Foto vom iPhone 4 von AppleNoch leistungsstärker, noch teurer – und noch erfolgreicher: Die vierte iPhone-Generation bricht wieder Verkaufsrekorde. Inwieweit der Hype gerechtfertigt ist, klärt unser Praxistest:

Apple scheint mit seiner Ein-Geräte-Politik goldrichtig zu liegen. Obwohl die Kalifornier nur ein iPhone pro Jahr auf dem Markt bringen, sicherte sich die Firma rund um Steve Jobs weltweit bereits einen zweistelligen Smartphone-Marktanteil. Damit das so bleibt, setzt Apple beim iPhone 4 nicht nur auf einen neuen Look, sondern erfreulicherweise auch auf eine deutlich verbesserte Kamerafunktion. Dazu gleich noch mehr …

Foto vom iPhone 4 von Apple

Hochwertiger Auftritt

Nach drei Hardware-Generationen hat Apple das iPhone erstmals einem kompletten Facelifting unterzogen. Auffällig ist vor allem der etwas kantigere Formfaktor sowie der massive Metallrahmen, der das iPhone deutlich robuster wirken lässt. Durch den Verzicht auf eine abgerundete Rückseite fällt das neue iPhone zudem merklich flacher aus und unterschreitet erstmals eine Bautiefe von einem Zentimeter. Edel sieht ferner der mit Glas überzogene Rücken aus, wenngleich er Fingerabdrücke und Schmutz geradezu magisch anzieht. Außerdem ist das neue Kult-Smartphone nun 2 Gramm schwerer geworden, was aber im Alltag nicht auffällt.

Auch bei Detailfragen hat sich einiges verändert. So befindet sich der Kartenslot erstmals auf der rechten Geräteseite. Zudem schluckt das iPhone 4 genau wie das iPad nur die neuen Micro-SIM-Karten, um noch mehr Platz für High Tech auf engstem Raum zu schaffen.

Bei der Verarbeitungsqualität haben die Entwickler ganze Arbeit geleistet. Der hochwertige Materialmix und die kompromisslose Verarbeitungsqualität machen aus der vierten Auflage das bislang wertigste und edelste iPhone.

Der überzeugende Auftritt setzt sich fort, sobald man den Kalifornier in Betrieb nimmt, denn das sogenannte „Retina-Display“ setzt mit einer Auflösung von 960×640 Bildpunkten qualitativ neue Maßstäbe im Mobiltelefon-Bereich. Im Zusammenspiel mit der Eigenentwicklung IPS („In Plane Switching“) bietet der Touchscreen eine bestechende Brillanz und lässt sich bei auch bei extremer Neigung noch ablesen. Gerade Texte Schwarz auf Weiß sehen wie gedruckt aus, weswegen sich das iPhone 4 auch ideal als e-Book-Reader eignet. Nur das Samsung Wave mit seinem Super-AMOLED-Display kann da qualitativ noch mithalten.

Foto der Rückseitenkamera beim iPhone 4 von Apple

Aufgebohrter Knipser

Bei der Ausstattung hat sich insbesondere im Bereich Kameraqualitäten gegenüber dem Vorgängermodell einiges getan. So knipst das iPhone 4 nun auf 5-Megapixel-Niveau (2.592×1.944 Pixel); wobei Apple sich weitgehend bedeckt hält, was die Technischen Daten des Kameramoduls angeht: offensichtlich sind rückseitig ein Autofokusobjektiv 2,4/3,85 mm (ca. 2,4/35 mm entspr. Kleinbild) und der OmniVision OV5653 (PDF-Datei) – ein rückbeleuchteter 1/3,2-Zoll-Sensor – eingebaut. Unterstützt wird die Kamera durch ein neues LED-Fotolicht, um auch bei widrigen Lichtverhältnissen vernünftige Schnappschüsse zu ermöglichen. Diese beiden Maßnahmen wirken sich zwar signifikant auf die Fotoqualität aus, dennoch erreicht auch das neueste iPhone in diesem Punkt nicht das Niveau einer Einsteiger-Kamera. Es lassen sich aber zumindest bei Tageslicht 100% abzugstaugliche Fotos erzielen; die Farbabstimmung ist satt-kräftig. Sobald es düster wird, überzeugt zwar die überdurchschnittlich gute Lichtempfindlichkeit, doch Unschärfe, Blässe, den kalten Blaustich und das Bildrauschen bekommt auch das iPhone 4 abends und in geschlossen Räumen nicht 100%ig in den Griff. Dennoch: Mit dieser Kamera kann man Spaß haben, zumal sie sich denkbar einfach bedienen lässt und recht flott ist. Praktisch auch der Touch-Fokus (Tipp‘ dahin, wo es scharf sein soll), wobei noch eleganter wäre, wäre das auch ein Touch-Auslöser: Auf Fingertipp hin Scharfstell-Punkt bestimmen und gleich Auslösen.

