Foto Bryan Adams, Flag Extreme Gewalterfahrungen verschiedener Kriegswirklichkeiten zeigen die Bilderzyklen von Anja Niedringhaus, Jan Banning und Bryan Adams, die jetzt im Stadthaus Ulm ausgestellt sind:

Presseinformation vom Stadthaus Ulm:

28. Juni bis 7. September 2014
Gesichter des Krieges
Fotografien von Anja Niedringhaus, Jan Banning und Bryan Adams

2014 jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal. Das Stadthaus zeigt drei in sich geschlossene Zyklen mit Arbeiten der drei Ausnahmefotografen Anja Niedringhaus, Jan Banning und Bryan Adams, die extreme Gewalterfahrungen verschiedener Kriegswirklichkeiten portraitieren.
 

Foto Anja Niedringhaus, Basra, Irak, März 2003

Anja Niedringhaus, Basra, Irak, März 2003
Eine irakische Frau flieht mit ihrem Kleinkind und anderen Einwohnern vor schweren Gefechten aus der Stadt.
© Anja Niedringhaus / AP

 
Die Pulitzer-Preisträgerin Anja Niedringhaus (1965 – 2014) berichtete als Augenzeugin mehr als 20 Jahre mit eindringlicher Schonungslosigkeit unmittelbar aus weltweiten Krisen- und Kriegsgebieten, unter anderem aus Kroatien und Serbien, Irak, Afghanistan, Libyen und Israel. Unter extremen Bedingungen dokumentierte sie, oft Schulter an Schulter mit Soldaten, Leben und Sterben im Ausnahmezustand militärischer Auseinandersetzungen. Ihre Bilder rücken den Menschen ins Zentrum. Niedringhaus begegnete ihm mit Neugier und Respekt gleichermaßen, seien es Soldaten, die mit Verzweiflung, Wut, Schmerz oder Tränen kämpfen, oder eine strapazierte Zivilbevölkerung, die um Normalität und Würde ringt. Unter dem Titel „At War“ hatte sie eine Auswahl ihrer Arbeiten der letzten 10 Jahre zusammen gestellt, die u.a. bei C/O Berlin 2011 und in der Deutschen Börse Frankfurt/M. ausgestellt wurde und nun im Stadthaus gezeigt wird. Ein Ausstellungskatalog erschien bei Hatje Cantz und ist derzeit vergriffen.

Am 4. April 2014 wurde Anja Niedringhaus auf dem Weg zur Wahlbeobachtung in Afghanistan erschossen, ihre Kollegin Kathy Gannon schwer verletzt.
 

Foto Jan Banning, Emah    Foto Jan Banning, Wainem

Jan Banning, Emah, Jahrgang 1926, Kuningan, West-Java / Wainem, Jahrgang 1925, Mojogedang, Zentral-Java
© Jan Banning

 
Der Portraitzyklus „Comfort Women“ (erschienen 2010) des niederländischen Fotografen und World Press Photo Award- Preisträgers Jan Banning (*1954) zeigt indonesische Frauen, die während des Zweiten Weltkrieges als sogenannte „Trostfrauen“ in Militärunterkünfte und Frontbordelle der japanischen Armee verschleppt und dort teils jahrelang Opfer sexueller Gewalt und systematischer Zwangsprostitution wurden. Mehr als sechs Jahrzehnte hatten die Frauen über die an ihnen begangenen Verbrechen geschwiegen – oft aus Scham und Angst vor sozialer Ächtung –, bevor sie sich von Jan Banning portraitieren ließen und über ihre leidvolle Geschichte, die seelischen Verletzungen und Folgeschäden berichteten. Das Buch „Comfort Women / Troostmeisjes“ ist 2010 bei Ipso Facto / Seltmann+Söhne erschienen.
 

Foto Bryan Adams, Marine Mark Ormrod, London, 2011

Bryan Adams, Marine Mark Ormrod, London, 2011
© Bryan Adams
 
 
Foto Bryan Adams, Flag

Bryan Adams, Flag
© Bryan Adams

 
Der Musiker und Fotograf Bryan Adams (*1959) fotografierte für seine seit 2008 entstandene Portraitserie „Wounded – The Legacy of War“ britische Kriegsheimkehrer aus Afghanistan oder dem Irak. Mit der nüchternen Präzision einer Großbildkamera und vor sachlich ausgeleuchtetem Studiohintergrund dokumentiert er die Kriegsverletzungen der Männer und Frauen, zeigt ihre Verstümmelungen, Narben und Verbrennungen. Adams hat die Verwundung der oft noch sehr jungen Veteranen im Blick. Er portraitiert ihren trotzigen Willen und Stolz, mit dem sie um ihren Weg zurück ins Leben kämpfen. Sie posieren nicht in heroischem Patriotismus, sie umgibt vielmehr die Aura eines verstörend provokativen Optimismus. Die beinahe lebensgroßen, sehr monumentalen Abzüge machen eine direkte Konfrontation mit dem Menschen „hinter“ dem Bild unausweichlich, nicht als Darstellung eines Krieges, sondern als Realität des Krieges. Das Buch „Wounded – The Legacy of War“ ist 2013 bei Steidl erschienen.

Die ungeheuerliche Dimension des nuklearen Wettrüstens ist das Thema des Japaners Isao Hashimoto (*1959). Fassungslos steht man vor seiner Multimediaarbeit „1945 – 1998“, die die 2.053 in diesem Zeitraum erfolgten Kernwaffenexplosionen sichtbar macht. In diesem Prolog zur Ausstellung werden keine Menschen gezeigt, weder Opfer noch Täter, noch Fragen der Moral formuliert. Umso spürbarer aber ist der Irrsinn der unumkehrbaren, globalen Allgegenwärtigkeit atomarer Bedrohung.

Dem französischen Philsosophen und Soziologen Jean Baudrillard zufolge verflüchtigt sich die Wirklichkeit durch eine visuelle Reizüberflutung in austauschbare Bilder. Kriege werden in den Medien überbelichtet, bleiben aber gleichzeitig unterbelichtet im Gedächtnis. Die in der Ausstellung präsentierten Arbeiten eint jedoch eine Wucht, die den Betrachter berührt. Diese Bilder bleiben abrufbar, weil auch das von Bedeutung ist, was nicht unmittelbar auf den Bildern zu sehen ist. Wir fragen uns nicht, wie nah man den abgebildeten Ereignissen oder Personen ist, wir hinterfragen auch nicht die Authentizität der Bilder oder versuchen sie mit der unmittelbaren Wirklichkeit zu vergleichen. Vielmehr erinnern wir diese Bilder, weil sich uns ihre Bedeutung und die Geschichte, die wir damit assoziieren, eingebrannt haben und sie über den engen Horizont bloßer Tagesaktualität hinausreichen.
 
 
Ausstellung:
Gesichter des Krieges
Fotografien von Anja Niedringhaus, Jan Banning und Bryan Adams
28. Juni bis 7. September 2014

Stadthaus Ulm
Münsterplatz 50
89073 Ulm
 
 
Siehe auch:
Comfort Women – Ein Interview mit dem koreanischen Fotografen Ahn Sehong
Layer by layer – The survived Korean women who had been left in China – ‘Comfort Women’
Comfort Women (Videodokumentation)

Ernst Friedrich – Krieg dem Kriege!

(thoMas)