar letzten Jahres eine Kickstarter-Kampagne, die in wenigen Wochen 27.000 US-Dollar einbrachte und damit die das Finanzierungsziel von 18.000 Dollar weit überstieg.

KitSentry auf Kickstarter

KitSentry wollte ein intelligentes System zur Verwaltung und
Nachverfolgung der Kameraausrüstung sein. Doch viel mehr
als Funktionsskizzen waren auf Kickstarter nicht zu sehen.

 

Mit dem Erreichen des Finanzierungsziels war für kickstarter.com alles klar, das eingesammelte Geld ging an f-stop (natürlich abzüglich einer Provision, im Falle von kickstarter.com sind es fünf Prozent). Zurückbekommen hätten die „Vorbesteller“ ihren Betrag nur, falls innerhalb der vorgesehenen Frist nicht die Mindestsumme der Kampagne eingesammelt worden wäre. 

Doch warum sich um seinen gezahlten Crowdfunding-Beitrag sorgen? Mit KitSentry schien ja zunächst alles seinen beabsichtigten Gang zu gehen, mit Tests der Prototypen, Evaluierung von Produktionspartner, der App-Entwicklung etc. Im Oktober 2015 sollten die ersten KitSentry-Produkte an die Unterstützer ausgeliefert werden.

Doch daraus wurde nichts, im August 2015 veröffentlichte das KitSentry-Team auf Kickstarter ein Update, demzufolge die Entwicklung stockt und sich die Auslieferung um drei bis vier Monate verzögert. Erste Unterstützer baten daraufhin um einen aktualisierten Zeitplan, doch das KitSentry-Team versank in Schweigen. Erst im Dezember gab es ein kleines Projekt-Update, in dem die Auslieferung von KitSentry nunmehr für das späte Frühjahr 2016 versrochen wurde.

Dann kam im April 2016 die niederschmetternde Nachricht: Das eingesammelte Geld reicht nicht zur Finanzierung des Projekts, es seien unerwartete technische Schwierigkeiten aufgetaucht, aber auch Probleme mit Patentrechten. Das KitSentry-Team entschuldigte sich wortreich für die sehr späte Information, versprach für die Zukunft Besserung und stellte eine weitere Crowdfunding-Kampagne in Aussicht, die das Projekt noch retten sollte.

Es folgte: erneutes Schweigen. Bis f-stop am vergangenen Sonntag das endgültige Aus für KitSentry verkündete. Bitter dabei: Unterstützer des Projekts werden ihr Geld nicht wiedersehen, einzig einen Gutschein auf andere Produkte von f-stop in Höhe des Unterstützerbetrags stellt das Unternehmen in Aussicht. Gescheitert sei KitSentry an unüberwindlichen Problemen bei der Hard- und Software-Entwicklung aber auch an unerwarteten rechtlichen Hürden.

Nun liegt es in der Natur der Sache, dass ein Kickstarter-Projekt schon einmal in die Hose gehen kann. Darüber sollte sich jeder Unterstützer klar sein, dafür bekommen sie oftmals beachtliche Sonderkonditionen. So konnte etwa Triggertrap seine Kamera-Fernsteuerung Ada nicht auf den Markt bringen, obwohl das Finanzierungsziel von 50.000 Britischen Pfund sechsmal überschritten wurde. Aber anders als f-stop hat Triggertrap seine Unterstützer fortwährend über den Stand des Projekts informiert, am Ende gab es wenigstens 20 Prozent des eingezahlten Betrags zurück.

Inzwischen mehren sich Stimmen, dass KitSentry von f-stop von vorneherein zum Scheitern verurteilt war. Das Online-Magazin Resource hat dazu bereits Anfang August einen ausführlichen Artikel publiziert. Darin wird ein auf eigenen Wunsch ungenannter F-stop-Insider zitiert, demzufolge die Geschichte von KitSentry wie eine Räuberpistole klingt:  Die Idee zu dem Projekt sei von einem ehemaligen f-stop-Mitarbeiter „gestohlen“ worden, der sich damit selbstständig machen wollte. Das habe der f-stop-Inhaber und CEO nicht auf sich sitzen lassen wollen und die KitSentry-Kampagne zu einem sehr frühen Zeitpunkt gestartet – ohne dass klar war, ob und zu welchen Kosten sich das Projekt überhaupt verwirklichen ließe. Zudem habe der Inhaber immer wieder Geld aus dem Unternehmen gezogen, um seinen aufwändigen Lebensstil finanzieren zu können. Mittlerweile scheint die Firma kurz vor der Pleite zu stehen, auch klassische Kamerarucksäcke kann das Unternehmen kaum noch liefern, wie es in einem Blog-Eintrag selbst eingesteht.

Prototyp von KitSentry

Ist von einem Projekt nicht mehr zu sehen, als eine Konzeptstudie
(hier von KitSentry) ist Vorsicht geboten.

 

Natürlich ist das Scheitern von KitSentry zunächst nur ein Einzelfall und sollte die Idee des Crowdfundings nicht generell in Misskredit bringen. Doch jeder, der ein Projekt unterstützen möchte, sollte es zunächst gründlich prüfen. Achten Sie dabei vor allem auf die Angaben, wofür Ihr Geld verwendet werden soll. Fließt es etwa wie kürzlich im Fall von FLM in die Finanzierung von Werkzeugen zur Produktion eines fertig entwickelten Stativs, ist das Risiko überschaubar. Soll Ihr Geld hingegen wie bei KitSentry zur Realisierung einer bislang vagen Idee herangezogen werden, ist Vorsicht geboten. Zu groß ist die Gefahr, dass das Projekt scheitert und das eingesetzte Kapital verloren geht.

(Martin Vieten)