Spaß bereitet auch der aufgerüstete Camcorder, der Clips im HD-Format 720p mit bis zu 30 Bildern pro Sekunde liefert. Die Clips sind nicht nur schnell im Kasten, sie überzeugen auch durch ein scharfes Bild und einen klaren Sound.

Foto thoMas

Neben der Rückseitenkamera hat das iPhone 4 auch eine VGA-Frontkamera, mit der man nicht nur – endlich – bequem Fotos von sich selbst knipsen, sondern auch Videotelefonate in einer neuen Qualitätsdimension führen kann. „FaceTime“ hat Apple diese hochwertige Videotelefonie-Funktion getauft, die nichts mit den ruckeligen Bildtelefonaten via UMTS zu tun hat. Kein Wunder, denn die technischen Voraussetzungen für FaceTime sind sehr restriktiv: Zum einen funktioniert es derzeit nur zwischen zwei iPhone-4-Besitzern, zum anderen müssen beide in ein W-LAN-Netz eingeloggt sein. Apple denkt bei dieser Technologie perspektivisch, denn die FaceTime-Software steht auch anderen Herstellern zur Verfügung und Telefonate über W-LAN haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem 3G-Netz: es entstehen keine zusätzlichen Kosten. In Zukunft allerdings, sofern die Provider mitspielen, will Apple FaceTime auch übers 3G-Netz ermöglichen.

Apropos W-LAN: Neben dem Samsung Wave und Galaxy S unterstützt auch das neueste iPhone den neuen 802.11n-Standard im Bereich 2,4 GHz, sodass in kompatiblen Hot Spots eine höhere Datenübertragung möglich ist. Aber auch wenn der Nutzer nicht in einem lokalen Netzwerk eingeloggt ist, sind hohe Datendurchsätze möglich. Denn dank HSDPA sind Downloads mit bis zu 7,2 Mbit/s und Uploads mit bis zu 5 Mbit/s möglich. Diese Bandbreiten sind derzeit aber eher theoretischer Natur und lassen sich nur einigen Großstädten erzielen.

Softwareseitig haben sich ebenfalls ein paar Dinge getan, was aber in erster Linie am neuen Betriebssystem iOS4 liegt, das auch für die beiden Vorgänger-Modelle zum Download bereit steht. Zu den herausragenden neuen Funktionen gehören das Multitasking, also das parallele Betreiben von Anwendungen (ein Doppelklick auf die Home-Taste listet alle aktiven Programme auf), das Apple nun auch anderen Programmen erlaubt, das Erstellen eigener Sammelordner („Folder“), sowie der zentrale Posteingang.

Unter dem Strich ist die Ausstattung somit schlichtweg sehr gut, zumal dank des App-Stores mittlerweile über 200.000 Anwendungen jeglicher Couleur zum Download bereitstehen.

Noch besserer Performer

Angetrieben durch Apples A4-Chip, der auch im iPad werkelt, soll das neueste iPhone noch flotter arbeiten. Das tut die vierte Auflage zweifellos, denn Anwendungen öffnen sich schnell und auch das Browsen macht richtig Laune. Die Neuerungen des iOS4 (iBooks, Multitasking, Unterstützung von Bluetooth-Tastaturen, Datenverschlüsselung, …) sind auch nicht zu verachten. Sie erschließen sich allerdings nur dem iPhone 3GS und 4. Das ältere 3G mit weniger Speicher unterstützt zum einen nicht alle Funktionen und wird zum anderen ärgerlich langsam – das Upgrade auf iOS4 ist bei einem 3G derzeit nicht zu empfehlen. (Zum Ausstattungs-Vergleich 3GS / 4 siehe iPhone-Modelle vergleichen bei Apple.)

Auch bei der Akkuleistung ist ein Fortschritt zu erkennen. Zwar ist der Ruhebetrieb nicht viel länger, doch bei Intensivnutzung kitzelt der Akku noch ein paar Stunden mehr Rufbereitschaft heraus – was im übrigen auch am stromsparenden A4-Chipsatz liegen soll.

Tastenbelegung des iPhone 4 von Apple

Achillesfersen

Eine regelrechte Achillesferse des iPhone 4 ist die Empfangsleistung. Grund: der umlaufende Metallrahmen ist eigentlich zwei Antennen: linker Hand (von vorne betrachtet) jene für Bluetooth, Wi-Fi und GPS, rechter Hand jene für UMTS und GSM. Greift man nun das iPhone 4, so werden die beiden nicht isolierten Antennen unweigerlich (durch Haut und -Feuchtigkeit) gekoppelt und die Empfangsleistung bricht ein (siehe auch The Real Story on iPhone 4’s Antenna). In einem „Letter from Apple Regarding iPhone 4“ geht das kalifornische Unternehmen auf das Problem ein. Ein Absinken um 1-2 Balken sei normal, wenn man ein beliebiges Handy in die Hand nehme – man habe nun aber festgestellt, dass die Formel falsch sei, nach der die Empfangsleistung des iPhones berechnet und als Balken darstellt werde – das gelte im übrigen für alle bisherigen iPhones – und man wolle künftig AT&Ts empfohlene Formel verwenden. In ein paar Wochen soll sie allen Kunden mittels eines kostenlosen Softwareupdates zur Verfügung gestellt werden. An der Empfangsleistung ändere das nichts, aber die tatsächlichen Werte würden so genauer reflektiert. Abschließend erinnert Apple daran, dass man das iPhone innerhalb 30 Tagen bei voller Kostenerstattung zurückgeben könne, sofern man nicht völlig zufrieden sei.

Foto vom iPhone 4 Bumper von Apple

Wobei die Empfangsleistung des iPhone 4, so Apple, allen Tests und auch den meisten Anwenderrückmeldungen zufolge die bisher beste bei einem iPhone sei. Das mag stimmen; Problem bleibt dennoch, dass die beiden Antennen nicht abisoliert sind und beim Hand-Griff nahezu unweigerlich gekoppelt werden. Das sollte in Gebieten mit gutem Empfang kein Problem darstellen; dort wird er trotzdem ungestört bleiben – bei schwachem Empfang allerdings gibt es – trotz des avisierten Software-Updates zur Balken-Berichtigung – wohl nur zwei Lösungen für ungestörte Handy-Telefonate: iPhone 4 zurückgeben und ein anderes Handy wählen; oder aber Apples iPhone 4 Bumper (links im Bild) oder ein anderes Schutzgehäuse kaufen, damit die Antennen gegen die Hand abisoliert werden.

Um die Verständigung zu optimieren, haben die Entwickler ein zweites Mikrofon eingebaut. Auf diese Weise werden Störgeräusche analysiert und eliminiert. Das gelingt zwar tatsächlich, doch im Gegenzug klingen die Stimmen nicht sonderlich natürlich und etwas dumpf. Für dieses generelle Mobiltelefon-Problem scheinen auch die genialen Tüftler aus Kalifornien noch kein probates Mittel gefunden zu haben.

Und was macht die Handhabung? In diesem Punkt hat sich gegenüber dem Vorgänger nichts getan. Wozu auch, sind die Erfinder des kinetischen Scrollings und der Multitouch-Eingaben doch in diesem Bereich immer noch das Maß aller Smartphone-Dinge.

Fazit

Böse Zungen behaupten, dass das neue iPhone weniger bietet, als die neue Optik verspricht. Dazu muss man aber fairerweise sagen, dass die Qualität des iPhone 3GS bereits so hoch war, dass der Spielraum für qualitative Verbesserungen immer geringer wird. Mit dem ultra-hochauflösenden Display, den aufgebohrten Kamera- / Video-Funktionen und den schnelleren Datenbahnen liefert das iPhone 4 aber genügend Gründe, neu einzusteigen bzw. zu wechseln, denn das neueste Apple-Phone ist gleichzeitig auch das Beste. Zu kritisieren ist allerdings die eher mäßige Vorstellung im Bereich Messwerte, allen voran die kritische Empfangsleistung. Unschön ist zudem die kastrierte Bluetooth-Schnittstelle, denn der Versand von Daten funktioniert nach wie vor nicht.

(Ulf Schneider / thoMas)
 
 

Ausstattungsmerkmale iPhone 4
Speicher 16 oder 32 GB
Retina-Touchscreen 960×640 Pixel, 16,7 Millionen Farben, 5,1×7,7 cm
Netze Quadband / UMTS / HSDPA / HSUPA / EDGE
Betriebssystem iOS 4
Prozessor ARM Cortex A81 GHz
Digitalkamera Auflösung max. 2.592×1.944 Pixel
Videokamera Auflösung max. 1.280×720 Pixel
Auflösung der Front-Kamera 640×480 Pixel
Sonstiges A-GPS-Empfänger inkl. Google Maps; Stereo-Bluetooth; W-LAN 802.11b/g/n; Sprachwahl; Digitaler Kompass
Preis ab 1 Euro mit Vertragsverbindung; ab ca. 900 Euro ohne Vertrag (siehe iPhone 4: Importeure nennen Preise)
Maße 11,5.2 x 5,86 x 0,93 cm
Gewicht 142 Gramm

 
Siehe auch: iPhone 4: Videochats, A4-Prozessor, 5-Megapixel-Kamera mit LED-Blitz für ausführlichere Technische Daten.

Produktfotos von Apple; Beispielfoto von thoMas